Wertneutral? Eine Betrachtung zum Jahresanfang

Bild: Jorma Bork / pixelio.de
Bild: Jorma Bork / pixelio.de

Von Jürgen Schutte / GiB

Der Behörden Spiegel ist verärgert. Das Zentralorgan der PPP-Lobby findet die Privatisierung bei der neuen Bundesregierung unzulänglich vertreten; das Blatt zitiert aus dem Koalitionsvertrag:

Die Fortentwicklung von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Wir wollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Geldgebern oder Infrastrukturgesellschaften als zusätzliche Beschaffungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespart und Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werden können. Dies muss […] in jedem Einzelfall transparent und unabhängig nachgewiesen werden.

… und merkt kritisch an:

Der Absatz bleibt an vielen Stellen schwammig und wirft mehr Fragen auf als er beantwortet. Was bedeutet zum Beispiel ein „unabhängiger“ Nachweis des Wirtschaftlichkeitsvorteils von ÖPP?[1]

Es ist interessant zu beobachten, wie die selbst gesetzten Maßstäbe über Bord gehen, wenn der Privatisierungs-Markt in Gang gehalten werden soll. Was der Behörden Spiegel als schwammig abwertet, entspricht nämlich ganz genau dem gewöhnlichen Argumentationsgestus der PPP-Befürworter. Sie werden nicht müde, die „Objektivität“ der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu betonen. Der stehende Ausdruck dafür ist „wertneutral“. Was will der Koalitionsvertrag anderes als diesen Maßstab propagieren?

Mit Blick auf die Berliner Koalitionsverhandlungen hatten wir am 30. Oktober an dieser Stelle geschrieben, dass die Union und SPD offensichtlich die Zeichen der Zeit erkannt hätten. Sie seien bereit, die Interessen jener 79% der Bevölkerung ernst zu nehmen, die jede weitere Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen ablehnen. In unserer Pressemitteilung hieß es, das sei „ein großer Erfolg für die BürgerInneninitiativen, die sich seit Jahren gegen Privatisierungen einsetzen.“[2] Drei Wochen später mussten wir unseren Optimismus korrigieren: „Koalitionsverhandlungen: SPD eingeknickt. Sie will weiter privatisieren.“[3]

So geht es hin und her bei der In-Wert-Setzung der Gemeingüter und beim Ausverkauf der Daseinsvorsorge. Das wäre nicht weiter schlimm, denn der Einsatz für die Durchsetzung von Interessen ist eine Bewegungsform der Demokratie. Ungut ist die falsche Fokussierung der Debatte. Die Aufmerksamkeit richtet sich nicht mehr darauf, wie die öffentlichen Einrichtungen von Grund auf reformiert werden können – denn das müssen sie, unbedingt. Stattdessen bilden private Gewinnerwartung und betriebswirtschaftliche Rechnung, bis an den Hals verschuldete Kommunen und auf kurzfristige Reputation bedachte Kommunalpolitiker eine Mischung, deren Folgen wir täglich präsentiert bekommen.

Nach wie vor gilt: Die Privatisierungen drücken der Demokratie die Luft ab!

Und: Vor der Demokratie bleibt die Wahrheit auf der Strecke. Das lässt sich auch unabhängig vom Ausgang und von den Folgen der einzelnen PPP-Projekte zeigen. Die einzigen Institutionen, von denen ein „wertneutrales“ Urteil erwartet werden kann, sind die Rechnungshöfe und die kommunalen Aufsichtsämter. Sie haben leider nur geringe Sanktionsmöglichkeiten.

Die Projektentwicklungsgesellschaft Rheinland-Pfalz (PER), welche die Kommunen acht Jahre lang in Infrastrukturfragen beraten hat und dabei kräftig Reklame für PPP machte, wurde zum Jahresende 2013 abgewickelt. Sie habe ihre Aufgabe erfüllt heißt es in einer Stellungnahme des Landes (Rheinland -Pfalz am 5. Januar 2014).[4]

Als Beispiele für die erfolgreiche Tätigkeit der PER werden eine Kindertagesstätte in Gerolstein, das Südbad in Trier und die Jakob-Frey-Sportanlage in Heidesheim bei Mainz angeführt.

Das ist eine bemerkenswerte Reihe von Pilotprojekten. Alle drei sind nämlich wegen gar nicht „wertneutraler“ Berechnungen ins Gerede gekommen. In unterschiedlicher Weise hat man bei diesen Geschäften die Wirklichkeit so lange hin- und her gewendet, bis das gewünschte Ergebnis erzielt war. Zum Glück ist das trotz der in PPP-Sachen üblichen Geheimhaltung in allen drei Fällen bekannt geworden. Hier einige Ergebnisse.

Kindertagesstätte Kleine Helden in Gerolstein:

Die Stadt Gerolstein hat im Jahr 2010 im Rahmen eines PPP-Projekts den Bau einer neuen Kindertagesstätte beschlossen. Die Investition wurde mit 3,95 Mill. Euro beziffert, als Betriebspauschale waren 120.000 Euro pro Jahr über 25 Jahre Laufzeit vorgesehen. Gegenüber der konventionellen Durchführung hatte man Kosteneinsparungen von 6-8% errechnet.

Nach Prüfung dieser „Berechnung“ verhängte der Landesrechnungshof von Rheinland-Pfalz einen Baustopp. [5] Grund: Eine ordnungsgemäße Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, unabdingbare Voraussetzung bei der Entscheidung für ein PPP-Projekt, lag nicht vor.

Nach intensiven „intensiven klärenden Gesprächen“ mit den Rechnungsprüfern wurde dieser Stein des Anstoßes beseitigt und man konnte im Juli 2012 mit der Durchführung des Projekts beginnen.

Auf das PPP-Verfahren wirft diese Praxis trotzdem kein gutes Licht – den Kleinen Helden sei der neue Kindergarten gegönnt!

Südbad Trier

Kurz nach dem Abschluss der umfänglichen Bau- und Sanierungsarbeiten traf der Prüfbericht des Landesrechnungshofs im Rathaus ein – im Ergebnis ein vernichtendes Urteil: „Aus unserer Sicht ist die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen“, erklärte Johannes Hermann, Leiter des Prüfgebiets Bau beim Landesrechnungshof. Umbau und Betrieb des Bades als PPP-Projekt sei für die Stadt nicht günstiger als Sanierung und Betrieb auf eigene Faust.[6]

Wie viel teurer das Südbad im Vergleich zur Durchführung in städtischer Eigenregie sein wird, ist noch nicht öffentlich. Bekannt wurde jedoch, dass der Landesrechnungshof schon vor dem Vertragsabschluss vor den „elastischen Zahlen“ des Vertrags gewarnt hatte. Das hat die PPP-Lobby nicht gehindert, das Trierer Südbad im Jahr 2011 mit dem vom Behörden Spiegel vergebenen „Innovationspreis“ auszuzeichnen.[7]

Jakob-Frey-Sportanlage Heidesheim

Die Firma Gebr. Becker Sportanlagen GmbH sanierte im Rahmen einer Public Private Partnership die Jakob-Frey-Sportanlage in Heidesheim. Auch in diesem Fall kam der Landesrechnungshof zu einem sehr schlechten Ergebnis. „Die vielfach propagierte These, dass PPP-Verfahren höhere Termin- und Kostensicherheit bieten, hat sich hier nicht bestätigt“, lautet das Urteil der Rechnungsprüfer. [8] Die wesentlichen Kritikpunkte: Unter anderem seien Bedarf und Auslastung der Sportanlage nicht nachgewiesen; anstelle einer Anlage für den Breitensport sei eine Hochleistungssportanlage gebaut worden. Die Investitionskosten seien von geschätzten 500 000 Euro auf 2,2 Millionen Euro angestiegen.[9]

PER-Geschäftsführer Rainer Zeimentz, der zum Liquidator der Projektentwicklungsgesellschaft Rheinland-Pfalz bestellt ist, bilanzierte die Erfahrungen des Landes: PPP lohne sich nur sei nur bei großen Projekten, ab 15 bis 20 Millionen Euro Investitionssumme. Faktisch sei es um den PPP-Gedanken im Land sehr still geworden.

Eine gute Nachricht! Wenn sie denn Bestand hätte. Sie haben bisher schon Geld in den Sand gesetzt und haben immer noch überteuerte Projekte in Arbeit. Also nicht PPP-freie Zone. Schade.

Quellen:

[1] http://www.behoerden-spiegel.de/icc/Internet/nav/fa8/fa81071b-6ee3-fe11-a3b2-1718a438ad1b&conOrder=mc.dContentStartAt&conOrderDirection=DESC&uCon=c969d221-f5d2-4162-efc3-6107b988f2ee&uTem=aaaaaaaa-aaaa-aaaa-bbbb-000000000003.htm

[2] https://www.gemeingut.org/2013/10/union-und-spd-erkennen-endlich-die-nachteile-von-privatisierung-und-ppp/

[3] https://www.gemeingut.org/2013/11/presse_gib-koalitionsverhandlungen-spd-will-nun-doch-weiter-privatisieren/

[4] http://hallelife.de/nachrichten/halle-saale/aktuelles/news/items/Hallenser-bauen-Kita-in-Gerolstein.html

[5] http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/gerolstein/aktuell/Heute-in-der-Gerolsteiner-Zeitung-Gerolstein-laesst-Kita-von-Investor-bauen;art8068,2811858

[6] http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/gerolstein/aktuell/Heute-in-der-Gerolsteiner-Zeitung-Gerolstein-laesst-Kita-von-Investor-bauen;art8068,2811858,PRINT?_FRAME=33&title=Gerolstein%20l%C3%A4sst%20Kita%20von%20Investor%20bauen

[7] http://www.dppp.de/icc/dppp/nav/ac1/ac14bccf-bd8b-9312-06e0-3467b988f2ee.htm

[8] http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/vg-heidesheim/heidesheim/13374092.htm

[9] http://www.allgemeine-zeitung.de/region/mainz/vg-heidesheim/heidesheim/13374092.htm

Die genannten Projekte in der Projektdatenbank der ÖPP Deutschland AG:

Kindertagesstätte in Gerolstein: http://www.ppp-projektdatenbank.de/index.php?id=27&tx_ppp_controller_searchmap[projectId]=321&tx_ppp_controller_searchmap[action]=showProject

Südbad Trier: http://www.ppp-projektdatenbank.de/index.php?id=27&tx_ppp_controller_searchmap[projectId]=189&tx_ppp_controller_searchmap[action]=showProject

Jakob-Frey-Sportanlage Heidesheim: http://www.ppp-projektdatenbank.de/index.php?id=27&tx_ppp_controller_searchmap[projectId]=284&tx_ppp_controller_searchmap[action]=showProject

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