TTIP: Motor für Privatisierung und Public Private Partnership

Bild: attac
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Von Laura Valentukeviciute / GiB, zuerst erschienen im „Klare Sicht auf TTIP“ das Heft 10/2014 von „Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“

Das Transatlantische Investitions- und Freihandelsabkommen (TTIP) könnte eine größere Gefahr für die öffentliche Daseinsvorsorge darstellen, als die Europäische Kommission und auch viele PolitikerInnen in Deutschland weismachen wollen. Mit TTIP könnten Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge für das transatlantische Handels- und Investitionswesen geöffnet werden. Dies wäre ein Vorstoß, der über die bestehenden vergleichbaren internationalen Abkommen hinausgeht.

TTIP-Verhandlungsdokumente machen deutlich, wie beide Seiten eine Marktöffnung anstreben: Die EU erklärt in einem Positionspapier zu öffentlicher Beschaffung, sie wolle eineGewährleistung besserer Marktzugangsbedingungen für EU- und US-Unternehmen1. Die USA fordern, dassumfassend Markthindernisse in Bereichen Tarife, Dienstleistungen, Investitionen und öffentliche Beschaffung angegangen werden.2

EU-Kommission als treibende Kraft

Allerdings zeigt die EU-Kommission einen größeren Eifer als die USA, die öffentliche Vergabe von Dienstleistungen und Aufträgen in die TTIP-Verhandlungen aufzunehmen. So hat die USA zwei vage Ziele zu diesem Kapitel formuliert: einen erweiterten Zugang für US-Firmen zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten der EU zu schaffen und US-Lieferanten die gleichen Bedingungen wie den einheimischen zu ermöglichen.3 Im Gegensatz dazu legte die Kommission ein detailliertes Positionspapier zur öffentlichen Beschaffung vor4 und machte dort deutlich, was sie mit dem Abkommen erreichen will:

  • Die Regelungen des 2014 in Kraft getretenen WTO-Abkommens zu öffentlicher Beschaffung (GPA) ausweiten und das höchste Liberalisierungsniveau erreichen, das EU und USA in all ihren bisherigen Freihandelsabkommen vereinbart haben.
  • Buy American5 und Ausnahmeregeln beseitigen.
  • Hindernisse für grenzüberschreitende Beschaffung oder Beschaffung mit Tochterunternehmen vor Ort beseitigen.
  • Die Regeln auf alle Verwaltungsebenen und Beschaffungsmärkte anwenden, also national, regional und lokal.
  • PPP (Public Private Partnership, oder ÖPP – Öffentlich-private Partnerschaften) in das Kapitel zum öffentlichen Vergabewesen aufnehmen.

Verpflichtung zum Wettbewerb

Der freie Wettbewerb ist das Kernziel des Abkommens. Generell ausgenommen sein sollen nur die Dienste in Ausübung hoheitlicher Gewalt, wie z.B. Polizei oder Justiz. Für alle anderen Dienste gilt im Prinzip der Wettbewerbsschutz und dafür können diverse Maßnahmen als wettbewerbswidrig eingestuft werden: entweder, weil sie ausländische Anbieter diskriminieren (Inländerbehandlung) oder weil sie allgemein den Marktzugang für alle Anbieter beschränken, z.B. Sonderrechte für einzelne Anbieter.6 Wettbewerbswidrig können dadurch zum Beispiel Regeln zu Universaldienstleistungen sein, also die Verpflichtung eines Dienstleisters, eine flächendeckende Versorgung für jeden sicherzustellen. Dies ist im Zusammenhang mit der Verpflichtung eines Staates zur öffentlichen Daseinsvorsorge von besonderer Bedeutung. Der Fall Mexico-Telecom verdeutlicht die Folgen: Dabei urteilte die WTO-Schiedsstelle, dass nach den geltenden WTO-Abkommen zu Telekommunikation den Unternehmen keine Durchleitungsgebühren verrechnet werden dürfen, die über den direkten Gestehungspreis hinausgehen. Das heißt, es könnte aufgrund dieser Entscheidung in Zukunft nicht mehr möglich sein, alle Kosten für die Infrastruktur in die Preisberechnung einfließen zu lassen oder gar die Ausweitung der Netzinfrastruktur in die Peripherie querzufinanzieren.7 Diese Quer- und Vorfinanzierungspraxis ist aber gang und gäbe beim Ausbau der umfangreichen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge. Die Gefährdung der Daseinsvorsorge erfolgt auch durch eine andere Marktzugangsregel, nämlich die Abschaffung von öffentlichen Monopolen, die im Bereich der Daseinsvorsorge eine sehr wichtige Funktion erfüllen.

Welche Bereiche genau vom freien Marktzugang erfasst oder ausgenommen sind, legen die Vertragspartner in Listen fest. Im WTO-Recht wurde hierzu bisher immer mit Positivlisten gearbeitet, d.h. liberalisiert werden nur die gelisteten Sektoren. Nun soll bei TTIP wahrscheinlich eine Negativliste verwendet werden, d.h. alles wird liberalisiert, was nicht in der Liste steht. Zwar schlägt die EU in ihrem geheimen Listen-Angebot vor, bestimmte öffentliche Monopole oder Universaldienstleistungspflichten zu schützen. Dies umfasst aber nicht alle Bereiche, z.B. nicht Telekommunikation und Energie, und es ist nicht klar, ob die USA damit einverstanden sind.

Mit TTIP könnten Rekommunalisierungen erschwert oder gar ausgeschlossen werden. So soll eineStillstandsklauseldazu verpflichten, in einem Bereich bereits bestehende Liberalisierungauf höchstem Niveauzu übernehmen und dieses Niveau in Zukunft nicht zu unterschreiten.8 Das heutige Liberalisierungsniveau umfasst beispielsweise auch die Zulassung von Teilprivatisierungen in Form von PPP. Diese wurden schon in der Debatte über die Liberalisierung von Wasser im Rahmen der EU-Konzessionsrichtlinie letztes Jahr als Türöffner für umfassende Privatisierungen entlarvt.

TTIP als Garant für den Erhalt von PPP

Die Ausbreitung von PPP in Deutschland fing Ende der 1990er Jahre an, als zahlreiche Kommunen aufgrund der Versprechungen über die Effizienz der Privaten oder schlicht wegen der Haushaltsnöte, dazu gelockt oder gezwungen wurden, PPP-Projekte zu machen. Während weniger Jahre breitete sich dieses Privatisierungsmodell in Deutschland aus und heute gibt es ungefähr 300 PPP-Projekte. Mittlerweile gerät PPP immer stärker in Kritik und wird von den Kommunen und Ländern immer seltener gewählt bzw. sogar rückgängig gemacht. So hat sich Mitte August das Land Sachsen-Anhaltdas als Vorreiter bei PPP-Projekten galtaufgrund der schlechten Erfahrung und infolge der massiven Kritik seitens der Rechnungshöfe offiziell von PPP verabschiedet.9 Das Beispiel sollte Schule machenwenn nicht die EU-Kommission mit TTIP dem zuvorkommt.

Wie schon eingangs zitiert, will die Kommission PPP im Kapitel zur öffentlichen Vergabe abdecken. Diesen Vorstoß kritisiert die österreichische Arbeiterkammer: Damit seidas inhärente Ziel verbunden, den Einsatz von ÖPP im transatlantischen Maßstab zu forcieren.10 Dass dies zugleich ein weit reichender Schritt der Kommission ist, zeigt die Tatsache, dass es weder in der EU noch international einheitliche PPP-Definition gibt, geschweige denn einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen. Deswegen soll nach dem Wunsch der Kommissioneruiert werden, inwieweit ÖPP umfassender einbezogen und/oder inwieweit die für solche Verträge geltenden Vorschriften […] eindeutiger formuliert werden können.Wie dem geheimen Papier der EU-KommissionCoverage of public private partnerships (PPP)zu entnehmen ist, besteht der erste Schritt darin, in TTIP die PPP-Modelle zu klassifizieren.11 Der Vorschlag zur Klassifizierung kommt in dem kurzen Papier mehrfach vor, und dies erweckt den Eindruck, dass der Kommission dieses Anliegen sehr wichtig ist. Zu vermuten ist, dass sie damit vorbeugen will, dass PPP als solches oder zumindest manche Modelle vom Freihandelsabkommen nicht abgedeckt wären.

TTIP enthält wohl auch Bezüge zum EU-weiten Förderprogramm Project Bond Initiative (PBI), das die Kommission 2012 gestartet und mit 750 Millionen Euro ausgestattet hat. Damit wird vor allem der Ausbau der Netzinfrastruktur finanziert, also von Schienen, Autobahnen, Internet- und Energienetzen. Alle diese Projekte sind ausschließlich PPP, und so eröffnete die Kommission Tür und Tor für die umfangreichste bis jetzt bekannte PPP-Förderung. Auf die PBI wird indirekt im Positionspapier der EU Bezug genommen: Neben den allgemein aufgelisteten Bereichen, in denen der Marktzugang verbessert werden soll, wird die Verkehrsinfrastruktur besonders hervorgehoben.12 Genau dieser Bereich ist in einer Deutsche-BankStudie zur PBI13 als der Bereich angegeben, in den die meisten Mittel fließen werden:Von den EUR 230 Mio., die aus EU-Haushaltsmitteln bereitgestellt werden, stammen allein EUR 200 Mio. aus dem Programm TEN[Transeuropäische Netze, L.V.]-Verkehr und dürften daher überwiegend in transeuropäische Verkehrsprojekte fließen.Da auch in USA Verkehrsprojekte bei PPP überwiegen14, dürften die internationalen Konzerne in diesem Bereich die größten Auftrags- und Gewinnchancen für die kommenden Jahre oder sogar Jahrzehnte wittern. Dass die PPP-Projekte in diesem Bereich viel teurer werden als im Vorfeld geplant, wurde vor kurzem zum wiederholten Male vom Bundesrechnungshof festgestellt.15 Das führt aber nur zu höheren Ausgaben für die öffentliche Hand, ergo für die SteuerzahlerInnen, für die Privaten bleibt es ein sehr lukratives Geschäft.

Die Bundesregierung ist vorsichtiger geworden

In einer ebenso geheimen Reaktion rät die deutsche Regierung der Kommission davon ab, PPP in das TTIP-Kapitel zur öffentlichen Vergabe aufzunehmen. Sie führt als Kritik eine fehlende einheitliche Definition und rechtliche Grundlage an. Und, was besonders interessant ist, sie besteht nachdrücklich darauf, Wasserkonzessionen, also Wasser-PPP-Projekte aus dem TTIP heraus zu halten. Natürlich ist die deutsche Regierung ein gebranntes Kind und will nicht nochmal in die gleiche Zwickmühle geraten wie letztes Jahr mit der EU-Konzessionsrichtlinie. Auf die Herausnahme von Verkehrsinfrastruktur aus den TTIP-Verhandlungen besteht sie aber auf diese nachdrückliche Weise nicht. Die Bundesregierung verfolgt also nicht per se das Ziel, die öffentliche Daseinsvorsorge vor TTIP zu schützen, sondern tut das wenn überhaupt gezwungenermaßen aufgrund öffentlichen Drucks. Deshalb müssen BürgerInneninitiativen, ArbeitnehmerInnenverbände und andere zivilgesellschaftliche Organisationen Druck machen, alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge vor TTIP zu schützen.

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1 Europäische KommissionVerhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Erstes Positionspapier zum öffentlichen Auftragswesen, 20. Juli 2013, http://trade.ec.europa.eu/doclib/html/152675.htm.

2 High Level Working Group on Jobs and GrowthFinal Report of the U.S.-EU High Level Working Group on Jobs and Growth, 11. Februar, 2013 http://www.ustr.gov/about-us/press-office/reports-and-publications/2013/final-report-us-eu-hlwg

4 Europäische KommissionVerhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Erstes Positionspapier zum öffentlichen Auftragswesen, 20. Juli 2013, http://trade.ec.europa.eu/doclib/html/152675.htm.

5 DieBuy American-Regel sieht vor, dass bei der öffentlichen Vergabe, die amerikanischen Unternehmen bevorzugt werden.

6 Vgl. hierzu ausführlich Markus Krajewski „‘GATS plus: Öffentliche Dienstleistungen in Freihandels- und Investitionsabkommen der Europäischen Unionin Oliver Prausmüller / Alice Wagner (Hrsg.)Reclaim Public Services, Hamburg 2014, S. 132-158.

7 Vgl. Werner RazaÖffentliche Dienstleistungen in internationalen Handelsabkommen: Erfahrungen aus der GATS-2000-Debatte, in Oliver Prausmüller / Alice Wagner (Hrsg.)Reclaim Public Services, Hamburg 2014, S. 65-85.

8 Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen (bvöd)Positionen und Forderungen des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen zu den Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den USA und der Europäischen Union (TTIP), 04.06.2014.

11 Die EU-Kommission schlägt dafür die Klassifikation von IWF aus dem Jahr 2004 vor.

12 Europäische KommissionVerhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Erstes Positionspapier zum öffentlichen Auftragswesen, 20. Juli 2013, http://trade.ec.europa.eu/doclib/html/152675.htm.

13 Eric HeymannProject Bond Initiative, DB Research EU-Monitor, 23. August 2013.

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