Pressemitteilung vom 6.10.2020
BSO wird Berlins neuer BER: Kostenexplosion und riesige Verzögerungen drohen
Berlin, den 6.10.2020: Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) kritisiert die Vorgehensweise des Senats im Bereich Schulbau scharf. Dabei sieht sich GiB durch den aktuellen Bericht des Berliner Landesrechnungshofes (BLRH) erneut bestätigt. Dazu Carl Waßmuth, Vorstand von GiB:
„Das ist die denkbar größte Ohrfeige, die ein Rechnungshof einer Landesregierung erteilen kann. Unsere gesamten Bedenken werden ausgeführt und der Regierung erneut vorgelegt. Der Senat muss jetzt die Pläne zur Steuerverschwendung und Bauverzögerung über die Howoge sofort stoppen.“
Erst vor fünf Tagen hatte GiB Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin, den Senat von Berlin, die Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister und die Schulstadträtinnen und -stadträte angeschrieben. In dem Brandbrief warnt GiB noch einmal eindringlich vor den Privatisierungsrisiken.
Dazu Herbert Storn, Mitunterzeichner des Briefes und schulpolitischer Sprecher von GiB:
„Was Berlin da mit der Howoge-BSO bekommen soll, droht den BER noch zu toppen! Laut Rechnungshof sind 5,5 Milliarden Euro Mehrkosten zu erwarten. Und die Verzögerung beträgt bereits vier Jahre, ohne dass die Howoge nur einen Stein gesetzt hätte. Wir fordern den Senat und die Bezirke auf, die Verträge zur Auslagerung des Schulbaus an die Howoge nicht zu unterschreiben und stattdessen aus öffentlicher Hand zu planen und zu bauen.“
Zum Hintergrund:
Mit dem Volksbegehren „Unsere Schulen“ reichte der Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) 2018 über 30.000 Unterschriften für eine Volksinitiative ein, um eine drohende Privatisierung der Berliner Schulen durch die Berliner Schulbauoffensive (BSO) abzuwenden. Um die Schuldenbremse zu umgehen, hatte die rot-rot-grüne Koalition die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge in den Bau und die Sanierung von Schulen eingebunden. In einer parlamentarischen Anhörung wurden die Abgeordneten über die erheblichen Risiken dieses Vorgehens informiert. Dazu gab die Volksinitiative eine 100-seitige Stellungnahme ab, die die Aussagen mit zahlreichen Quellen hinterlegte. GiB kritisierte, dass die öffentlich-öffentliche-Partnerschaft (ÖÖP) zu Kostenexplosionen führt, den Baubeginn verzögert und zu einem Transparenzverlust für die Öffentlichkeit führt.
Der aktuelle Bericht des Berliner Landesrechnungshofes (BLRH) stellt die Kritikpunkte von Gemeingut in BürgerInnenhand erneut ins Zentrum der Diskussion: Der Rechnungshof kritisiert, dass die Baukosten allein in den letzten zwei Jahren um 30 Prozent gestiegen seien und zudem die Anzahl der als notwendig zu erachtenden Schulneubauten von 42 auf 88 gestiegen seien: „Die Kosten der mit dem Programm insgesamt geplanten Maßnahmen betragen aktuell mehr als elf Milliarden Euro und haben sich damit bereits jetzt verdoppelt.“ Zudem sei der anvisierte Zeitplan der Schulbauoffensive bis 2026 bereits jetzt Makulatur.
Insbesondere wird vom BLRH kritisiert, dass der Senat keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zur Einbindung der Howoge durchgeführt hätte, vielmehr wären alternative Lösungsmöglichkeiten überhaupt nicht geprüft worden. Unter diesem Aspekt sei die Zuweisung von 1,5 Mrd. Euro als Bauvolumen an die Howoge unter Risikostreuungsaspekten nicht nachvollziehbar. Weiterhin bemängelt der Rechnungshof die Einbeziehung der Howoge in die Sanierung von Schulgebäuden. Hier seien vielfach individuelle Baulösungen erforderlich, für die Bezirke die besseren Kenntnisse besäßen. Außerdem ergäbe sich durch die lange Laufzeit der Mietverträge von 25 Jahren, der geplanten Miete pro Schule von 3 bis 4 Mio. Euro und Baukosten von 50 Mio. Euro pro Schule eine Übersteigerung der Mieten gegenüber den Baukosten um das 1,5- bis 2-fache. Schließlich fallen gegenüber dem traditionellen Bau von Schulen direkt über die Bezirke oder Senatsverwaltungen durch das Erbbaupachtmodell zusätzliche Transaktionskosten in Form von Grundsteuern, Grunderwerbsteuern und Erbbauzinsen an. Die Kosten hierfür werden vom Rechnungshof auf weitere 80 Mio. Euro geschätzt. Das Ergebnis: Laut Rechnungshof steigen dadurch für die Bezirke die Kosten, ein Punkt auf den GiB schon seit Jahren hinweist.
Neben den Kostensteigerungen hat GIB bereits im Mai diesen Jahres auf Vertragslücken in den Miet- und Erbbaurechtspachtverträgen zwischen den Bezirken und der Howoge hingewiesen, die im Extremfall zu echten Privatsierungen führen können. All dies sind aus Sicht von GiB mehr als genug Gründe, die Einbindung der Howoge in den Berliner Schulbau sofort zu stoppen.