Von Laura Valentukeviciute, GiB
„The People vs. PFI“ – unter diesem Titel fand letztes Wochenende eine Konferenz in London statt, zu der sich PrivatisierunsgegnerInnen aus dem ganzen Land versammelt haben. PFI steht für Private Finance Initiative – so werden in Großbritannien zurzeit Öffentlich Private Partnerschaften, ÖPP genannt. Zur Konferenz hatten diverse Initiativen, NGOs, Uni- und KlinikenmitarbeiterInnen eingeladen. Derzeit bereiten Sie einen breiten Protest gegen ÖPP-Projekte in Großbritannien vor und die Konferenz war gleichzeitig das Kick-off-Treffen für die großangelegte landesweite Antiprivatisierungskampagne unter dem gleichen Titel „The People vs. PFI“ (www.peoplevspfi.org.uk).
Die Entwicklungen in Großbritannien sind für die PrivatisierungsgegnerInnen in Deutschland von besonderer Bedeutung, denn Großbritannien ist führend bei der Liberalisierung und beim Ausverkauf der öffentlichen Güter und Dienstleistungen. Sie haben sowohl die klassische Privatisierung unter Thatcher konzipiert und politisch als erstes europäisches Land umgesetzt, als auch das spätere Privatisierungsmodell ÖPP entwickelt und implementiert. Von da aus wurden diese Modelle auf andere Länder Europas übertragen. So kam es, dass aktuelle Entwicklungen in Deutschland, wie z.B. die neue Privatisierungsoffensive von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, in Großbritannien bereits seit Ende 2011 stattgefunden haben. Demnach werden neben Banken auch private Versicherungen in die Projekte einbezogen, die Projekte werden größer und „ÖPP“ wird aufgrund der wachsenden Kritik – nein, nicht evaluiert oder abgeschafft, sondern umbenannt (siehe unten). Damals informierte uns darüber Dexter Whitfield, der Wissenschaftler und Gewerkschafter, den wir Anfang 2012 nach Deutschland eingeladen hatten. Auch diesmal wollten wir möglichst früh von den neuesten Entwicklungen erfahren und haben uns entschieden, an der Konferenz teilzunehmen. Das hat sich gelohnt, wie die Erkenntnisse aus der Konferenz zeigen.
Ineffizient und teuer
Das Tagungsprogramm war eine interessante und informative Mischung aus wissenschaftlichen Beiträgen und Analysen der Ursachen, Formen und Folgen von ÖPP, Erfahrungen aus dem Alltag sowie einer Diskussion der strategischen Schritte. Das Thema, das am meisten Beachtung fand, war die Krankenhausprivatisierung. Einerseits weil unter den Organisatoren zwei Initiativen aus dem Gesundheitssektor vertreten waren: medact und NHS – not for sale. Und andererseits weil im Publikum viele ÄrztInnen, PflegerInnen und Krankenhausservicepersonal vertreten waren.
Gleich am Anfang lieferte Prof. Dr. David Price von der Queen Mary University of London eine fundierte Analyse zu den Problemen mit ÖPP-Projekten im Gesundheitssektor. Anhand konkreter Zahlen zeigte er die Konsequenzen auf: So wurden bei ÖPP-Krankenhäusern in London die Kapazitäten um 14% abgebaut, um die vorgesehenen Renditeerwartungen zu erfüllen. Da die Krankheitsfälle sich aber den Wünschen der so genannten Investoren natürlich nicht anpassen, müssen die PatientInnen auf die öffentlichen Krankenhäuser umgelegt werden. Das führt dort zu Überbelegungen der Betten und Überlastung des Personals sowie neuen Kosten. Die ÖPP-Krankenhäuser nehmen weiterhin die vereinbarte Miete von der öffentlichen Hand ein, verarzten aber weniger Kunden – so wie PatientInnen in Großbritannien bezeichnet werden – und kommen so an ihre erwarteten Renditen. Insgesamt gibt es in Großbritannien derzeit 118 PFI-Krankenhäuser und diese haben dazu geführt, dass die Bettzahl bereits um 30% gesunken ist. Dazu kommt, dass PFI eine sehr teure Bau- und Betriebsvariante ist und die versprochene Effizienz der Privaten nicht eintritt. Davon zeugen zahlreiche Beispiele nach nur wenigen Jahren. Zugespitzt sagte Prof. Price dazu: „Ein PFI-Krankenhaus kostet im Endeffekt so viel wie drei öffentliche Krankenhäuser“.
Dass ÖPP-Projekte viel teurer werden als geplant, warnten mehrere TeilnehmerInnen. Wie auch anders, wenn die private Kredite teurer sind als Kommunalkredite und wenn aus der Daseinsvorsorge außerdem auch noch Gewinne erwirtschaftet werden sollen. Ein Vertreter der inter-generation Foundation hat ausgerechnet, dass wenn die Regierung alle PFI-Schulden offen legen würde, die Schuldenlast um 35 Milliarden Pfund höher wäre (im Vergleich: Offiziell beträgt sie derzeit 305 Milliarden Pfund). Da das echte Ausmaß der Schulden nicht offen gelegt wird und zudem die ÖPP-Projekte laufend teurer werden, wachsen die Schulden für ÖPP-Kredite weiter und stellen eine große Gefahr für die künftigen Generationen dar.
Hydra mit vielen Köpfen oder ein plattes Täuschungsmanöver?
ÖPP gerät, wie seinerzeit klassische Privatisierung, immer stärker in die Kritik. Um die Menschen hinters Licht zu führen und ÖPP-Projekte dennoch zu machen, werden sie einfach anders genannt. Die neuesten Bezeichnungen in Großbritannien sind ASD – „Alternative service delivery“ und „Strategic Partnership“. In Frankreich wird gerade ein Gesetz entwickelt, um neue Unternehmensformen, also neue ÖPP-Konsortien zu ermöglichen. Diese heißen SEMOP – „societe d’economie mixte à opèration unique“. Was für einen Titel uns die ÖPP-Kommission von Gabriel in Deutschland vorstellen wird, können wir noch gespannt sein – die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2015 vorgelegt werden (mehr zu der Kommission in unserem neuesten Faktenblatt Nr. 16 unter www.gemeingut.org/2014/10/faktenblatt-nr-16-die-neue-privatisierungsoffensive-gabriels-oepp-kommission/).
Die Namensänderung ist einerseits ein plattes Täuschungsmanöver. Andererseits trägt sie mit dazu bei, dass es schwierig ist, ÖPP-Kritik in die Öffentlichkeit zu bringen. ÖPP kann man sich deshalb wie eine Hydra vorstellen, mit zahlreichen Köpfen: PPP, ÖPP, PFI, PF2, PSP, ASD, P3 usw.
ÖPP-Lebenszyklus: Enden nach 25 oder 30 Jahren die ÖPP-Projekte oder die öffentliche Daseinsvorsorge?
Die Frage, was mit den Projekten nach dem Ablauf der Vertragszeit passiert, gewinnt in Großbritannien immer mehr an Bedeutung. Zurzeit gibt es auch dort noch keine größeren Projekte, die das Ende ihrer Laufzeit erreicht haben. Wie Dexter Whitfield in seiner Analyse aufzeigte, lässt sich vermuten, dass die Projekte verlängert werden – denn die Zeit der knappen öffentlichen Kassen wird nicht vorbei, ganz im Gegenteil. Außerdem werden die privaten Konsortien kein Interesse daran haben, den stetigen Fluss von Gewinnen aus ÖPP-Projekten zu unterbrechen. Es sind schließlich sichere Einnahmen aus Steuergeldern, die als Miete gezahlt werden, oder über die Maut oder andere Gebühren hereinkommen. Toll-Collect ist dafür ein Beispiel aus Deutschland. Der Vertrag wurde vor Kurzem für ein Jahr provisorisch verlängert, um Zeit zu gewinnen für eine dauerhafte Lösung und ihre Umsetzung. Das Problem ist nur, dass die Verträge und das Mautprogramm so komplex sind, dass jede Entscheidung mehr als ein Jahr Vorbereitungszeit erfordert. Es lässt sich daher vermuten, dass im Zusammenhang mit der Untätigkeit des jetzigen Bundesministers für Verkehr die provisorische einjährige Zusammenarbeit mit Privaten zu einem Dauerzustand wird.
Auf der Londoner Konferenz bestand außerdem weitgehende Übereinstimmung darüber, dass die Öffentlichkeit getäuscht worden ist und mit falschen Versprechen auf die Einbahnstraße Richtung komplette Privatisierung geführt worden ist. Denn nach 25 oder 30 Jahren Laufzeit werde der Staat die Schulen, Krankenhäuser oder Straßen nicht wieder zurück bekommen: Einerseits weil die Privaten wie oben erwähnt kein Interesse daran haben werden, den Geldfluss zu stoppen. Und andererseits weil die öffentliche Hand kein Geld dafür haben wird – wie auch, wenn wir uns eindeutig in eine Sackgasse der ÖPP-Schulden bewegen. Und drittens werden nach dreißig Jahren keine Bauämter und über kein technisch und administrativ kompetentes Personal mehr verfügen, um sich eigenständig um die Infrastruktur der Daseinsvorsorge zu kümmern. 30 Jahre sind eine Generation. Wenn diese neue Generation nur privatisierte Dienstleistungen kennt, wird sie sicherlich große Schwierigkeiten haben, öffentliche Daseinsvorsorge überhaupt zu denken geschweige denn, dafür zu kämpfen.
Wie weiter
Zum Schluss wurde noch einmal betont, dass die Konferenz und die Kampagne leider nicht von den Gewerkschaften unterstützt werden. Sie trauen sich wieder nicht oder sind nicht willens, richtige Veränderungen zu unterstützen. Stattdessen stützen die Gewerkschaften weiterhin die liberalisierungs- und privatisierungsfreundliche Politik, die sie seit den Zeiten von Thatcher zermürbt und missachtet.
„The People vs. PFI“ ist eine Bewegung von unten, sehr gut organisiert, mit viel Knowhow und mit großem Willen zur Veränderung. Das nächste Treffen findet am 6.12. in London statt; auch zu diesem Folgetreffen sind Menschen aus anderen Ländern sehr willkommen. Einen europaweiten Protest gegen ÖPP aufzubauen ist gerade jetzt notwendig, denn die neuesten Pläne der EU-Kommission stellen alle bisherigen nationalen ÖPP-Projekte in den Schatten: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte kürzlich an, ein 300 Milliarden Euro dickes ÖPP-Paket noch im Dezember zu veranlassen.