von Carl Waßmuth
Die Vorschläge der Bundesregierung zu den Grundgesetzänderungen im Zuge der Autobahnreform stoßen bei vielen Grünen auf Kritik. Der Fraktionsvorsitzende im Bundestag Dr. Anton Hofreiter hatte das Vorhaben mehrfach angegriffen, zuletzt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Frank Bsirske von ver.di und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow:
„Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), die Grünen im Bundestag und die Gewerkschaft Verdi haben gemeinsam vor der Privatisierung von staatseigenen Straßen gewarnt.“
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag Sven-Christian Kindler hat immer wieder auf den drohenden Privatisierungscharakter der Reform hingewiesen. Winfried Hermann, Verkehrsminister in Baden-Württemberg hat Gutachten in Auftrag gegeben, die untersuchen sollten, ob der Autobahnbereich in den Gesetzentwürfen hinreichend vor Privatisierung geschützt sei – was verneint wurde. Inhaltlich in die Gegenrichtung fährt die Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms. In ihrem aktuellen Newsletter schreibt sie:
„Zum Ende des vergangenen Jahres ist etwas Seltenes geschehen: Die große Koalition hat eine Reform auf den Weg gebracht, die auf grünen Ideen und Vorschlägen beruht.
Bereits knapp zwei Jahre zuvor hatten der Landesverband Schleswig-Holstein und eine Gruppe grüner Verkehrspolitiker vorgeschlagen eine Infrastrukturgesellschaft zu gründen, die Fernstraßen aus einer Hand baut und erhält. Wie von uns gefordert soll ein Privatisierungsverbot im Grundgesetz festgeschrieben werden – denn es soll die Organisation verbessert und nicht das Tafelsilber verschleudert werden. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens werden wir nun genau prüfen, dass eine Umgehung dieses Privatisierungsverbots nicht möglich ist und die Umstrukturierung ohne negative Folgen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landesverwaltungen bleibt. Für uns ist es wichtig, die organisierte Verantwortungslosigkeit beim Straßenbau zu beenden. Die Wünsch-Dir-Was-Mentalität hat dazu geführt, dass vor allem in den Wahlkreisen einflussreicher Politiker gebaut wird – und nicht dort, wo echte Engpässe bestehen. Die Reform kann hier einen wichtigen Beitrag liefern.“
Dabei steht Valerie Wilms ÖPPs und der Förderung von ÖPP durch den Junckerplan und den EFSI-Fonds kritisch gegenüber. Soll in Deutschland gut sein, was auf EU-Ebene schlecht ist? Wilms weist auch zu Recht darauf hin, dass das Verfahren um den Bundesverkehrswegeplan eine Katastrophe ist. Dass aber mit der neuen „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ die Verkehrswende näher rückt, muss doch stark bezweifelt werden. Vor allem aber ist die Grundgesetzreform im Kern gar kein verkehrspolitisches Projekt. Es ist ein Privatisierungsvorhaben par excellence.
Die Auseinandersetzung von Wilms mit dem Thema Privatisierung scheint nicht sehr intensiv gewesen zu sein. Sie sieht ein Privatisierungsverbot im Grundgesetz, wo andere (z.B. der Bundesrechnungshof oder die Gutachter Hermes / Weiß / Beckers) das Gegenteil konstatieren: Das bisherige Privatisierungsverbot im Grundgesetz wird aufgehoben und durch wesentlich schwächere Regeln ersetzt. Ob das von Frau Wilms wahrgenommene Privatisierungsverbot umgangen werden kann, will sie erst jetzt „im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens“ prüfen – kaum acht Wochen vor der Abstimmung. Wie ist das zu verstehen: erst jubeln, dann lesen? Dass es zu mehr und nicht zu weniger Privatisierung kommt, ist spätestens seit dem 14. Dezember 2016 bekannt. Frau Wilms wäre daher zu fragen, inwieweit Privatisierung „auf grünen Ideen und Vorschlägen beruht“.
Ich freue mich, dass nachträglich die Überschrift („Viele Grüne gegen Grundgesetzänderung – eine dafür“) geändert wurde, auch wenn noch immer suggeriert wird, es handele sich um eine einzelne Grüne. Wie im zitierten Newsletter erwähnt, haben sich die Grünen Verkehrspolitiker der Bundestagsfraktion und auch ein Grüner Landesverband für eine Infrastrukturgesellschaft ausgesprochen. Es sind sich alle Grünen darin einig, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Das jetzige System der Straßenfinanzierung ist intransparent und ineffizient. Als Gemeingut ist es heute leider auch überhaupt nicht BürgerInnenhand. BürgerInnen erwarten, dass die Politik verantwortungsvoll mit Steuergeld umgeht und den Wert der Straßen und Brücken erhält. Das ist leider nicht der Fall: Es bröckelt überall und selbst das Geld, welches die Volksvertretung Bundestag investieren will, wird im Haushaltsvollzug völlig anders ausgegeben. Der Haushaltsplan ist im besten Fall so etwas wie eine grobe Empfehlung, mit der die zersplitterte Verwaltung macht, was sie will. Daran müssen wir etwas ändern und eine mögliche Antwort ist das Grüne Konzept: http://valerie-wilms.de/userspace/KAND/vwilms/PDF-Dateien/160419a_Autorenpapier_Werte_erhalten_Web.pdf
Die Arbeit von Gemeingut in BürgerInnenhand schätze ich, weil sie mir als Parlamentarierin hilft, meine Argumente zu prüfen und zu verbessern. Ihr Artikel suggeriert, dass die Grundgesetzänderung bereits beschlossene Sache wäre und dass ich mich nicht mit der Thematik beschäftigen würde. Beides ist nicht der Fall. Ich kann nicht nachvollziehen, warum sie das ganze Gesetzgebungsverfahren lächerlich machen. Ich nehme meine Arbeit hier im Bundestag ernst und die beginnt, wenn wir das Gesetz hier zum ersten Mal beraten. Dazu warte ich ab, was die Bundesländer im Bundesrat beschließen und erst dann prüfen wir, ob das von der Bundesregierung behauptete Privatisierungsverbot tatsächlich wirksam im Gesetz steht. Wenn das nicht der Fall ist, werden wir Grüne das klar und deutlich benennen.
Dr. Valerie Wilms
Liebe Frau Dr. Wilms,
Danke für die Reaktion auf unseren Beitrag. Wir freuen uns auch, dass sie unsere Arbeit schätzen! Natürlich wissen wir, dass Sie sich mit der Thematik beschäftigen. Unsere Kritik bezog sich darauf, dass Sie zu Privatisierung nur allgemein Stellung beziehen, obwohl seit dem 14.12. ein konkreter Gesetzentwurf vorliegt. Durch die Bundesratsstellungnahme, die Sie abwarten wollten, wurde der Gesetzentwurf ja nur kommentiert, nicht verändert. Sie hätten sich also durchaus schon vorher eine eigene Position zu einem Privatisierungsverbot bilden können. Viele andere Abgeordnete haben das getan. Wir nehmen das parlamentarische Verfahren sehr ernst und wollen es keinesfalls lächerlich machen. Im Gegenteil: Wie Sie unseren Beiträgen entnehmen können, haben wir mehrfach deutlich kritisiert, dass das Thema über ein Jahr nur in Exekutivgremien behandelt wurde: Der Bundestag wurde nicht informiert, schon vorliegende Landtagsbeschlüssen missachtet. Erst dadurch entstand die Zeitnot, auf die wir Sie hingewiesen haben. Nun hat die erste Beratung stattgefunden (http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/18/18218.pdf), auch Sie haben dort gesprochen. Sie sagten: „Die Zeiten neoliberaler Privatisierungsorgien müssen ein für alle Mal vorbei sein.“ „Öffentliches Eigentum darf schlicht und ergreifend nicht verschleudert werden.“ „Keine Privatisierung zu keinem Zeitpunkt!“. „Alles, was eine Hintertür öffnet, müssen wir ausschließen. Trickreiche Konstruktionen für öffentlich-private Partnerschaften brauchen wir einfach nicht mehr.“ „Auch irgendwelche Anlagemodelle für die Versicherungswirtschaft haben hier nichts verloren.“ Das sind alles soweit richtige Aussagen. Was uns ein wenig enttäuscht, ist dieses: Ihre Aussagen beziehen sich auf die Zukunft, so als sprächen Sie über einen Gesetzentwurf, der erst noch kommen müsse. Wir wissen aber (weil wir uns mit dem konkreten Gesetzentwurf intensiv beschäftigt haben), dass all das, was Sie nicht wünschen, schon schwarz auf weiß auf Papier steht, dass es mit dem konkreten Gesetzentwurf ermöglicht würde. Das hätten Sie als Abgeordnete (und Vertreterin der Opposition) eigentlich sagen müssen. Noch besser wäre es gewesen, Sie hätten auch dargestellt ob und wenn ja wie (in etwa) so etwas verhindert werden kann. Auch das finden wir nicht zu viel verlangt, da sind selbst Abgeordnete der Regierungsfraktionen (die den Entwurf und die Gefahr von Privatisierungen ebenfalls kritisiert haben) weiter gegangen. Und Sie wissen: das will etwas heißen.