Der Finanzsenator des Landes Berlin Ulrich Nußbaum hat heute den Rückkaufvertrag für die 24,95% der Veolia-Anteile an den Berliner Wasserbetrieben dem Senat vorgelegt. Veolia wird für ihre Anteile ca. 650 Millionen Euro bekommen, ebenso wie RWE. Der Konzern hat bereits im Oktober 2012 seine Anteile an das Land Berlin verkauft.
Pressemitteilung des Berliner Wassertischs
Mit dem Rückkauf der Veolia-Anteile an den Wasserbetrieben beendet der Senat eine fast 14jährige Teilprivatisierung. Diese hat der Berliner Bevölkerung die höchsten Wasserpreise unter den deutschen Großstädten sowie einen Berg an Problemen hinterlassen. Der Berliner Wassertisch begrüßt die Rekommunalisierung, übt aber scharfe Kritik am ‚goldenen Handschlag‘, den nach RWE jetzt auch Veolia bekommen soll.
Der Kaufpreis könnte niedriger sein, denn:
1. Statt – wie vorgeschrieben – einen Teil unseres Wassergelds für Investitionen zu nutzen, wurden Veolia und RWE Gewinne zugeschoben. Die BWB haben jetzt einen hohen Investitionsbedarf, was den Wert des Unternehmens mindert.
2. Das Bundeskartellamt hat eine Senkung der Wasserpreise gefordert. Daraus ergibt sich ein niedrigerer Gewinn, was ebenfalls den Wert des Unternehmens mindert.
3. Der Senat ist gewillt, Veolia die voraussichtlichen Gewinne bis 2028 auszuzahlen. Fakt ist, dass der Wasserverbrauch ständig zurückgeht. Auch daraus ergibt sich ein niedrigerer Gewinn, was ebenfalls den Wert des Unternehmens mindert.
Die Art, wie der Senat die Veolia-Anteile zurückkauft, beschert den Wasserverbrauchern auf Jahrzehnte weiter hohe Wasserpreise. Damit muss Schluss sein. Gerhard Seyfarth kommentiert: „Der Berliner Wassertisch hat eine Wassercharta erarbeitet, die eine Umstellung der Wassertarife auf Gebühren vorsieht, die nur den laufenden Betrieb sowie notwendige Investitionen finanzieren. Die Erfahrung der letzten 14 Jahre lehrt uns, dass die Wasserbraucher/innen ein direktes Mitspracherecht bei der Leitung der Wasserbetriebe bekommen müssen. Wir rufen alle Interessierten auf, gemeinsam mit uns eine Konzeption für die Erneuerung der Wasserbetriebe zu erarbeiten.“
Wirtschafts-Expertin Gerlinde Schermer kommentiert: „Die Situation in Berlin zeigt, das Volk ist bereit, für das Wasser in den Kampf zu ziehen. Nachdem der Berliner Volksentscheid die Offenlegung des Wasserprivatisierungsvertrages erkämpft und die dort enthaltene Renditegarantie zugunsten der Privaten international bekannt gemacht hat, sah sich jede Berliner Regierung gezwungen, den Weg der RE-Kommunalisierung zu beschreiten. Der Konzern RWE und der Wassermulti Veolia werden aufgrund des 30jährigen Privatisierungsvertrages vor Vertragsablauf teuer aus dem öffentlichen Betrieb herausgekauft.Vollständig öffentliche Wasserversorgung steht jetzt im Berliner Regierungsprogramm und so soll es auch EU Programm werden.“
Der Berliner Wassertisch feiert mit den Berlinerinnen und Berlinern, dass durch die mit dem Wasser-Volksentscheid erzwungene Aufklärung der Geheimverträge nun auch der private Anteilseigner Veolia keine Zukunft mehr für sich in Berlin sieht. Wassertisch-Sprecherin Ulrike von Wiesenau kommentiert: „666.000 Berlinerinnen und Berliner haben nach dem Abgang von RWE auch den Rückzug von Veolia erzwungen und das Wasser wieder in die öffentliche Hand gebracht – Berlin sagt Veolia adieu! Mit dem Wasser-Volksentscheid und der damit erzwungenen Offenlegung der Geheimverträge konnten immer weitere skandalöse Konditionen der Berliner Teilprivatisierung ans Licht und vor die Gerichte gebracht werden, zuletzt lagen Veolias Nerven blank.“
http://Berliner-wassertisch.net
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Der Berliner Wassertisch stellt die Wassercharta vor
Eine Pressemitteilung vom 5.9.2013. Zur Erneuerung der Wasserbetriebe und der Berliner Wasserpolitik hält es der Berliner Wassertisch für geboten, nicht einfach die vorherige öffentliche Struktur wieder herzustellen, sondern die Berliner Wasserbetriebe zu erneuern. Der Wassertisch hält es für notwendig, neue Grundsätze für die Wasserbetriebe und die Berliner Wasserpolitik einzuführen. Dazu hat er eine Wassercharta für Berlin entworfen.
Gerhard Seyfarth: „Leitlinie der Wassercharta ist eine transparente, also ohne geheime Gremien arbeitende, sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und partizipative – unter Beteiligung der Wasserverbraucher arbeitende – Wasserwirtschaft. Die Charta entwickelt die in der Europäischen Wassercharta von 1968, der Wiener Wassercharta von 2001 und die im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft des Berliner Wassertischs 2011 entwickelten Vorstellungen weiter. Sie soll als Leitlinie für das Handeln erneuerter und nur dem Gemeinwohl, aber nicht dem Profit verpflichteter Wasserbetriebe dienen.“
Auch die jetzige Struktur der Wasserbetriebe ist durch die Privatisierung geprägt und muss geändert werden. „Dazu beginnt jetzt ein Dialog, zu dem wir alle einladen“, sagt Mathias Behnis. “Am Ende stellen wir uns ein Modell namens ‚Berliner Wasserrat‘ vor, das direkte Bürgerbeteiligung und Kontrolle garantiert. Wir wollen demokratische Wasserbetriebe.“
Da die Berliner Wasserbetriebe der erste Betrieb der Daseinsvorsorge sein werden, der nach der Privatisierung der 90er Jahre wieder vollständig in öffentliches Eigentum zurückgeführt wird, kommt der Forderung nach einer direkten Bürgerbeteiligung in Form eines Wasserrates besondere Bedeutung zu. Ulrike von Wiesenau: „Mit dem in Gründung stehenden Wasserrat betreten wir demokratisches Neuland und stehen so am Anfang eines gesellschaftlichen Suchprozesses nach einer am Gemeinwohl orientierten Wasserversorgung in Berlin, bei der es klare Regelungen über die Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger Berlins geben wird, die über die bisher bekannten Modelle hinausgehen.“