von Carl Waßmuth
Vorbemerkung: Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) tritt ein für die Bewahrung und Demokratisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Gemeingüter wie Wasser, Bildung, Mobilität und Energie sollen unter demokratische Kontrolle zurückgeführt werden. Ein Schwerpunkt von GiB ist die Aufklärung über Privatisierung und Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP).
Am 24.2.2016 hat GiB eine Studie öffentlich vorgestellt, die unter dem Blickpunkt der Privatisierung der Daseinsvorsorge in Deutschland auch Entwicklungen zu den Bundesfernstraßen untersucht. [1]
Gemeinsam mit der Organisation „campact!“ hat GiB zudem insgesamt 254.248 Unterschriften gegen die geplante private Finanzierung von Autobahnen gesammelt und am 17.03.2016 den Ministerpräsidenten der Bundesländer übergeben.
Ausgangssituation
Substanzverzehr der Infrastruktur
Bereits seit 2000 wird in Deutschland in die Infrastrukturen der Daseinsvorsorge zu wenig investiert. Dabei ist über weite Strecken nicht einmal der Substanzerhalt gewährleistet, d.h. es wird jährlich weniger investiert als durch natürliche Alterung und Abnutzung an Substanz im gleichen Jahr verloren geht.
Bankenrettung und Schuldenbremse
Nach Eintritt der weltweiten Finanz- und Weltwirtschaftskrise wurde von der 2005 bis 2009 gerierenden großen Koalition in Deutschland ein milliardenschweres Rettungspaket für Banken aufgelegt. Im Nachgang dazu wurde 2009 eine „Schuldenbremse“ genannte Schuldenregel im Grundgesetz verankert.
Politik der „Schwarzen Null“
Als Nettokreditaufnahme sind damit für den Bund ab 2016 nur noch 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zugelassen. Die seit 2013 regierende große Koalition verfolgt zusätzlich zur Schuldenbremse eine Politik der „schwarzen Null“ und wies bereits 2014 und 2015 einen formal ausgeglichenen Haushalt vor.[2] Damit verzichtete die Bundesregierung auf die Möglichkeit, für Infrastrukturinvestitionen Kredite aufzunehmen; für den Zeitraum 2014 bis 2016 summiert sich dieser Verzicht auf etwa 70 Milliarden Euro[3].
Gleichzeitig wurden für Kommunen und Verkehrsinfrastrukturen Mittelerhöhungen beschlossen, die jedoch zum einen zeitlich bis 2018 begrenzt sind und zudem weiterhin deutlich unter den Anforderungen für die nachholenden und auch für die substanzerhaltenden Investitionserfordernissen bleiben.
Vorschlag für eine Bundesfernstraßengesellschaft
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel berief vor diesem Hintergrund im August 2014 eine Expertenkommission unter Vorsitz von Prof. Marcel Fratzscher ein, die Vorschläge zu mehr öffentlichen und privaten Investitionen machen sollte. In ihrem Abschlussbericht vom April 2015 [4] schlug diese Kommission die Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaft für den Bundesfernstraßenbau vor, die privates Kapital einbeziehen sollte. Dabei wurde sowohl auf die nachholenden Investitionen abgezielt (23,4 Mrd. Euro bis 2015), als auch auf das derzeitige Investitionsniveau (Summe in den nächsten 30 Jahren: 162 Mrd. Euro [5]) sowie auf die für die Substanzerhaltung notwendigen zusätzliche Investitionen (Summe in den nächsten 30 Jahren: 114 Mrd. Euro). Vorgeschlagen wurde mithin die (Teil-)Privatisierung des Erhalts der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Größenordnung von 300 Mrd. Euro.
Gesetze, die Privatkapital den Einstieg in öffentliche Infrastrukturen erleichtern
Ohne explizite Bezugnahme auf Infrastrukturinvestitionen wurden von der großen Koalition eine Reihe von Gesetze und Gesetzänderungen verabschiedet, die den Einbezug von privatem Kapital in Infrastrukturen der Daseinsvorsorge begünstigen. Dazu gehören die Änderung der Anlageverordnung mit der Einschränkung des Konzernverbots, das Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen, die Einführung der Pkw-Maut (derzeit noch ausgesetzt), die Änderung des Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft-Gesetzes (VIFGG), Nachbesserungen zur europäische Versicherungsregulierung »Solvency II«, insbesondere zur Absenkung des mindestens geforderten Eigenkapitals sowie die Lockerung des Vergaberechts für sogenannte öffentlich-öffentliche Partnerschaften [6] (ÖÖP) im Vergaberechtsmodernisierungsgesetz.[7]
Vorschlag Verkehrsministerium
Nach zweijähriger Vorbereitung in den drei Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und Verkehr legte das Verkehrsministerium am 11.12.2015 die Eckpunkte eines Konzepts vor. [8] Das Konzept umfasst sechseinhalb Seiten und schlägt eine privatwirtschaftlich verfasste Infrastrukturgesellschaft für Verkehr vor. Dabei geht man davon aus, dass für die Umsetzung eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist. Innerhalb der Ministerien scheint das Papier nicht abschließend abgestimmt worden zu sein. Zumindest ließ Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel dem RBB mitteilen, er könne dazu [zu dem Papier des Verkehrsministers] gar nichts sagen. Es handele sich nur um ein Papier aus dem Verkehrsministerium und nicht aus seinem Hause.[9]
Gutachten Verkehrs-ministerium
In einem gemeinsamen Bericht mit dem Bundesrechnungshof [10] gab das Verkehrsministerium am 18.12.2015 an, es hätte ein Gutachten zur „Übertragbarkeit des Staatsgarantiemodells nach dänischem Vorbild“ in Auftrag gegeben und rechne in 2016 mit den Ergebnissen daraus.
Ablehnung durch die Länder
Am 23.2.2016 haben die Verkehrsminister der Länder das Konzept abgelehnt und einen eigenen Reformvorschlag innerhalb des bestehenden Rahmens der Auftragsverwaltung gemacht. Zu diesem Vorschlag hat die Bundesregierung bisher nicht Stellung genommen.
Dissens zwischen BMI und BMVI
Am 25.2.2016 referierte Matthias Machnig, Staatsekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, auf der Tagung „Zukunft der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland“ der Friedrich-Ebert-Stiftung und des DGB, dass es hinsichtlich der einzubeziehenden Straßennetze einen Dissens zwischen seinem Ministerium und dem Verkehrsministerium gäbe: Sein Haus würde sich eher für den Miteinbezug der Bundesstraßen in eine Bundesfernstraßengesellschaft aussprechen, wohingegen das Verkehrsministerium im Wesentlichen vor allem die Autobahnen im Blick habe.
Kostengünstiges, effizientes Bauen
Die vorgeschlagene Infrastrukturgesellschaft entbindet nicht von einer sinnvollen, den Anforderungen der BürgerInnen gerecht werdenden Infrastrukturpolitik. Hier gab es in der Vergangenheit massive Versäumnisse, z.B. eine Vernachlässigung des Bestands bei gleichzeitig starker Neubautätigkeit. Zur Festlegung der Dringlichkeit „Erhaltungsinvestitionen im Bestand vor Neubau“ bedarf es jedoch keiner neuen Struktur in Form einer BFG, wie dies der Fratzscher-Bericht fälschlicherweise verknüpft. An anderer Stelle im Fratzscher-Bericht wird auf den Bundesrechnungshof (BRH) mit dessen Anregung Forderung nach einer Abkehr vom Modell der Auftragsverwaltung positiv Bezug genommen. Allerdings weicht die vorgeschlagene BFG so erheblich vom Modell des BRH ab, dass richtigerweise nicht vom gleichen Modell gesprochen werden kann. So hält der BRH eine Verbesserung der kritisierten Punkte Kostentransparenz, Kostenmanagementsystem und verbesserter Informationsfluss zwischen den Auftragsverwaltungen und dem Verkehrsministerium auch in der konventionellen Vergabe für möglich. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, die BFG ist dafür entbehrlich. Dies sehen auch die Gewerkschaften so. Frank Bsirske, der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, erhielt auf der Tagung „Zukunft der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland“ der Friedrich-Ebert-Stiftung und des DGB viel Beifall für seine Aussage:
„Eine Fernstraßengesellschaft würde die Umformung des Verkehrssektors hin zu einer stärkeren Privatisierung bedeuten.“[11]
Verbundeffekte nutzen
Die vorgeschlagene BFG beinhaltet im Kern eine organisatorische Trennung bisher verbundener Straßensysteme:
„Mit einer Bundesfernstraßengesellschaft – gleich in welcher Form, ob als GmbH oder als Anstalt des öffentlichen Rechts – ist die bislang übergreifende Verkehrsplanung in den Ländern gefährdet. Übergreifend deswegen, weil Maßnahmen auf Bundesautobahnen im Regelfall auch Auswirkungen auf das nachgelagerte Netz haben und nicht isoliert betrachtet werden können. Beim Bestandsnetz Straße handelt es sich um 13.000 km Autobahn und 40.000 km Bundesfernstraßen, dazu kommen 87.000 km Landstraßen, 92.000 km Kreisstraßen und 450.000 km kommunale Straßen. All dies macht ein Verkehrswegenetz aus, das zusammenhängt und abhängig voneinander ist.“[12]
Zu befürchten ist, dass neu geschaffene Schnittstellen zu erheblichen zusätzlichen Ineffizienzen führen, ohne im gleichen Maße bestehenden Missständen abzuhelfen.
Position Finanzministerium
Am 15.3.2016 antwortete das Finanzministerium auf Berichtsanforderung des Abgeordneten Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) zum Sachstand Bundesfernstraßengesellschaft. Dabei sprach das Ministerium davon, dass „eine privatrechtlich organisierte Verkehrsinfrastrukturgesellschaft“ eine stärkere Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte beim Bau, der Erhaltung dem Betrieb und der Finanzierung der Straßeninfrastruktur übernehmen soll. Dafür soll diese Gesellschaft entsprechende Entscheidungskompetenzen erhalten. Es wurde zugesichert, dass die zu gründende Bundesfernstraßengesellschaft (BFG) so ausgestaltet wird, dass kein Schattenhaushalt entsteht. Ein konkretes Modell stellte das Finanzministerium nicht vor.
Flankierende Gesetze für ein weiterhin sehr vages Projekt
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die flankierende Gesetzgebung zur Einrichtung einer BFG bereits weit fortgeschritten ist. Das eigentliche Vorhaben wurde hingegen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung bisher nur in Absichtserklärungen und vage Skizzen vorgestellt, in denen sich obendrein die drei federführenden Ministerien in Teilen widersprechen. Für die bereits im Herbst 2014 angekündigte Grundgesetzänderung wurde bisher kein Entwurf vorgelegt, es wurde nicht einmal angegeben, welche Paragraphen geändert werden sollen. Dieses Vorgehen ist insbesondere im Verhältnis zur Größe des Vorhabens unbefriedigend und behindert den demokratischen Diskurs.
Reaktionen der Bundesländer
Annahme Bericht Bodewig-II-Kommission
Von der Verkehrsministerkonferenz der Länder (VMK) wurde am 23.2.2016 der Abschlussbericht der eingesetzten Kommission („Bodewig-II-Kommission“) beschlossen:
„Die Verkehrsministerkonferenz nimmt den Bericht der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ zustimmend zur Kenntnis.“
Der Abschlussbericht dieser Kommission umfasst 95 Seiten, die Zustimmung bezieht sich somit auf zahlreiche Inhalte.
Ablehnung Fernstraßengesellschaft
Gleichzeit stellt die VMK fest, dass die Anforderungen Vermeidung von Doppelstrukturen, Erhaltung von Synergieeffekten und Effizienzvorteilen, Sicherstellung der Berücksichtigung von lokalen und regionalen Belangen sowie Bewahrung von Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder …
„… durch eine neue Bundesfernstraßengesellschaft nicht erfüllt werden.“
In der Konsequenz kommt die VMK zu einer Ablehnung der vorgeschlagenen BFG:
„Die Verkehrsministerkonferenz lehnt die bisher bekannten Vorschläge des Bundes zur Errichtung einer Bundesautobahngesellschaft bzw. einer Bundesfernstraßengesellschaft ab. Die Verkehrsministerkonferenz sieht vielmehr Realisierung und Erfolg der zusätzlichen Investitionen des Bundes durch einen langwierigen Prozess beim Aufbau einer Bundesgesellschaft massiv gefährdet.“
Mit dieser Ablehnung wurden die Bestrebungen der Bundesregierung, eine BFG einzurichten, die einer Grundgesetzänderung bedarf, deutliche Grenzen aufgezeigt.
Betroffene Politikbereiche
BFG mehr als ein verkehrspolitisches Vorhaben
Der Vorschlag für eine BFG ist kein genuin verkehrspolitisches Vorhaben. Vielmehr könnte das Projekt der Bundesregierung ebenso gut oder besser der Haushaltspolitik, der Arbeits- und Sozialpolitik oder der Wirtschaftspolitik zugerechnet werden. Nachfolgend werden die tangierten Anforderung dieser Politikbereiche den Konsequenzen einer Einführung einer BFG oder vergleichbarer Konstrukte gegenübergestellt. Begonnen wir dabei mit dem Politikbereich „Infrastruktur und Daseinsvorsorge“, für den es in Deutschland (im Gegensatz zu vielen anderen Ländern) kein eigenes Ministerium auf Bundesebene gibt.
Infrastrukturpolitik und Daseinsvorsorge
Sicherung des Bestands, werterhaltendes Betreiben
Die VMK stellt in ihrem Beschluss vom 23.2 eine „unstete und nicht auskömmliche Finanzierung durch den Bund“ fest. Die Gewerkschaft Verdi präzisiert diese Angaben in ihrer Stellungnahme [13]:
„Seit Jahren ist bekannt, dass die zur Verfügung gestellten Gelder dafür nicht ausreichen. Allerdings sieht ver.di hierfür ursächlich die Entscheidung der Bundes- wie auch Landesregierungen, Sparmaßnahmen zu Lasten der öffentlichen Infrastruktur jahrzehntelang umgesetzt zu haben. Auch heute investieren Unternehmen und Staat zu wenig: Die Investitionsquote liegt bei niedrigen 17% (vor 20 Jahren noch wurde jeder vierte Euro investiert). Die öffentliche Investitionsquote liegt heute sogar bei niedrigen 2,1%. Ursächlich für diese staatliche Investitionsschwäche ist die chronische Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte. Aufgrund der Steuersenkungen der letzten Bundesregierungen fehlen Bund, Ländern und Kommunen jährliche Steuereinnahmen in Höhe von 45 Mrd. €.“
Daseinsvorsorge sichern
Verkehrsinfrastrukturen gehören zur Daseinsvorsorge. Diese Auffassung wird breit geteilt. So schreiben drei Arbeitsgruppen der SPD-Bundestagsfraktion in einem Diskussionspapier vom 12.01.2016:
„Investitionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur sind für uns unverrückbarer Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge.“[14]
Auch das Verkehrsministerium erkennt den Daseinsvorsorgecharakter an und hebt hervor, dass sich der Bereich der Bundesfernstraßen in einigen wichtigen Aspekten von Reformen anderer Verkehrsträger unterscheidet. Danach „kommt dem Straßennetz eine Daseinsvorsorgefunktion [zu]“. [15]
Nach den Vorschlägen der Fratzscher-Kommission geht es mit der BFG darum, das Gewicht der Bestimmung über die öffentlichen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge zu verschieben [16]: weg von Instrumenten der Demokratie hin zu einer verstärkten Bestimmung durch Kapitaleigner. Damit verbunden sind auch Fragen zur Verwendung von Steuergeldern in erheblichem Umfang in den kommenden Jahrzehnten, die im Fall der ineffizienten oder gesellschaftlich schädlichen Verwendung nicht mehr zur Verfügung stehen bzw. zusätzliche Kosten verursachen.
Im Fratzscher-Bericht enthalten, aber als abweichend und ergänzend ausgewiesen sind die Positionen der in der Kommission vertretenen Gewerkschaften IGM, ver.di, IG BCE, IG BAU sowie des DGB. Die dort aufgeführten Positionen beinhalten bereits eine grundsätzliche und weitreichende Kritik an den Vorschlägen des Berichts. Es wird deutlich, dass der Fratzscher-Bericht alles andere als einen breiten gesellschaftlichen Konsens abbildet. Die Kritik der Gewerkschaften ist zutreffend, eine Auseinandersetzung damit wird empfohlen.
Demokratische Mitbestimmung
Die Bundesregierung schlägt eine GmbH als Rechtsform für die BFG vor. Der Wechsel ins Privatrecht stellt für Bereiche der Daseinsvorsorge als formelle Privatisierung einen starken Einschnitt dar. Statt dem Parlament sind die betreffenden Gesellschaften ab diesem Moment nur noch Einzelpersonen aus der Regierung unterstellt. Wer Anschauungsmaterial für die Nachteilhaftigkeit dieses Vorgehens benötigt, kann sich damit auseinandersetzen, wie viel bzw. wie wenig Einfluss Landesparlamente oder der Bundestag auf die Deutsche Bahn AG ausüben, das als Unternehmen maßgebliche Verantwortung für Landes- und Bundesbelange trägt – bis hin zu Fragen der Stadtentwicklung und Raumplanung.
Die formelle Privatisierung ist zudem eine wichtige Stufe auf dem Weg zur Kapitalprivatisierung dar. Nicht selten war schon ein sich selbst-verstärkender Effekt zur Kapitalprivatisierung zu beobachten, da üblicherweise dem betreffenden Management formell privater Gesellschaften, die sich noch in öffentlichem Eigentum befinden, mit einer (Teil-)Privatisierung eine Vervielfachung der Gehälter winkt. In fast allen Fällen einer späteren materiellen Privatisierung war die formelle Privatisierung in einem separaten Schritt vorausgegangen. Für die damit befassten BürgerInnen und Parlamente ist daher an so einer Wegscheide höchste Vorsicht geboten. Wenn die Kapitalprivatisierung für den betreffenden Bereich abgelehnt wird, sollte nicht ohne Not einer formellen Privatisierung zugestimmt werden. Wechselnde Mehrheiten oder wechselnde (Partei-)Meinungen können so zu einer „eigentlich ursprünglich nicht intendierten“ Kapitalprivatisierung führen, die dann nur sehr schwer (und sehr teuer) rückgängig zu machen ist. Im vorliegenden Fall wird die Kapitalprivatisierung breit abgelehnt:
„Ausdrücklich betonen die Verbände, dass eine Beteiligung von Investoren nicht in einer Privatisierung der Infrastruktur münden soll. Diese soll öffentlich bleiben […].“[17]
„Bei der Ausgestaltung sollte allerdings klar sein, dass die Politik weiterhin die Richtung vorgibt und der Einfluss des Bundes gewahrt bleibt“, betont HDB-Hauptgeschäftsführer Michael Knipper. Eine Beteiligung privater Partner an der Gesellschaft lehnen GDV und HDB ab“[18]
„Die Haushalts-, Wirtschafts- und Verkehrspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion machen mit dem vorliegenden Eckpunktepapier deutlich, dass eine Privatisierung öffentlichen Eigentums und Übertragung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge an private Geldgeber auf den eindeutigen Widerstand der SPD-Bundestagsfraktion stoßen wird. Eine Privatisierung der Bundesfernstraßen als öffentliches Eigentum wird es mit uns, auch teilweise, nicht geben.“ [19]
Selbst das Verkehrsministerium BMVI schliesst eine solche Kapitalprivatisierung aus:
„Gründung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes mit Fokus auf den Bundesautobahnen. Das Eigentum der Bundesfernstraßen verbleibt beim Bund.
Die Gesellschaft steht im Eigentum des Bundes.“ [20]
Dauerhaftigkeit sicherstellen
Das Beispiel der Deutschen Bahn AG zeigt, dass selbst ein Betreiber, der gleichzeitig Netzeigentümer ist, dazu neigt, die Infrastruktur auf Verschleiß zu fahren, siehe dazu insbesondere die maroden Bahnbrücken. Umso problematischer wird das Verhältnis, wenn die Verantwortung für den Werterhalt gänzlich entfällt, weil das Eigentum am Netz gar nicht mit übertragen wird. Es steht zu befürchten, dass mit der BFG mit privaten Anteilseignern eine Struktur ausgebildet wird, in die umfangreiche Steuergelder und Gebühren einfließen, die jedoch kein primäres Interesse daran hat, diese Gelder auch der Infrastruktur vollumfänglich zuzuführen, da das Management oder sogar private Anteilseigner hohe und regelmäßige Boni bzw. Ausschüttungen erwarten, die nur durch höhere Gebühren oder durch Minderleistung erbracht werden können. Auch auf Projektebene (d.h. bei ÖPP-Projekten des Bundes oder einer BFG) gibt es bisher keine Verfahren, die den Wert (oder Restwert) von Infrastrukturen sicherstellen. Darauf weist auch der BUND hin:
„Der in Geld ausgedrückte „Restwert“ einer Straße am Ende der Vertragslaufzeit gibt die verbleibende Lebensdauer einer Straße an. Dieser ist abhängig von der Bauweise, den Erhaltungsmaßnahmen während der Vertragslaufzeit sowie von der Verkehrsbelastung. Ohne eine Restwertbetrachtung ist die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nicht aussagekräftig. Dennoch werden solche Restwertbetrachtungen bei den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen [von ÖPP-Vorhaben] nicht vorgenommen. Der private Betreiber richtet seine Erhaltungsstrategien aber auf die Vertragslaufzeit und nicht auf den Lebenszyklus der Straße und den erzielbaren Gewinn aus. Daher strebt er danach, Erhaltungsinvestitionen zu minimieren. Diese werden den Restwert der Straße gegenüber einer konventionellen Beschaffung schmälern und damit auch die Lebensdauer. Schon bei der Bauausführung unterscheiden sich viele Anbieter von den von Verwaltungen beauftragten Bauweisen. Erstere bevorzugen Beton, letztere Asphalt.“[21]
Vor der Einrichtung einer Struktur, der auf lange Sichte sowohl die Verfahren als auch die Anreize fehlen, die treuhänderisch verwalteten Infrastrukturen im Wert zu erhalten, muss im Sinne der Steuer- und Gebührenzahlenden dringend gewarnt werden.
Verkehrspolitik
Ziel von Verkehrspolitik sollte es sein, die Mobilitätsbedürfnisse von Unternehmen und BürgerInnen zu befriedigen. Dabei ergeben sich aktuell drei große Herausforderungen:
Minimierung der Umweltschäden
Verkehr ist in seiner aktuellen Ausprägung enorm umweltschädlich. 95 Prozent der CO2-Emmissionen des Verkehrs in Deutschland werden dabei durch den Straßenverkehr verursacht. Damit ist der Verkehr allein für knapp ein Fünftel des CO2-Ausstosses verantwortlich, Tendenz steigend[22]. Industrie und Haushalte reduzieren ihre CO2-Emissionen bereits, der Verkehr steigert sie weiter. Eine Reduktion schädlicher Klimagase entsprechend des neuen Pariser Abkommens ist daher ohne eine Berücksichtigung des Verkehrs kaum umsetzbar.
Weniger Verkehrstote und -verletzte
Der Straßenverkehr tötet immer noch mehrere tausend Menschen pro Jahr. Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland steigt dabei seit drei Jahren sogar wieder. Die 3.475 Getöteten in 2015 entsprächen 315 mal dem Zugunglück Bad Waibling“ ̶ jedes Jahr. In 2015 wurden 393.700 Personen verletzt, davon über 60.000 schwer[23]. Dazu kommt der Anteil des Straßenverkehrs an der Feinstaubbelastung, die jährlich zu geschätzten 47.000 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland führt.[24]
Regionaler und sozialer Ausgleich
Die Mobilitätsbedürfnisse der BürgerInnen werden sehr ungleich befriedigt: Wer keinen Führerschein oder kein Auto hat, wer auf dem Land wohnt oder wer in einer hochverschuldeten Stadt wohnt, hat längere Fahrzeiten, höhere Kosten oder beides zu tragen. Eine steigende Ungleichbehandlung stellen auch die zunehmenden punktuellen Schwachstellen in den Netzen dar: Die Schäden an der Schiersteiner Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden, die Vollsperrungen auf der Schnellfahrstrecke Hannover-Berlin in 2014 und in 2016, der strukturelle Personalengpass am Hauptbahnhof Mainz im Sommer 2013 [25] sind nur einige Beispiele.
Verkehr integriert begreifen
Schon die Annahmen und Schlussfolgerungen der Fratzscher-Kommission sind verkehrspolitisch rückwärtsgewandt. Man geht dort zum einen von „Mobilität als zentraler Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft“ aus, fokussiert sich im Bericht (der Investitionen insgesamt behandeln soll) jedoch auf den Bundesfernstraßenbau. Mobilität hat jedoch auch eine enorme Bedeutung in der Daseinsvorsorge, sie ist für viele Berufstätige elementar. Mobilität umfasst auch die lebensrettende Funktion von Verkehrsinfrastrukturen (Mobilität von Krankenwagen und Feuerwehren). Auch für die Teilhabe am sozialen Leben ist Mobilität erforderlich. Verkehrsinfrastruktur ist somit weit mehr als ein Standortvorteil. Sie wird aber auch aus weit mehr als nur aus den Bundesfernstraßen gebildet. Die alleinige Beschränkung auf die Bundesfernstraßen wird im Fratzscher-Bericht mit deren „besonderer“ bzw. „zentraler“ Bedeutung“ begründet. So wird der schädliche Straßen(neu)bau auf Jahrzehnte zementiert, während für Bahn, ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr wenig Geld im Haushalt übrig bleibt. Die Bundesregierung folgt in ihren Vorschlägen dieser Logik. Diese Betrachtung der Verkehrsinfrastruktur, die den erforderlichen Rückgang des Straßenverkehrs zugunsten der ökologischeren Alternativen ausblendet, konterkariert allerdings die zentralen Anliegen einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik. Dies sehen auch die Umweltverbände so. Katrin Kusche, Bundesgeschäftsführerin der GRÜNEN LIGA e.V. zur Bundesfernstraßengesellschaft:
„Die Privatinvestoren werden renditeorientiert in Projekte der Bundesfernstraßengesellschaft investieren. Viele neue Straßen versprechen viel Rendite. Das steht einer ökologischen Verkehrsplanung, deren oberstes Ziel Verkehrsvermeidung sein muss, diametral entgegen.“
Werner Reh, Verkehrsreferent des BUND, kommentierte das Thema wie folgt:
„Die Scheindebatte über die Bundesfernstraßengesellschaft soll vom Versagen der herrschenden Verkehrspolitiker ablenken: Es gibt immer noch keine Gesamtverkehrsplanung, die diesen Namen verdient und die Klimaziele beachtet.“
Monika Lege, Verkehrsreferentin von ROBIN WOOD, kam zu folgendem Schluss:
„Die geplante Autobahn AG würde mehr Straßenverkehr, aber der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger keine bessere Mobilität bringen.“
Haushaltspolitik
Kostengünstiges Finanzieren
Mit Hilfe von ÖPP können Schulden vor der Schuldenbremse versteckt werden. Für die europäischen Schuldenregeln („Mastricht-Kriterien“, Fiskalpakt) müssen ÖPPs gemeldet werden. Mit der neuen BFG besteht nun offenbar bei der Regierung die Hoffnung, sowohl die Schulden der Gesellschaft als auch ihre ÖPPs könnten künftig auch vor den europäischen Schuldenregeln versteckt werden. Frank Bsirske kommentiert dies am 25.2. in Berlin wie folgt: Die vorgeschlagene Fernstraßengesellschaft diene der Umgehung der Schuldenbremse und dem Aufbau von Schattenhaushalten.[26] Bsirske:
„Es ist ein Stück aus dem Tollhaus: Erst wird eine Schuldenbremse beschlossen, dann sucht man Wege, sie zu umgehen“ [27]
Ein solches Vorgehen wird teuer. Die Mehrkosten durch die private Finanzierung sind allein wegen der Zinsdifferenz der Kredite so erheblich, dass sie durch – ohnehin unbelegte – Effizienzsteigerungen bei Material[28] und Personal[29] nicht kompensiert werden können. Dieser Umstand kann bereits durch grobe Überschlagsrechnungen nachvollzogen werden, er findet sich auch regelmäßig in den Berichten des BRH und der Landesrechnungshöfe wieder. Bei langlaufenden Krediten von 30 Jahren Laufzeit, wie sie im Fernstraßenbau üblich sind, verteuert jeder zusätzliche Prozentpunkt die zu zahlende Zinssumme.
Die Zinsen von Fremdkapital liegen immer deutlich über den Zinsen von Staatsanleihen, auch in Hochzinsphasen. Ein durchschnittlich drei Prozent höherer Zinssatz würde die Gesamtkosten von Zins und Tilgung um ca. 50 Prozent vergrößern, ein sechs Prozent höherer Zinssatz sogar um 200 Prozent. Eine BFG käme somit zwingend deutlich teurer als die bisherige Finanzierung aus dem Haushalt im Rahmen der konventionellen Vergabe.
Stefan Körzell, Mitglied des Bundesvorstands des DGB, fordert, künftig alle Verkehrswege, also auch Schienen- und Schifffahrtswege, staatlich zu finanzieren:
„Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) sind langfristig teurer, wie der Bundesrechnungshof belegt hat. Und sie sind auch auf kurze Sicht teurer.“[30]
Durch die derzeit extrem niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt könne der Staat die Sanierung von Verkehrswegen sehr günstig finanzieren, zum Teil sogar zu negativen Zinsen.
Sozialpolitik
Schutz vor Altersarmut
Ein zuweilen geäußertes Argument für die BFG ist, dass die privaten Renten vieler Versicherter gerettet werden müssen, die durch die Niedrigzinsphase gefährdet wären. Dabei könnte eine BFG helfen, indem sie höher verzinste Anlageformen schaffe.
Der IWF warnte bereits 2015 vor einer möglichen Insolvenz privater Rentenversicherungen. Nationale Sicherungssysteme wie „Protektor“ könnten versagen:
„Kommen ein oder mehrere mittelgroße Versicherer in Schwierigkeiten, wäre es schon sehr schwierig, bei einem der größten fünf Lebensversicherer fast unmöglich. Auch der bei der Europäischen Zentralbank angesiedelte Europäische Ausschuss für Systemrisiken in Frankfurt warnte davor, dass die Leistungsfähigkeit von Protektor endlich sei. Nationale Sicherungssysteme wie Protektor seien nicht in der Lage, mit der möglichen Insolvenz großer Lebensversicherer oder der gleichzeitigen Insolvenz mehrerer kleinerer Lebensversicherer fertigzuwerden, schrieb das Gremium im vergangenen Sommer.“[31]
Menschen schützen, nicht Konzerne retten
Vielen Privatversicherten droht bei einer Insolvenz ihres Versicherers die Altersarmut. Dem muss begegnet werden, und zwar auf Ebene der Menschen, nicht der Konzerne.
Steuerzahlende nicht für Rendite haften lassen
Die gesetzlich Versicherten gehen bei einer „Rettungsaktion der (großen) Versicherungskonzerne nicht nur leer aus, sie haften als Steuerzahlende sogar dafür, dass den Privaten die Rendite weiter gezahlt wird. Und das, obwohl ihre umlagefinanzierte Rente sukzessive gekürzt und ausgehöhlt wurde. Und auch diejenigen, die keine Steuern zahlen und keine nennenswerten Rentenansprüche haben, weil sie gar kein steuerrelevantes Einkommen hatten oder haben, zahlen die Zeche mit: Die öffentlichen Haushalte werden durch eine solcherart gestalte Versicherungsrettung geschwächt, was den Spielraum für soziale Transferleistung weiter verkleinert.
Beschäftigungssicherung
Mit den Plänen für eine BFG werden tausende Stellen gefährdet. Dazu Ver.di:
„Den Plan der Bundesregierung, eine Bundesfernstraßengesellschaft einzurichten, um die notwendigen Investitionen durch privates Kapital zu erhalten, und damit die bisherigen Auftragsverwaltungen abzulösen, lehnt ver.di aus mehreren Gründen ab. […] Gefährdet sind 18.000 und mehr Arbeitsplätze und Beschäftigungsstandards in den Straßenbauverwaltungen der Länder, wenn die Auftragsverwaltung den Ländern entzogen wird. Gewinnerwartung und Renditedruck würden sich nachteilig auf die Beschäftigungsverhältnisse auswirken.“ [32]
Wirtschaftspolitik
Versicherungsrettung nötig?
Zwischen Versicherungskonzernen und einer BFG wird die Verbindung gezogen, dass die eine das Problem der anderen lösen könne. Die von der Niedrigzinsphase betroffenen Versicherungen und Pensionsfonds bringen sich selbst als Kapitalgeber ins Spiel:
„Versicherungen und Pensionsfonds verfügen über rund 40 Billionen Euro Investitionsmittel, von denen weniger als ein Prozent in Infrastrukturprojekten angelegt sind.“ [33].
Mittlerweile geht es allerdings um mehr als ein temporäres Anlageproblem:
„Dass die Lebensversicherer unter den niedrigen Zinsen leiden, galt bislang vor allem als Problem für die Sparer. Doch der IWF warnt jetzt, dass die Schieflage eine neue Finanzkrise auslösen könnte.“[34]
Niedrigzins ist eine Politikfolge
Tatsächlich ist die anhaltende Niedrigzinsphase ein Produkt der Politik. In Europa wird damit auf die immer noch nicht vollständig überwundene weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert. Möglicherweise handelt es sich dabei jedoch um eine Reaktion auf der Ebene der Symptome. Die Nachfrageschwäche wird nicht behoben, die günstigen Zinsen stehen nur den Banken, nicht den öffentlichen Gebietskörperschaften zur Verfügung. Schon kursiert der Vorschlag vom „Helikoptergeld“, den selbst der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, als ein „sehr interessantes Konzept“ bezeichnet haben soll [35]. Was auch immer von solchen makroökonomischen Rezepten zu halten ist – eine Umgehung der niedrigen Zinsen für öffentliche Körperschaften ist kritisch zu sehen. Umso mehr, wenn es sich – wie vorgeschlagen – dabei um Finanzprodukte handelt, die aus öffentlichen, der Daseinsvorsorge gewidmeten Geldern generiert werden und die trotz der höheren Verzinsung für Anleger risikolos sind. Eine solche Verschuldungsform würde die öffentlichen Haushalte belasten und zugleich das makroökonomischen Rezept „Niedrigzins“ konterkarieren.
Umlagefinanzierte Rente stärken
Dass private Versicherungskonzerne Billionen Euro von Versicherten halten, ist nach Einschätzung von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) auch Folge der fortwährenden Schwächung der umlagefinanzierten Rente, verbunden mit der (Teil-) Privatisierung der Rentenversicherung. Dabei vertritt GiB die Auffassung, dass die umlagefinanzierten Rente gegenüber der Kapitalmarktrente auf lange Sicht sicherer und sozial gerechter ist. Die Schwächung der umlagefinanzierten Rente und die gleichzeitige Aufblähung der Finanzmärkte über Privatrenten und -pensionen war selbst eine der Ursachen der Finanzkrise. In den Hochzinsphasen wurden von den Konzernen enorme Dividenden ausgeschüttet, nun in der Niedrigzinsphase soll der Staat für die Rendite sorgen. Dahinter steht das Prinzip „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“. Dieser Mechanismus sollte durchbrochen werden statt ihn zu einer sich selbst perpetuierenden Logik werden zu lassen.
Keine weiteren staatlich geförderten Kapitalprodukte für die Versicherungen
Wie sich bei der Riesterrente gezeigt hat, kommt bei den Versicherten häufig wenig bis gar nichts von den Zinsgewinnen der Versicherungskonzerne an.[36] Dies wird umso mehr so sein bei einer so komplexen (Anlage-)Konstruktion wie einer BFG. Jede „Rettung“ der Versicherten über ein Konstrukt der Kapitalinvestitionsförderung wäre nach Auffassung von GiB nur eine schlecht verschleierte Subvention der Versicherungskonzerne und deren Kapitaleigner und somit ein Projekt der Umverteilung von unten nach oben.
Stärkung des Mittelstands
Der Mittelstand spielt für die Regierungsparteien eine große Rolle. So loben sie sich und den Mittelstand im Koalitionsvertrag von 2013 wie folgt:
„Dank einer vorausschauenden Politik und eines guten Zusammenspiels der Sozialpartner bildet der industrielle Sektor mit einem starken Mittelstand das Fundament für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze.“ [37]
Allerdings folgt daraus offenbar nicht, die Interessen des Mittelstands auch künftig besonders zu berücksichtigen. So musste ZDB-Präsident Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein zur Eröffnung des Fachforums Infrastrukturfinanzierung in Berlin die Bundesregierung wie folgt kritisieren:
„Obwohl der Politik bekannt ist, dass der Mittelstand bei Öffentlich-Private-Partnerschafts-Projekten (ÖPP) im Autobahnbau völlig unzureichend am Wettbewerb beteiligt ist, wird dennoch nicht auf weitere ÖPP verzichtet. Die großen Projektvolumina – oft über eine Milliarde Euro – und die lange Laufzeit machen es mittelständischen Unternehmen nahezu unmöglich, mitzubieten.“ [38]
Eine BFG würde mit ihrem „Wirtschaftlichkeitsauftrag“ vermutlich eher weitere ÖPPs bündeln, statt die Vergabe wieder mittelstandsfreundlich zu gestalten.
ASFINAG
Die ASFINAG scheint für viele Akteure eine interessantes Vorbild.
„Die bisher häufig zur Umgehung der Schuldenbremse gewählte Alternative “Öffentlich Private Partnerschaften” (ÖPP) steht in der Kritik und droht eventuell unattraktiv zu werden. Die Fratzscher-Kommission “entdeckt” eine weitere Möglichkeit: Bezüglich der Staatsverschuldung dem Staat nicht zuzurechnende Infrastrukturgesellschaften. Diese Alternative bietet zugleich die Möglichkeit, Kosten der Eurokrise von den Kapitalanlegern zu den Verbrauchern und Steuerzahlern zu verlagern.“ [39]
Die ASFINAG ist eine solche „dem Staat nicht zuzurechnende Infrastrukturgesellschaft“.
Österreich-Schulden sind verssteckt
Auf diesem Wege darf Österreich seine ASFINAG-Schulden verstecken:
„Tatsächlich befindet sich die ASFINAG vollständig im Eigentum der Republik Österreich, wird jedoch nach dem Europäischen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG) 1995 trotz 100%igem Eigentum des Bundes und Staatsgarantie für die Schulden dem Privatsektor zugerechnet (Nauschnigg 2015).“ [40]
Deutschland-Schulden lassen sich nur per GG-Änderung verstecken
Deutschland müsste zum Schuldenverstecken allerdings das Grundgesetz ändern:
„Im Vergleich zu einer privatrechtlichen Finanzierungsgesellschaft, die nicht außerhalb des staatlichen Bereichs im Licht der Maastricht-Kriterien steht, dürfte ein ASFINAG-Modell mit Verschuldungsverbot insofern Nachteile aufweisen bzw. schwieriger zu gestalten sein, als dass der Bedarf zur Verankerung von Schutzmechanismen, die eine bei diesem Modell ja per Definition nicht intendierte zukünftige Verschuldung oder Privatisierung verhindern, erhöht ist. Derartige (Meta-) Regeln wären zwingend auf einer grundgesetzlichen Ebene zu „platzieren“.[41]
Sonderposition Gewerkschaften
Die Diskussion zur ASFINAG wurde auch bei den Gewerkschaften geführt. Die fordern einerseits eine Reform der Schuldenbremse:
„Öffentliche Investitionen in die Infrastruktur sind von der Schuldenbremse auszunehmen.“[42]
Andererseits nehmen die Gewerkschaften auch Bezug auf die ASFINAG:
„Eine Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen (Verkehrsinfrastrukturgesellschaft) könnte in Anlehnung an das regionalisierte ASFINAG-Modell gebildet werden.“ [43]
Unklar bleibt, was ein regionalisiertes ASFINAG-Modell sein könnte. Insgesamt erscheint jedoch nicht nur hier die Position zur ASFINAG widersprüchlich. Es werden deswegen nachfolgend einige Informationen und Aussagen zusammengestellt, die belegen, dass eine Übertragung weder einfach möglich wäre noch überhaupt zielführend sein kann.
Österreich und Deutschland im Vergleich
Die ASFINAG trägt einen „Schuldenrucksack“ von rund 11,6 Mrd. Euro[44], für deren Rückzahlung die Mauteinnahmen nicht reichen.[45] Durch den weiteren Ausbau der Autobahnen sollen sich diese Schulden in den kommenden drei Jahren noch auf 12,6 Mrd. Euro steigern. Diese dem Privatsektor zugerechneten Schulden würden die Gesamtverschuldung Österreichs bei Anrechnung als öffentliche Schulden um ca. 4 Prozent erhöhen. Für die ASFINAG-Schulden wurden 2015 durch die gebührenzahlenden durchschnittlich 3 Prozent Zinsen gezahlt, 2014 waren es noch 3,17%.[46] Deutschland hatte 2015 etwa 301,3 Mrd. Euro an Bundeseinahmen. Die vergleichbaren Einnahmen Österreichs betrugen 71,5 Mrd. Euro und somit etwa ein Siebtel.[47] Das jeweilige BIP der beiden Länder steht im Verhältnis 9:1 zueinander (3.059 Mrd. Euro zu 339 Mrd. Euro). Die Streckennetze stehen im Verhältnis 6:1, sofern man den von der ASFINAG verwalteten 2200 km nur die 13.000 deutschen Autobahn-km gegenüberstellt. Rechnet man die 40.000 km deutschen Bundesstraßen zu 50 Prozent ein (d.h. mit weiteren 20.000 km), ergibt sich ein Verhältnis von 15:1. Je nachdem, welches Verhältnis man zugrunde legt, geht es bei dem Vorhaben „Das ASFINAG-Modell auf Deutschland übertragen“ um das mittelfristige Verstecken von Schulden in der Größenordnung von 70 bis 175 Mrd. Euro.
Höhere Kosten
Die ASFINAG ist keineswegs ein garantierter Hort des effizienten Straßenbaus. Das zeigen Vergleiche mit bekannten Kosten für den Neubau, Ausbau und Betrieb von Autobahnen. Exemplarisch ist das Beispiel Nordrhein-Westfalen angeführt, das ver.di ausgearbeitet hat:
„Nordrhein-Westfalen und Österreich haben ein etwa gleich großes Autobahnnetz. Die ASFINAG erhält und betreibt dieses Netz für zuletzt 1,28 Mrd. Euro pro Jahr, Nordrhein-Westfalen für 0,34 Mrd. Euro jährlich. Umgerechnet auf den Autobahn-km ist die ASFINAG 2014 damit im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen 3,7-mal teurer.“ [48]
Diese fast viermal höheren Kosten können zu einem Teil durch die schwierigeren topografischen Verhältnisse erklärt werden. Gleichzeitig hat NRW gegenüber Österreich eine höhere Verkehrsinfrastrukturdichte, wodurch eine größere Anzahl von Brücken durch Querung von Straßen, Schienenwegen und Wasserstraßen anfällt.
Zuschärfung ÖPP verteuert das ASFINAG-Modell für Deutschland
Die Vorschläge aus dem Verkehrsministerium, die sich wiederum eng an der Fratzscher-Kommission orientieren, gehen über das hinaus, was bei der ASFINAG schon institutionell umgesetzt wurde. Die BFG soll mit ÖPP arbeiten, wohingegen die ASFINAG darauf nach eigenen schlechten Erfahrungen verzichtet. Die Verpflichtung, ÖPP einzusetzen, ergibt sich zum einen aus den bereits laufenden sowie aus den geplanten ÖPP-Vorhaben, die Verträge darstellen, die noch bis zu 30 Jahre lang laufen. Zahlen liefert ein Forschungsvorhaben der Technischen Universität Braunschweig, beauftragt vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe:
„Nach Umsetzung der 3. ÖPP-Staffel wären insgesamt 10,8 % des Streckennetzes für die Vertragsdauern nicht mehr für den „Teilmarkt Bundesautobahnen“ relevant.“ [49]
„In Bezug zum BAB-Netz haben die acht Projekte einen Streckenanteil von 3,6 % (ca. 470 von 12.949 km). In der monetären Bewertung auf Basis der Haushaltszahlen ergibt sich für 2016 (veranschlagt) ein Anteil an den Ausgaben für BAB von ca. 8,8 %. Langfristig ist eine Ausweitung von ÖPP-Projekten zu erwarten. Nach der Umsetzung der derzeitig geplanten drei ÖPP-Staffeln wird der für ÖPP zweckgebundene Anteil für Bundesautobahnen im Bundeshaushalt im Jahre 2030 voraussichtlich bis zu 20 %betragen. Bei steigendem Gesamtbudget würde der Anteil bei bis zu 15 % liegen.“ [50]
Bezogen auf die Neu- und Ausbau hat ÖPP bereits heute eine dominante Rolle:
„In Deutschland erfolgten bereits 58,3 Prozent aller Autobahnneubauprojekte der letzten Jahre per ÖPP. Damit ist ÖPP schon heute, das heißt vor Einführung einer Bundesfernstraßengesellschaft, das bevorzugte Modell für den Autobahnneubau.“ [51]
Zusätzlich gibt die Bundesregierung an, im Rahmen der geplanten BFG zusätzliches privates Kapital auf Projektebene einbeziehen zu wollen:
„Sofern zusätzlich privates Kapital in Infrastrukturmaßnahmen fließen soll, wäre dies, wenn die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, für Projekte der Gesellschaft möglich. Dadurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich Private am Netzausbau und -erhalt beteiligen können, so dass die Investitionsstrategie der Bundesregierung in ihrer Wirkung noch verstärkt werden kann.“[52]
„Privates Kapital für Projekte der Gesellschaft“ ist eine Umschreibung von ÖPP, eine andere Form von Einbezug privaten Kapitals auf Projektebene gibt es nicht. Das deckt sich mit der Haltung der Bundesregierung, die anders als Österreich nach wie vor von ÖPP überzeugt ist. So unterhält Deutschland nach wie vor gemeinsam mit der Bauindustrie die ÖPP-Lobby-Agentur „ÖPP-Deutschland AG“. Mit einem 122 km langen Betriebs-ÖPP-Vorhaben in Thüringen will das Verkehrsministerium auch erstmals ein ÖPP gänzlich ohne jeden investiven Anteil ausschreiben. Damit wird das Modell ÖPP ausgeweitet vom Aus- und Neubau hin zum reinen Betrieb von Fernstraßen.
Zuschärfung „keine Staatsgarantie“ verteuert das ASFINAG-Modell
Die BFG soll keine Staatsgarantie bekommen. Das Ministerium fordert:
„Ein Haftungsverbund zwischen der Gesellschaft und dem Bund besteht nicht.“ [53]
Die beiden Zuschärfungen „keine Staatsgarantie“ sowie „Verpflichtung zu ÖPP“ werden die BFG noch einmal deutlich verteuern: Ohne Staatsgarantie werden die Kredite, die eine BFG aufnimmt, kein AAA-Rating erhalten und auch deswegen deutlich teurer ausfallen. ÖPP ist gegenüber der konventionellen Vergabe erwiesenermaßen deutlich teurer und wird somit die Tätigkeit der Gesellschaft insgesamt verteuern.
Schulden verstecken ist riskant
Der Fratzscher-Bericht nimmt zur Staatsgarantie wie folgt Stellung:
„Die österreichische Erfahrung zeigt, dass bei der Konstruktion einer Betreibergesellschaft im Bundesbesitz eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Infrastrukturgesellschaft und Staat vorzunehmen ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine Verschuldung der Gesellschaft, die nicht dem Staatssektor zugeordnet werden kann und somit bei der Prüfung der Einhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht berücksichtigt werden sollte. Um eine eindeutige Trennung an dieser Stelle zu erzeugen, spricht sich die Expertenkommission dafür aus, dass der Bund keine Staatsgarantien bei einer Kreditaufnahme durch die Gesellschaft abgibt.“ [54]
Anders als dargestellt ist es fraglos möglich die Verschuldung der Gesellschaft dem Staatssektor zuzuordnen. Das allerdings scheint der Fratzscher-Kommission nicht opportun. Dass die Schulden der Gesellschaft bei der Prüfung der Einhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht berücksichtigt werden sollen, dient bestimmten Interessen und nicht objektiven Vorgaben. Im Übrigen werden die Schulden der ASFINAG trotz Staatsgarantie nicht auf die Kriterien des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes angerechnet, und dennoch plädiert die Fratzscher-Kommission an dieser Stelle dafür, in Deutschland keine Staatsgarantie zu geben. Die Gründe für diese zentrale Empfehlung werden nicht angegeben. Zu vermuten ist, dass man die Österreichische Konstruktion für nicht dauerhaft hält. Demnach wäre es gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt möglich, dass die EU-Kommission die Forderung erhebt, die Schulden der ASFINAG künftig als Staatsschulden nach Maastricht zu melden. Siehe dazu auch in der Studie „Aktuelle Entwicklungen bei der Privatisierung der Daseinsvorsorge in Deutschland“ von Thiele/Waßmuth (2016):
„Im Zuge der Schuldenkrise Griechenlands wurden mehrfach Schulden aus vergleichbaren Gesellschaften, aber auch aus PPP-Projekten »aufgefunden« und dann als Staatsschulden verbucht, wodurch sich der Schuldenstand sprunghaft erhöhte. Dabei kam es jeweils zu erheblichen Reaktionen an den Finanzmärkten, mittelfristig wurde auch das Rating von Griechenland herabgesetzt.“[55]
Der Österreichische Staat garantiert für seine Autobahn-Gesellschaft, die ASFINAG, und bekommt seine Kredite mithin sehr günstig. Man könnte also den Beweis als erbracht ansehen, dass diese Konstruktion (das ASFINAG-Modell) einer Prüfung hinsichtlich der Einhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes standhält. Dazu weiter in der genannten Studie von GiB:
„Dass die ASFINAG bisher als „nicht dem Staatssektor zuzurechnend“ eingestuft wurde hat jedoch möglicherweise nicht dauerhaft Bestand. Es ist möglich, dass nach einer Überprüfung durch die EU-Kommission die Forderung erhoben wird, die Schulden der ASFINAG künftig als Staatsschulden nach Maastricht zu melden, was gravierende Konsequenzen hätte und auch den Verlust des AAA-Status von Österreich bedeuten könnte.“
Ähnliches könnte in Deutschland passieren – damit wäre eine ursprünglich gegebene Staatsgarantie auf einmal eine Bedrohung, da sie ein plötzliches Schuldenverbuchen bedeuten könnte. Die Bundesregierung könnte als Reaktion die Staatsgarantie – die heute noch von vielen Seiten gefordert wird – unter dem Druck der Finanzmärkte zurückziehen. Damit wäre über die Bande der europäischen Kommission eine vollständige formelle Privatisierung der BFG gelungen. GiB vertritt dazu die folgende Auffassung:
„Abgesehenen von anderen, grundsätzlicheren Erwägungen erscheint es daher nicht ratsam, eine Struktur zu bilden, die vorrangig einer bestimmten und zudem möglicherweise labilen Form der Schuldenbilanzierung dient.“[56]
Kapitalsammelstelle statt Bundesfernstraßengesellschaft
Erlaubnis, Privatkapital einzubeziehen
Im Punkt „private Vorfinanzierung“ kamen die Verkehrsminister der Bundesländer am 23.2.2016 der Bundesregierung entgegen:
„Die Verkehrsministerkonferenz empfiehlt, eine zentrale, primär auf Nutzerfinanzierung und Haushaltsmittel gerichtete Finanzierungsstruktur zu entwickeln, die alle Bereiche der Verkehrsinfrastruktur im regelgerechten Zustand refinanzieren kann.“
Die Einschränkung „primär“ bedeutet, dass „sekundär“ auch eine andere Finanzierung möglich ist. Sekundär kann somit für bis zu 49,9 % des Volumens eine auf Privatinvestoren ausgerichtete Finanzierungsstruktur gegründet werden. Der Beschluss gestattet die Teilprivatisierung von Bau, Sanierung, Erhalt und Betrieb eines großen Teils der Fernstraßen und auch der anderen öffentlichen Verkehrsinfrastrukturen.
Kapitalsammelstelle ist bisher kein Plan der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat sich zu diesem Angebot der Länder noch nicht geäußert, geschweige denn selbst Vorschläge in diese Richtung unterbreitet. Denkbar wäre, zunächst einfachgesetzlich z.B. die VIFG kreditfähig zu machen und ihr ausgeweitete Kompetenzen zuzusprechen. Eine Zustimmung der Länder wäre dazu möglicherweise nicht erforderlich.
Frank Bsirske sieht auch diese Kompromissangebot der Länder kritisch, eine reine Finanzierungsgesellschaft auf Bundesebene zu gründen. In diese Kapitalsammelstelle sollen alle Straßenbaumittel fließen – aus dem Bundesetat, aus der Lkw-Maut und der geplanten Pkw-Maut sowie private Gelder. Der Verdi-Vorsitzende sieht darin die Gefahr einer stärkeren Privatfinanzierung der Straßen, die er ablehnt. Die Notwendigkeit der Einbindung privaten Kapitals sei noch nirgendwo schlüssig begründet worden.[57] Diese Kritik wird von GiB geteilt.
Fazit
Planungen zur BFG einstellen
Tatsächlich legen die Ausführungen nahe, dass eine „Einbindung privaten Kapitals“ im Bundesfernstraßenbau gravierende Nachteile mit sich bringt: Für die öffentlichen Kassen, im Sinne einer vernünftigen Infrastrukturpolitik, für sozialpolitische Belange, für verkehrspolitische Anliegen und auch im Sinne einer soliden Wirtschaftspolitik. Auch das Modell ASFINAG taugt in diesem Zusammenhang nicht als übertragbares Vorbild.
Der Antrag „Planungen für die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft sofort einstellen“ ist daher zu begrüßen und wird zur Zustimmung empfohlen.
Verweise
[1] Thiele/Waßmuth (2016): Aktuelle Entwicklungen bei der Privatisierung der Daseinsvorsorge in Deutschland mit besonderem Fokus Bundesfernstraßen, Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, online: https://www.gemeingut.org/wordpress/Privatisierungsstudie/
[2] Verbindlichkeiten aus ÖPP-Projekten werden nicht als Verschuldung erfasst und bleiben somit außerhalb der Schuldenbremse.
[3] Fratzscher-Bericht (2015): „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, Herausgeber und Redaktion: Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, Ergänzende und abweichende Positionen der in der Kommission vertretenen Gewerkschaften (IGM, ver.di, IG BCE, IG BAU und DGB)
[4] Fratzscher-Bericht (2015), a.a.O.
[5] entsprechend der Angaben der Daehre-Kommission
[6] Zur Kritik an dieser Änderung des Vergaberechts siehe auch Thiele/Waßmuth (2016), S. 95 ff.
[7] Zusammenstellung nach Thiele/Waßmuth (2016), a.a.O.
[8] BMVI (2015): „Reform der Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstraßen“, Bericht an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Ausschussdrucksache 18(15)287
[9] RBB-Sendung Kontraste (11.02.2016): „Wie Dobrindt, Schäuble und Gabriel den deutschen Versicherungen ein Milliardengeschäft verschaffen“, online: http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-11-02-2016/milliardengeschaeft-fuer-versicherungen.html
[10] Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsauschusses (18.12.2016): „Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) als Beschaffungsvariante im Bundesfernstraßenbau“, Ausschussdrucksache 18-186
[11] Zitiert nach dem Beitrag von Albert Funk im Tagesspiegel vom 25.2.2016: „Gewerkschafter gegen Gabriel, Schäuble und Dobrindt“, online: http://www.tagesspiegel.de/politik/bundesautobahngesellschaft-gewerkschafter-gegen-gabriel-schaeuble-und-dobrindt/13017514.html, zuletzt abgerufen am 12.4.2016
[12] ver.di-Stellungname zur Anhörung am 13.4.2016 im Verkehrsausschuss des Bundestags, a.a.O.
[13] ver.di-Stellungname zur Anhörung am 13.4.2016 im Verkehrsausschuss des Bundestags zum Antrag (Drucksache 18/6547) „Planungen für die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft sofort einstellen“ (im Anhang an diese Stellungnahme beigefügt)
[14] Diskussionspapier der AGen der SPD-Bundestagsfraktion Haushalt, Wirtschaft und Energie sowie Verkehr und digitale Infrastruktur, beschlossen am 12.01.2016. Das Papier wurde bisher nicht in die Fraktion eingebracht, vermutlich, weil man eine Ablehnung befürchtet
[15] BMVI (2015) a.a.O.
[16] Fratzscher-Bericht (2015) a.a.O.
[17] Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (2015): Gemeinsame Pressemitteilung – Versicherungswirt-schaft und Bauindustrie zu den Beratungen des Bundes zur Umsetzung der Vorschläge der Fratzscher-Kommission, 06.10.2015. Online: http://www.presseportal.de/pm/24058/3140131 (letzter Zugriff: 12.4.2016).
[18] Ebd.
[19] SPD-Papier vom 12.1.2016, a.a.O.
[20] BMVI (2015), a.a.O.
[21] BUND-Stellungnahme „innovative Finanzierung Bundesfernstraßen“ – Landtag NRW 22.9.2015
[22] „Der Verkehrssektor ist der einzige Sektor, der seine Emissionen seit 1990 nicht mindern konnte. Weil immer mehr Güter auf der Straße transportiert werden und der Trend zu mehr PS und schwereren Fahrzeugen geht, haben die sparsameren Motoren dem Klimaschutz wenig genützt. Im Verkehrssektor muss daher dringend mehr passieren“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger bei der Vorstellung der „Daten zur Umwelt 2015“ in Berlin. Der Verkehr verursacht derzeit rund 18 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland, der wichtigste Emittent ist die Energiewirtschaft mit 39 Prozent. Aber: Im Verkehr sind die Emissionen im Vergleich zu 1990 sogar noch gestiegen (um 0,6 Prozent bis 2014) – anders als im Energie- oder Industriebereich. Aus: Umweltbundesamt 2015, online unter https://www.umweltbundesamt.de/presse/presseinformationen/daten-zur-umwelt-zeigen-verkehr-beim-klimaschutz, zuletzt abgerufen am 8.4.2016
[23] Alle Zahlen gemäß den Angaben des statistischen Bundesamts.
[24] Das entspricht einem durchschnittlichen Lebenszeitverlust von circa zehn Jahren pro 1.000 Einwohner (gemäß einer Schätzung des Umweltbundesamtes, siehe dazu Kallweit/Wintermeyer 2013)
[25] Süddeutsche Zeitung 8.8.2016, „Aus dem Verkehr gezogen“, online unter http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hauptbahnhof-mainz-aus-dem-verkehr-gezogen-1.1742396, zuletzt abgerufen am 8.4.2016
[26] Tagesspiegel vom 25.2.2016, a.a.O.
[27] Ebd.
[28] Die „Effizienzsteigerungen bei Material“ führten beim ÖPP-Projekt auf der A1 schon nach einem dreiviertel Jahr zum teilweisen Ablösen des Belags
[29] „Effizienzsteigerungen beim Personal“ können auch mit Umgehungen des Vergaberechts und Lohndumping umschrieben werden
[30] DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am 23.2.2016 im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ), Online: http://www.dgb.de/themen/++co++d2d6e940-da15-11e5-b980-52540023ef1a, zuletzt abgerufen am 12.4.2016
[31] Gröger, Anne-Christin (2016) in der Tageszeitung „Süddeutsche Zeitung“: „Gefahr bei Pleite“, online: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lebensversicherer-gefahr-bei-pleite-1.2854180, zuletzt abgerufen am 10.4.2016
[32] ver.di-Stellungname zur Anhörung am 13.4.2016 im Verkehrsausschuss des Bundestags, a.a.O.
[33] Allianz SE (2015): Mehr Geld für marode Infrastruktur, 09.01.2015. Online: https://www.allianzdeutschland.de/allianz-investitionen-in-die-oeffentliche-infrastruktur/id_73307964/index zuletzt abgerufen am: 18.11.2015.
[34] Kaiser, Tobias (2015) in der Tageszeitung „Die Welt“: „Lebensversicherungen könnten nächste Krise bringen“, Online: http://www.welt.de/wirtschaft/article139615248/Lebensversicherungen-koennten-naechste-Krise-bringen.html, zuletzt abgerufen am 10.4.2016
[35] Die Welt: „Regierung will der EZB das „Helikoptergeld“ verbieten“. Online. http://www.welt.de/wirtschaft/article154165156/Regierung-will-der-EZB-das-Helikoptergeld-verbieten.html, zuletzt abgerufen am 10.4.2016
[36] Siehe dazu z.B. Balodis/Hühne (2012): Die Vorsorgelüge, Berlin, S.128 sowie Ökotest 9/2012, S.69
[37] Koalitionsvertrag SPD/CDU/CSU 2013
[38] ZDB (2016): „Die Finanzierung von Autobahnen durch ÖPP verhindert die Beteiligung des Mittelstandes und reduziert den Wettbewerb“ online: http://www.zdb.de/zdb-cms.nsf/id/die-finanzierung-von-autobahnen-durch-oepp-verhindert-die-beteiligung-des-mittelstandes-und-reduzier, zuletzt abgerufen am 11.4.2016
[39] Mühlenkamp, Holger (2016): Vortragsfolien „Empfehlungen der Fratzscher-Kommission – Wirkungen und Alternativen, Der Staat – in Zukunft eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung?“ ver.di-Fachdialog, Berlin, 14.01.2016, online: https://gemeinden.verdi.de/++file++56c61cd2ba949b0680000994/download/
Vortrag%20Prof.%20Dr.%20M%C3%BChlenkamp.pdf, zuletzt abgerufen am 11.4.2016
[40] Eisenkopf, Alexander (2015): Kurzstudie im Auftrag des ACE Auto Club Europa e.V., Reformmodelle für die Verkehrsinfrastrukturpolitik: Von den öffentlich-privaten Partnerschaften zur Bundesfernstraßengesellschaft
[41] Becker/Beckers/Ryndin (15.08.2015), TU Berlin, Fakultät Wirtschaft und Management Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) Bereich Infrastrukturmanagement und Verkehrspolitik: Schreiben an die SPD-Bundestagsfraktion, Betreff „Stellungnahme im Rahmen des Dialogs zur Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft des Bundes“
[42] Fratzscher-Bericht (2015), Ergänzende und abweichende Positionen der in der Kommission vertretenen Gewerkschaften, a.a.O.
[43] Ebd.
[44] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/4716787/Asfinag-muss-dem-Staat-doppelt-so-viel-abliefern?from=simarchiv, zuletzt abgerufen am 10.4.2016
[45] Angaben nach: Dr.in Gabriela MOSER, Nationalratsabgeordnete, Vorsitzende des Rechnungshofausschusses des Nationalrats der Republik Österreich, „Beantwortung des Fragenkatalogs zum Thema ÖPP/PPP (für die Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr im Landtag NRW, Düsseldorf, 22.9.2015)“
[46] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/1599577/Bilanz_Asfinag-traegt-Schuldenberg-langsam-ab, zuletzt abgerufen am 10.4.2016
[47] http://derstandard.at/2000023872971/Budget-2016-Die-Champions-League-als-Ziel, zuletzt abgerufen am 10.4.2016
[48] ver.di-Stellungnahme zum Vorschlag der Expertenkommission »Stärkung von Investitionen in Deutschland« (Fratzscher-Kommission): Einrichtung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, Juli 2015
[49] Lehrstuhl für Infrastruktur- und Immobilienmanagement der TU Braunschweig: Bericht zum Forschungsvorhaben „ÖPP- Infrastrukturprojekte und Mittelstand“ Auftraggeber: Zentralverband Deutsches Baugewerbe, online: http://www.zdb.de/zdb-cms.nsf/res/TUBS_Forschungsbericht_ZDB.pdf/$file/TUBS_Forschungsbericht_ZDB.pdf, zuletzt abgerufen am 11.4.2016
[50] Ebd.
[51] Thiele/Waßmuth (2016): Aktuelle Entwicklungen bei der Privatisierung der Daseinsvorsorge in Deutschland mit besonderem Fokus Bundesfernstraßen, Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, online: https://www.gemeingut.org/wordpress/Privatisierungsstudie/, zuletzt abgerufen am 11.4.2016
[52] BMVI (2015), a.a.O.
[53] BMVI (2015), a.a.O.
[54] Fratzscher-Bericht (2015), a.a.O.
[55] Thiele/Waßmuth (2016), a.a.O.
[56] Thiele/Waßmuth (2016), a.a.O.
[57] Tagesspiegel vom 25.2.2016, a.a.O.
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