Verschlimmbesserung statt Revolution: Lauterbachs Reform verschärft die bestehende Misere

Vor der 1. Lesung des KHVVG üben Beschäftigte und gesundheitspolitische Initiativen scharfe Kritik

Anlässlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) an diesem Donnerstag äußerten Vertreter*innen verschiedener gesundheitspolitischer Initiativen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz grundlegende Kritik an Lauterbachs Krankenhausreform. Weder die neuen Vorhaltepauschalen noch die Leistungsgruppen sind in ihrer vorliegenden Form geeignet, die Misere der Krankenhäuser zu beheben. Im Gegenteil: Die Reform zielt auf eine massive zahlenmäßige Verringerung der wohnortnahen Grundversorgungskrankenhäuser und auf Bettenabbau ab. Damit wird sich die Gesundheitsversorgung verschlechtern.

Die Initiative der Berliner Kinderkliniken, das Bündnis Krankenhaus statt Fabrik, der Verein demokratischer Ärzt*innen und das Bündnis Klinikrettung fordern gemeinsam, dass die Reform die flächendeckende Krankenhausversorgung durch eine kostendeckende Finanzierung und eine demokratische Planung der Bedarfe unter Einbeziehung von Bürger*innen und Beschäftigten sicherstellt.

Thomas Böhm, ehem. Chirurg am Klinikum Stuttgart und Sprecher von Krankenhaus statt Fabrik:
„Unsere zusammenfassende Bewertung der Lauterbach’schen Reform ist: Die Revolution der Finanzierung fällt aus, ein massiver Abbau der stationären Versorgung steht bevor. Lauterbach hat 2004 die Einführung der DRG-Fallpauschalen nachdrücklich befördert und schon damals behauptet, dass dies die Qualität der Versorgung verbessern würde. Das war weder bei den DRGs der Fall, noch trifft es heute auf das KHVVG zu. Der Bevölkerung wird mit der Qualitätserzählung Sand in die Augen gestreut, und sie wird über die wahren Ziele der Reform hinweggetäuscht: eine drastische Verringerung der kleinen Grundversorgungskrankenhäuser und der Abbau von Betten.“

Peter Hoffmann,Oberarzt an der München Klinik, ver.di, vdää*:
„Leistungsgruppen und Qualitätskriterien müssen sachgerecht sein und kein Selektionsinstrument. Am ehesten ist dies zu gewährleisten, wenn die Planung demokratisch – also unter Beteiligung aller Betroffenen, auch der Bürger und der Beschäftigten – und in den Versorgungsregionen stattfindet und nicht am grünen Tisch oder auf Bundesebene. Es besteht die große Gefahr, dass die geplanten Qualitätskriterien zum Bettenabbau und zu Krankenhausschließungen missbraucht werden. Denn Lauterbach hat nicht die Qualität im Auge, wie er ständig betont, sondern genau diesen Abbau.“

Jorinde Schulz, Bündnis Klinikrettung:
„Wer für Lauterbachs Reform ist, ist auch für Krankenhausschließungen – das müssen die Abgeordneten wissen, wenn sie für das Gesetz stimmen. Die Leistungsgruppen sind in ihrer jetzigen Form keine Qualitätssicherung, sondern ein Schließungsinstrument. Die sogenannte Vorhaltefinanzierung ist ein Etikettenschwindel. Denn ob die Krankenhäuser sie erhalten, hängt von Fallzahlen und Mengenkriterien ab. Gerade die wohnortnahen Krankenhäuser der Grundversorgung, deren Erhalt für eine gute Gesundheitsversorgung in der Fläche entscheidend ist, werden durch die Reform also stark benachteiligt. Um die Krankenhäuser und damit die flächendeckende Versorgung zu retten, brauchen wir eine vollständige Finanzierung der Kosten, welche den Kliniken für die Erfüllung ihres Versorgungsauftrags entstehen. Ein Modell dafür gibt es: die Selbstkostendeckung.“

Songül Yürek, Initiative der Berliner Kinderkliniken:
„Trotz Brandbriefen, medialem Aufschrei und politischen Zugeständnissen der desolaten Zustände müssen wir feststellen, dass die angekündigten und lang ersehnten Veränderungen des Gesundheitssystems in Form des KHVVG eine regelrechte Verschlimmbesserung darstellen. Zukünftig wird eine Rund-um-die-Uhr-Notfallversorgung von Kindern und Jugendlichen nicht mehr flächendeckend gewährleistet werden können. Zweckgebundene finanzielle Hilfen nützen nur dann, wenn sie für den deklarierten Zweck auch nachweislich eingesetzt werden.“

Folien von der Pressekonferenz:

 

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