„Sold City“ im Kino gestartet

Seit die Gemeinnützigkeit des Wohnungsbaus fast überall in Europa aufgehoben wurde, gilt Wohnen nicht mehr als Menschenrecht. Der Markt entscheidet inzwischen, wo Menschen leben. Damit hat sich auch in Deutschland ein System der Vernichtung bezahlbaren Wohnraums etabliert, das unsere Gesellschaft auseinanderdividiert. Besonders nach der Finanzkrise begannen Investoren und Fonds aller Art, vornehmlich in Wohnimmobilien, sogenanntes Betongold, zu investieren. Dabei geht es weniger ums Wohnen als um Rendite.

In Deutschland allgemein und vor allem in den Großstädten leben traditionell mehr Menschen zur Miete als in Eigentum. In Berlin sind es sogar 82 Prozent. Diese Menschen sind vom neoliberalen Wohnungsmarkt bedroht. Ein vergleichsweise guter MieterInnenschutz in Deutschland wurde zum Wohle des Kapitals mehr und mehr aufgeweicht.

Mehr als drei Jahre recherchierten die DokumentarfilmerInnen Leslie Franke und Herdolor Lorenz („Wer rettet wen?“, „Der marktgerechte Patient“, „Der marktgerechte Mensch“) für ihren Film „Sold City“. In Berlin, London, Hamburg, München, Basel und Wien sprachen sie mit MietaktivistInnen, StadtforscherInnen und Betroffenen. Im Zentrum stand die Fragestellung: Wie erleben die Menschen den Immobilienboom? Die FilmemacherInnen greifen aber auch beispielhafte wohnungspolitische Ansätze auf, die Mut machen.

Teil 1: Eigentum statt Menschenrecht, 102 Minuten

Der erste Teil von „Sold City“ befasst sich mit dem System der Umwandlung von Wohnraum in Konzerneigentum. Banken, Fonds und internationales Anlagekapital drängen in die Städte. Kaum jemand ist mehr sicher vor dem Verkauf seiner Wohnung. Beim Kasse-Machen sind die einzigen, die dabei stören, die MieterInnen. So formuliert es Daniel Dieckmann aus Berlin. Die Politik verabschiedet sich anscheinend völlig von ihrer Versorgungspflicht. Der Sozialwohnungsbau schwindet im Dienste privater Investoren trotz milliardenschwerer Subventionen. Wie sieht das in anderen Großstädten wie London oder Wien aus, um die das Investorenkapital ebenso wie in Berlin kreist?

Teil 2: Enteignung statt Miete für die Rendite, 102 Minuten

Dieser Teil widmet sich dem System, das großen Wohnkonzernen erlaubt, mit der Miete hauptsächlich die Dividenden der Aktionäre finanzieren. Die DokumentarfilmerInnen schlagen hier den Bogen zu der Forderung der Volksinitiative Deutsche Wohnen & Co nach Enteignung großer Wohnungskonzerne. Zum anderen schauen sie wohnungspolitisch über den Tellerrand in andere Länder. Anna Minton, Buchautorin und Dozentin, beschreibt die Verdrängung der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr als Gentrifizierung, sondern als Sterilisierung der Städte. Aber wie schafft es beispielsweise Wien, dass private Investoren zwei Drittel als geförderte Wohnungen bauen müssen und die MieterInnen darin ihr Leben lang sicher sind? Warum ist das bei uns nicht möglich? Boden ist ein begrenztes Gut. Wenn viel vagabundierendes Kapital über dem Boden kreist, explodieren die Bodenpreise. Genau das ist seit der Finanzkrise passiert. Ein unlösbares Problem? Leslie Franke und Herdolor Lorenz schauen nach Singapur. In dem kapitalistischen Stadtstaat leben 86 Prozent der Bevölkerung im kommunalen Wohnungsbau. Ein Boden-Enteignungsgesetz macht das möglich.

„Sold City“ wurde mit Spenden finanziert. Der „Film von unten“ kann für privat organisierte, nichtkommerzielle Vorführungen eingesetzt werden. Kontakt und weitere Informationen zum Lizenzerwerb: https://www.sold-city.org/de/film-von-unten.

 

Trailer:

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