Die Entwicklung ist rasant – schon am 21.November steht die wichtigste Vorentscheidung zur Schulprivatisierung an. Der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses berät dort unter den Tagesordnungspunkten 22 die sogenannte Berliner Schulbauoffensive (BSO). [1] Die Vorlage des Berliner Senats zur BSO [2] soll dem Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses zur zustimmenden Kenntnisnahme empfohlen werden. Das wäre ein fatales Signal für die nur acht Tage später folgende Abstimmung am 29. November. In fast allen Fällen folgt das Abgeordnetenhaus dem Hauptausschuss. Ist die Senatsvorlage vom Parlament erst einmal zustimmend zur Kenntnis genommen, kann der Senat den Vertrag noch im Dezember unterzeichnen – und Berlin wäre für mindestens 37 Jahre in die Schulprivatisierung eingestiegen.
Gemeingut in Bürgerinnenhand (GiB) hatte dringend vor den Folgen einer mit der BSO verbundenen Privatisierung gewarnt. Die von GiB ins Leben gerufene Volksinitiative „Unsere Schulen“ hatte mit über 28.000 gültigen Unterschriften eine öffentliche Anhörung erzwungen, die am 7. November stattfand. Hier kann die Anhörung in einem Video angesehen werden. Das vorläufige Wortprotokoll der Anhörung steht hier. Vorbereitend zur Anhörung hatte GiB eine umfassende Stellungnahme erarbeitet, in der die in der Anhörung vorgetragenen Argumente auf 100 Seiten vertieft sowie mit Quellen und Hintergründen versehen wurden.
Am Vorabend vor der Anhörung stellte Finanzsenator Matthias Kollatz den Entwurf eines Rahmenvertrags mit der Howoge GmbH [3] ins Internet und informiert um 18:07 Uhr GiB per E-Mail darüber [4]. GiB hatte die Offenlegung des Vertrags vor der Anhörung gefordert. Nun war die Zeit für eine juristische Prüfung allerdings zu knapp. GiB beantragte daher eine zweite Sitzung, in der auch der Rahmenvertrag debattiert werden sollte. Am vergangenen Freitag hat GiB diese Forderung noch einmal an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses gestellt und um rechtsmittelfähigen Bescheid gebeten.
Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen bemühten sich in der Anhörung am 7. November, den Eindruck aufrechtzuerhalten, es würde sich gar nicht um eine Privatisierung handeln. Finanzsenator Matthias Kollatz wehrte noch barscher ab: Er sah viele Unterstellungen, vorgetragene Argumente seien „gegenstandslos“. Was der Senator verschwieg: Er selbst hatte zwei Gutachten [5] beauftragt, die den Privatisierungsgehalt das Vorhabens untersuchen sollten. Die übermittelte Kollatz aber erst drei Arbeitstage nach der öffentlichen Anhörung der Volksinitiative ans Parlament. Die Gutachten lassen keinen Zweifel daran, dass es sich nicht nur um ein Privatisierungsvorhaben handelt, sondern dass dieses Vorhaben auch für das Gemeinwohl Risiken birgt. Entscheidend für die Diskussion ist besonders Folgendes:
Beide Gutachten bestätigen glasklar, dass es sich bei der BSO um eine formelle Privatisierung mit Anteilen funktionaler Privatisierung handelt. Bestätigt wird auch, dass damit Risiken verbunden sind. Damit sind wir endlich in der Debatte ankommen, die wir seit anderthalb Jahren einfordern: Welche Risiken birgt diese Privatisierung?
Klar wird auch, dass mit der BSO gegen die Beschlüsse der SPD verstoßen wird. Im SPD-Parteitagsbeschluss vom Mai 2017 zu Frage heißt es: „Sanierung, Ausbau, Neubau und Erhalt [der öffentlichen Schulen in Berlin erfolgen] durch öffentliche Verwaltungen und im öffentlichen Recht“ [6]. Damit würde nun durch die formelle Privatisierung eklatant verstoßen. Und auch hierdurch: „Die Finanzierung erfolgt aus öffentlichen Mitteln“ heißt es im Beschluss. Kredite, die eine privatrechtliche Wohnungsbaugesellschaft bei Banken aufnimmt, sind keine öffentlichen Mittel. Andernfalls wäre der zu beratende Haushalt um einige Milliarden aus den Unternehmen des Landes größer – was nicht der Fall ist. Die Unternehmen entscheiden selbst über die Mittelverwendung. Wozu Parteitagsbeschlüsse fassen, wenn sich niemand daran hält? Der Senator macht den SPD-Parteitag zum Demokratietheater.
[1] Ein aktuelles Glossar von Dr. Hermann Wollner zu wichtigen Begriffen der BSO ist hier zu finden
[2] Bericht Senat von Berlin – Fin II LIP Ro – vom 25.09.2018, Berliner Schulbauoffensive (BSO), hier: Modellkonzeption zu Neubau und Sanierung durch HOWOGE
[3] Einbindung der HOWOGE in die Berliner Schulbauoffensive (BSO), hier: Entwurf des Rahmenvertrages
[4] Aufschlussreich ist auch die von Dr. Hermann Wollner (sinnwahrend) zusammengefasste und kommentierte Fassung des Rahmenvertrags
[5] Bericht SenFin – I A – vom 12.11.2018, Einbindung der HOWOGE in die Berliner Schulbauoffensive (BSO), hier: gutachterliche Stellungnahmen
[6] Beschluss des Landesparteitags der SPD Berlin vom Mai 2017: „Schulneubau und Schulsanierung in Berlin – ohne Schattenhaushalte, in öffentlicher Verantwortung“