Die G20 treibt ÖPP als Zaubermittel ihrer Investitions- und Wachstumsstrategie weltweit voran
von Heike Löschmann, Heinrich-Böll-Stiftung und Jana Mattert, Gemeingut in BürgerInnenhand
Was hat das jüngste Gerangel um die deutschen Autobahnen mit G20-Politik zu tun? Mehr, als es ein erster Blick es vermuten lässt. Denn die Grundgesetzänderung zur Gründung einer Autobahn-Infrastrukturgesellschaft steht exemplarisch für eine von der G20 forcierte Investitionspolitik, deren Maxime es ist, öffentliche Infrastrukturen für privates Kapital zu öffnen. Eben dieses Modell findet sich auch im „Compact with Africa“, der Initiative des Bundesfinanzministeriums zur deutschen G20-Präsidentschaft. Das Argument: Infrastrukturinvestitionen sorgen für globales Wachstum und neue Jobs. Das wundersame Mittel zur Umsetzung sind Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP). Durch Standardisierung von ÖPP-Verträgen soll deren Um- und Durchsetzung beschleunigt werden.
Während Regierungen mit ÖPP öffentliche Schulden in Schattenhaushalten verstecken können, sollen Finanzmarktakteuren wie Pensionsfonds oder Versicherungen in Zeiten von Niedrigzinspolitik renditestarke und stabile Anlagemöglichkeiten ermöglicht werden. ÖPP werden – entgegen vielfältiger wissenschaftlicher Belege und Erkenntnissen der unabhängigen Evaluierungsgruppe der Weltbank als globale „Win-win“-Situation beschworen: caused by fluctuation in income. Profits are privatized and the risks go to the public. PPP should not be implemented with standard contracts. Im globalen Süden sollen durch Mobilisierung privaten Kapitals öffentliche Infrastrukturen finanziert werden, während das Modell zugleich Renten und Lebensversicherungen im reichen Norden sichere. Für die Nutzung der Infrastruktur werden Entgelte erhoben, es fließen Steuermittel in deren Erhalt, Ausbau und Betrieb. Die Gewinne daraus können privat angeeignet werden. Es stellt sich die Frage, wem die sogenannte Partnerschaft nutzt und vor allem wem nicht.
Die entscheidenden Probleme finden kaum Eingang in den Diskurs: Wer investiert? Zu welchem Zweck? Wer profitiert? Wer zahlt? Wessen Bedarf an Infrastruktur wird berücksichtigt? Und schließlich: Wem gehört dann die Infrastruktur und wer kontrolliert ihre nachhaltige Bewirtschaftung? Auch auf internationaler Ebene werden die zwiespältigen Dimensionen dieser Investitionspolitik deutlich: Institutionelle Anleger konzentrieren sich auf große Projekte; zugleich lenkt der Wunsch nach Wirtschaftswachstum und Konnektivität Investitionen in wirtschaftlich relevante Sektoren wie Energie, Transport, Wasser und Informationstechnologie. Neben dem afrikanischen „Program for Infrastructure Development in Africa“ (PIDA) ist hier das chinesische Seidenstraßen-Projekt als Beispiel zu nennen. Mit einem Investvolumen von 900 Milliarden US-Dollar soll es China mit Europa, Nahost und Afrika verbinden.
Es besteht jedoch die Gefahr, dass die negativen Auswirkungen von Großprojekten die erhofften Entwicklungsimpulse dadurch zunichte machen, dass die Bekämpfung von Klimawandel und Armut der Stabilisierung des Finanzsektors geopfert wird. Wer nach der Krise 2008 hoffte, dass Akteure wie die G20 eine Entwicklung im Sinne des Gemeinwohls durchsetzen könnten, sieht sich mit der Realität einer Investitionspolitik konfrontiert, die private Verwertungsinteressen priorisiert.
ÖPPs verengen die Möglichkeiten staatlicher Regulierung zugunsten von Umwelt- und Sozialstandards. Durch regelmäßige Kostenexplosionen schaden sie den öffentlichen Haushalten und gefährden demokratische Grundrechte wie öffentliche Kontrolle und Mitbestimmung. Künftige Generationen werden mit Schattenhaushalten und Risiken belastet, denn sie sind es, die Infrastrukturen der Daseinsvorsorge im Krisenfall „retten“ müssen. Das alles gilt nicht nur in Afrika, sondern auch bei uns, überall, anderswo.
Das dürfen wir nicht zulassen! Zivilgesellschaft muss sich deshalb weltweit breit und solidarisch organisieren, um sich diesem Trend eines globalen Konsenses für Infrastrukturpolitik entgegenzustellen, der von der G20 koordiniert und vorangetrieben wird.
Der Text wurde publiziert in der Zeitung zum G20-Alternativgipfel „Gipfel für globale Solidarität“.