Pressemitteilung des Aktionsbündnisses Eine S-Bahn für Alle
In einem uns seit dem 16. Juni vorliegenden Bericht des Bundesverkehrsministeriums gegenüber dem Verkehrsausschuss des Bundestages wird konstatiert, dass in den letzten zehn Jahren keine Anfragen und Verhandlungen zwischen dem Berliner Senat und dem Eigentümer der S-Bahn, der Deutschen Bahn (DB), zu einer Beteiligung des Senats an der Berliner S-Bahn stattgefunden haben. Andererseits haben wir Antworten der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz erhalten, dass es wiederholt solche Anfragen gegeben habe.
Wenn es stimmt, dass die Deutsche Bahn – oder die Bundesregierung als ihr Eigentümer – in den letzten zehn Jahren nicht ein einziges Mal ernsthaft und ergebnisoffen mit dem Senat über die Zukunft der Berliner S-Bahn verhandelt haben sollte, wäre dies angesichts der Bedeutung des Themas in der Berliner Landespolitik ein Skandal. Es bleibt unklar, wer die Hauptverantwortung für die Eskalation trägt: der Bund und die DB wegen der Absage an einen Verkauf der S-Bahn Berlin oder der Senat und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) wegen dem Beharren auf die komplexe Ausschreibung. Wie auch immer, eine weitere Eskalation könnte zur Privatisierung und Zerschlagung der S-Bahn Berlin führen. Wir fordern direkte, offene und transparente Verhandlungen zwischen allen Beteiligten über die Zukunft der Berliner S-Bahn und einen sofortigen Abbruch des Ausschreibungsprozesses. Auch die Beschäftigten und Fahrgäste müssen in diesen Verhandlungsprozess eingebunden werden.
Seit 2013 fährt die S-Bahn jährlich durchschnittlich circa 60 Millionen Euro Profite ein. Durch die Ausschreibung nimmt der Senat in Kauf, dass diese zukünftig von privaten Eisenbahnunternehmen abgegriffen werden. Die Ausschreibung ginge auf Kosten der Beschäftigten, deren über Jahre erkämpfte Rechte nicht erhalten werden können, und der Fahrgäste, weil durch die möglichen Betreiberwechsel und Schnittstellen zwischen den bis zu 10 Akteuren ein schlechtere Koordination des Verkehrsangebots droht. Dazu Jorinde Schulz vom Bündnis Eine S-Bahn für Alle:
„Was durch den S-Bahn-Betrieb erwirtschaftet wird, muss in den öffentlichen Nahverkehr zurückfließen – nicht als Gewinne an Privatunternehmen gehen. Das Ziel muss sein, kostendeckend zu wirtschaften und in die langfristige Entwicklung der SBahn zu investieren. Dabei muss das Wohl von Beschäftigten und Fahrgästen im Zentrum stehen. Der Wettbewerb um die S-Bahn, der mit der Ausschreibung angetreten wird, wird auf Kosten von Beschäftigten ausgetragen und riskiert das Abwandern öffentlicher Gelder an internationale, profitorientierte Unternehmen, die an der Entwicklung des Netzes keinerlei Interesse haben. Verkehrssenatorin Regine Günther muss diese unverantwortliche Ausschreibung zurückziehen und endlich mit irekten, offenen und transparenten Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und dem Bundesverkehrsministerium beginnen.“
Beim bundesweiten Schienengipfel am 30. Juni, bei dem grundsätzliche Fragen zur Bahnpolitik diskutiert werden sollen, sollte es insbesondere um die Zukunft der S-Bahn Berlin gehen, die pro Jahr mehr Fahrgäste als der gesamte Fernverkehr befördert!
Das Bündnis Eine S-Bahn für Alle ruft am 19. Juni 2020 um 15 Uhr am S-Bahnhof Ostkreuz zu einer Kundgebung gegen die Berliner S-Bahn-Ausschreibung und für eine sozial-ökologische Verkehrswende auf. Pressevertreter*innen sind herzlich eingeladen.
Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) ist Mitglied des Bündnisses Eine S-Bahn für Alle.