Privatisierung großer Wohnungsbestände

Bild: Gabi Schoenemann / pixelio.de
Bild: Gabi Schoenemann / pixelio.de

Von Rainer Neef (attac Göttingen und GiB)

Seit Ende der 1990er drängen internationale Immobilienfonds und Investmentgesellschaften auf den deutschen Wohnungsmarkt, denn deutsche Wohnungsbestände gelten international als ‚unterbewertet’. Dies trifft vor allem für hunderttausende ehemaliger Sozialwohnungen zu, die binnen weniger Jahre aufgekauft wurden. Das Tempo dieser Übernahmen erklärt sich teils historisch, ansonsten überwiegend aus Politik und Konzernmacht.

In der Zeit der Hochindustrialisierung bis zum ersten Weltkrieg hatte im Deutschen Reich die private Wohnungswirtschaft in einem marktliberalen Regime zu einer verheerenden Wohnungsnot vor allem in der Arbeiterschaft geführt. Nur wenige Kommunen suchten dem mit eigenem Wohnungsbau zu begegnen, einige Industrie-Großunternehmen betrieben in größerem Umfang Werkswohnungsbau. Seit 1919 war das Wohnen dauerhaft staatlich geregelt und galt als Grundbedürfnis, das staatliche Intervention erfordert. Dabei dominierten zwei Formen: Staatliche Mietregulierung – in Westdeutschland bis Ende der 1970er Jahre als Mietfestlegung von Altbauwohnungen, in Ostdeutschland bis 1989 im Alt- und Neubaubereich. Seitdem sind nur noch Mieterhöhungen reguliert, und an die Hausbesitzer wird für Bedürftige Wohngeld gezahlt. Und: Sozialer Wohnungsbau durch öffentliche und gemeinnützige Unternehmen; er funktioniert auf der Basis staatlicher Niedrigzins-Kredite bzw. Finanzierungshilfen, die Miethöhen sind beschränkt, und er sollte lange »breite Schichten des Volkes« versorgen (1. Wohnungsbaugesetz 1951). Unter aktuellen Bedingungen schwindender Sozialwohnungsbestände sollen diese vor allem Einkommensschwachen zugute kommen.

Seit den 1920er Jahren waren mehrere Millionen Sozialwohnungen entstanden, überwiegend in der Hand von kommunalen und gemeinnützigen, aber auch Werkswohnungs-Gesellschaften. Der westdeutsche Sozialwohnungsbau seit 1949 ist so konzipiert, dass die jeweiligen Sozialwohnungs-Jahrgänge mit dem Auslaufen der Subventionen und nach einer Übergangsfrist »bindungsfrei« wieder in den allgemeinen Wohnungsmarkt übergehen, meist nach zwei bis drei Jahrzehnten. In den 1980er Jahren gab es in Westdeutschland noch 4 Millionen gebundene Sozialmietwohnungen – immerhin ein Viertel des Wohnungsbestandes – von denen 2,4 Millionen in der Hand gemeinnütziger Gesellschaften lagen; diese verfügten darüber hinaus noch über 0,9 Millionen ältere Wohnungen. In Ostdeutschland lagen 1989 ca. 60% der Bestände in der Hand von Kommunen und Genossenschaften (das heißt Betrieben) – praktisch alle Neubauwohnungen und ein Teil der Vorkriegsbestände. Im Jahr 1990 wurde das Wohnungsgemeinnützigkeits-Gesetz aufgehoben, nach dem soziale Wohnungsgesellschaften Steuerbegünstigungen genossen, in ihrer Gewinnausschüttung auf 4% beschränkt waren und ihre Mittel nur für Wohnungsbau (seit den 1970er Jahren auch für den Bau sozialer Infrastrukturen – »Lex Neue Heimat«) verwenden durften. Seitdem sind ihre großen Wohnungsbestände frei handelbar. (Häußermann/ Siebel 1996, S. 61ff., 104 ff., 152ff. und 184ff.; Harlander, 1988) [1]

Ehemals gemeinnützige und vor allem kommunale Wohnungsgesellschaften verkauften seit Ende der 1990er Jahre erhebliche Teile ihrer großen Bestände an private Investoren – oder wurden ganz von diesen erworben. Ebenso verkauften ehemalige Staatsunternehmen (etwa die Bundesbahn) und Landesinstitutionen (etwa Landesbanken oder Entwicklungsgesellschaften) große Teile ihrer Wohnungen oder Wohnungsgesellschaften, und zwar seit Ende der 1990er Jahre in erstaunlichem Tempo. (Hallenberg 2008; Kockelkorn 2007) Die Käufer waren und sind ganz überwiegend globale Investmentgesellschaften, die für Milliardensummen riesige Bestände oder ganze Wohnungsunternehmen, in kleinerem Umfang auch private Bestände und Unternehmen (-santeile) erwerben. Der Höhepunkt lag in den Jahren 2004 bis 2007, in denen es »Transaktionen« (also Käufe und Verkäufe) von jährlich 300-400.000 Wohnungen aus großen Beständen mit mehr als 800 Wohnungen gab (siehe auch Abbildung »Verkaufte Wohnungen«). Nach einem Tief in der kreditarmen Zeit der Finanzkrise 2008 bis 2010 entwickelt sich seit 2012 ein neuer Boom. Die Hälfte der »Transaktionen« in den 2000er Jahren wurde von drei globalen Investoren getätigt, davon sind zwei »Private Equity«-Fonds. (BBR 2008; BBSR 2012)

Private-Equity-Fonds »identifizieren unterbewertete Aktiva, kaufen sie mit Hilfe maximaler Kredite auf, werten sie auf und verkaufen sie einige Jahre später.« (Lorrain 2008, S. 78). Die Aufwertung der gekauften Betriebe oder  Unternehmen besteht meist aus Finanztechniken, Verwaltungs- und Service-Rationalisierungen, Schließung ertragsarmer Abteilungen und Auslagerungen an Subunternehmer; selten gibt es Erneuerungsinvestitionen. Danach kommt es zu Börsengängen oder Komplettverkäufen. In der Regel werden die Geschäfte nur mit 10-20% Eigenkapital getätigt, dank guter Verbindungen tragen Großbanken 80-90% Kredite bei. Zwei Drittel der Profite werden durch Finanztechniken erzielt, nur ein Drittel durch Wirtschaften mit der Substanz; an dieser sind finanzkapitalistische Investoren daher wenig interessiert. (Lorrain 2008)

Bekannter geworden ist der Private-Equity-Fonds »Cerberus«, der 1992 gegründet wurde, in New York sitzt und eng mit der Bank Goldman Sachs kooperiert. 2006 umfassten seine Transaktionen 29 Milliarden US-$. Er expandierte nicht zuletzt durch gute Analysefähigkeiten mit einem »Riecher« für Geschäftspotentiale in niedergehenden Firmen, und durch gute politische Verbindungen (Vorstandsvorsitzende: ein ehemaliger US-Finanzminister und ein ex-US-Vizepräsident; Berater für Deutschland ist Rudolf Scharping – im Privatisierungsgeschäft aktiver ehemaliger SPD-Verteidigungsminister). Cerberus investiert in den USA, Japan und Deutschland in Banken, Flug- und Automobilgesellschaften (Rückkauf von Chrysler!), Sicherheitsfirmen (Afghanistan!), Handels- und Gastronomieketten, Infrastrukturen und Immobilien. Nach einigen Verlustgeschäften 2006-08 verstärkte der Fonds das Geschäft mit notleidenden Krediten und Papieren.

Aus: Kockelkorn 2007; ergänzt 2013
Aus: Kockelkorn 2007; ergänzt 2013

 

Zwischen 2004 und 2006 hatte Cerberus 120.000 Wohnungen erworben; der größte Coup war der Kauf der Berliner kommunalen Wohnungsgesellschaft GSW (damals 66.000 Wohnungen für geschätzte 3 Milliarden €), von der später teils Bestände verkauft wurden, der Rest wurde und wird an die Börse gebracht und seit 2013 von der Deutsche Wohnen (siehe unten) aufgekauft. Der Kauf und rasche Wiederverkauf der Hannoverschen gewerkschaftsnahen »Baubecon« (23.000 Wohnungen) an die RREEF (Deutsche Bank-Tochter) und ein Serviceunternehmen von Pirelli zwischen 2005 und 2007 war möglicherweise ein Misserfolg. 2012 kaufte Cerberus die bankrotte Deutsche Speymill (Streubesitz in deutschen Großstädten, Muttergesellschaft im Steuerparadies Isle of Man) mit Übernahme von 985 Mio. € Schulden. (http://www.cerberuscapital.com/; Faber 2009; Lorrain 2008; Hallenberg 2008; www.handelsblatt.com 16.5.2012)

In ähnlich rascher Folge hat der Private-Equity-Mischfonds Fortress seit 2003 aus öffentlichen Beständen 145.000 Wohnungen zusammengekauft und als GAGFAH an die Luxemburger Börse gebracht. Berühmt wurde der Komplettkauf der kommunalen Dresdner WOBA (48.000 Wohnungen für 1,7 Milliarden €), durch den die Stadt sich ihrer Schulden entledigte; schon nach wenigen Jahren klagte sie gegen die GAGFAH/Fortress wegen Verstoßes gegen Verkaufs- und Mieterschutzklauseln der beim Verkauf ausgehandelten »Sozialcharta«. Die GAGFAH hatte in Dresden eine größere Zahl Wohnungen weiterverkauft, aber ihr für 2013 geplanter Verkauf der restlichen 38.000 scheiterte. In dieser Situation konnte Stadt in einem gerichtlichen Vergleich Verbesserungen der Sozialcharta heraushandeln, und das Unternehmen muss sich damit abfinden, die Bestände noch für längere Zeit zu bewirtschaften; immerhin konnte es erfolgreich und günstig umschulden. Die 2006-09 aus dem Bestand aller deutschen GAGFAH-Immobilien an Fortress gezahlten Dividenden lagen zwischen 165 und 200 Millionen € pro Jahr, bei jährlichen Mieteinnahmen um die 920 Millionen €.  Die Instandhaltung der Siedlungen war dagegen mangelhaft. [2] (Kofner 2012; http://www.gagfah.com/de/investor-relations/finanznachrichten/pressemitteilungen.html)

Der dritte globale Investor ist die Deutsche Annington – Ableger des Immobilientrusts »Terra Firma«, Teil der Citigroup (New York). Sie hat teils Bestände der öffentlichen Hand gekauft (u.a. 64.000 Eisenbahnerwohnungen vom Bund), teils private, vor allem die »Viterra« mit 135.000 Wohnungen, hauptsächlich ehemalige Werkswohnungen im Ruhrgebiet, aber auch ehemalige Landeswohnungen in Berlin und Norddeutschland. (Müller, 2012). Die Kredite für den Kauf wurden über eine Tochterfirma als Anleihen ausgegeben mit Rückzahlungstermin 2013. Der 2007 geplante Börsengang scheiterte an der Finanzkrise und kam erst 2013 zustande; 84% Anteile blieben bei »Terra Firma«. Neue Anleihen und Emissionen von 5 Milliarden € in den USA und Europa sind zur Refinanzierung der Schulden angelaufen. Die Deutsche Annington erreichte 2007 einen Bestand von 245.000 Wohnungen. Nach etlichen Verkäufen sind es noch 176.000 – immer noch die größte private  Immobiliengesellschaft in Deutschland.
(http://investoren.deutsche-annington.com/websites/da/German/5900/news-detail.html?newsID=1378816&type=corporate – Pressemitteilung und Finanzbericht zum 3. Quartal 2013; http://www.mvwit.de/de/top/finanzinvestor/index.php/art_00002288; Kockelkorn 2007)

Als vierter Großinvestor kam die Deutsche Wohnen hinzu. 1999 von der Deutschen Bank gegründet v.a. durch Erwerb von Höchst-Werkswohnungen und der Rheinland-Pfälzischen Heimstätte, wurde sie 2006 mit einem Bestand von 24.000 Wohnungen an die Börse gebracht. Mit dem Einstieg v.a. ausländischer Investoren ist sie stark gewachsen; neben dem Erwerb der »Baubecon« von Cerberus macht sie sich seit Ende 2013 durch Übernahme der Berliner GSW (knapp 60.000 Wohnungen, zuvor Cerberus) vermittels Aktienkäufen zum zweitgrößten privaten Immobilienunternehmen mit bald 148.000 Wohnungen; sie ist auch ins Altenheim-Geschäft eingestiegen. (http://www.berliner-zeitung.de/berlin/deutsche-wohnen-deutsche-wohnen-darf-gsw-uebernehmen-,10809148,24190704.html; und Geschäftsbericht 2012: http://www.ir.deutsche-wohnen.com/websites/ deuwo/German/4100/ geschaeftsberichte.html)

Die Kapitalanlagen konzentrieren sich auf Großstädte, besonders auf Berlin und Städte mit vielen Leerständen (z.B. Ruhrgebiet, Leipzig). Zu einem Viertel gehen sie in Hochpreis-Wohnungen, zu drei Vierteln aber in ältere Sozialwohnungsbestände mit vielen Sozialhilfe-/ Hartz IV-Beziehern. Wie sind die branchenüblichen hohen Profite um 20 % ausgerechnet hier möglich? Folgende Praktiken werden erfindungsreich kombiniert:

  • Problematische Bestände sind für wenig Geld zu haben; im Durchschnitt wurden 1999-2007 pro Wohnung 44.000 € gezahlt mit leicht steigender Tendenz (BBR 2008), bei großen Transaktionen (siehe oben) noch weniger.
  • Finanzierungstechniken ermöglichen niedrige Kreditzinsen und Zusatzgewinne; so hat die Deutsche Annington Mitte 2006 eine Umschuldung von 5,4 Milliarden $ in (damals) günstige verbriefte »Commercial Mortgage Based Securities« erreicht (Hefftrich 2006) – eine Praxis, die übrigens zu den zentralen Ursachen der Finanzkrise gehört.
  • Verwaltung und Service werden rationalisiert und z.T. an Subunternehmen ausgelagert, Investitionen werden nur in besseren Beständen oder in Gebieten mit Wohnungsknappheit durchgeführt, wo sie unmittelbar in Gewinne umgesetzt werden können. (Hallenberg 2008)
  • Die Vermietungs- und Preispolitik ist lokal sehr differenziert. In Problemsiedlungen, in denen man sich die Mieter nicht aussuchen kann, werden Leerstände durch Hereinnahme von Sozialhilfe- bzw. Hartz IV-Empfängern und diskriminierten Gruppen reduziert, z.T. verbunden mit leichten Miet-Senkungen. In besseren Beständen werden zahlungskräftige Mittelschichten bevorzugt und Mieten werden erhöht oder Wohnungen an Zahlungsstärkere verkauft; diese Bestände werden durch Zukäufe erweitert. (ebenda)
  • Öffentliche Aufwertungsprogramme in etlichen Quartieren verbessern die Mieteinnahmen (sogenannte Nachbarschaftseffekt), ohne dass ein eigener Beitrag hierfür geleistet wird. Den Planungsgremien gelingt es meist nicht, die Investoren auch nur zu kontaktieren, und deren  ihre eigene Investitionen sind minimal (eigene Evidenz aus Exkursionen in fünf Soziale-Stadt-Quartiere in Kassel, Gelsenkirchen, Göttingen und Hannover).

Die sog. Hebelwirkung hoher Kreditanteile ist für Gewinnerhöhung essentiell. Die Unternehmen bringen nur zu 10-20% eigenes Kapital ein, die verbleibenden 80-90% bestehen aus günstigen Immobilienkrediten bzw. Anleihen mit Festzinsen für 5-8 Jahre, die durch gute Bank-Verbindungen mobilisiert werden. Dieser Hebel funktioniert nur in Zeiten niedriger Kreditzinsen, wie sie seit 2000 in allen OECD-Ländern zu finden sind; durch ihn zahlt sich jede Kostensenkung und/ oder Gewinn-Verbesserung als vier- bis fünffach multiplizierte Eigenkapital-Profiterhöhung aus. (Hefftrich 2006)

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Die erwartete Profitmarge von 15-20% pro Jahr lässt sich nur halten, wenn die aufgewerteten Objekte nach 4-7 Jahren verkauft werden. Tatsächlich setzten 2005 umfangreiche Wiederverkäufe ein. Die Finanzkrise führte zu einer Zwangspause – zu der diese Akteure wesentlich beigetragen haben, mit der Folge erheblicher Profitsenkungen oder gar Verluste. Seit 2011 läuft das Geschäft mit großen Wohnungsbeständen allerdings wieder an.

Die seitherige Dominanz von Wiederverkäufen zeigt sich im Verkaufsgeschehen seit 1999. Die Kommunen als (Erst-) Verkäufer zielten hauptsächlich auf die Senkung ihrer Finanzlasten oder auf die Finanzierung von Investitionen in andere Bestände. Seit 2006 gelten Verkäufe als »politisch nicht mehr durchsetzbar« (Hallenberg 2008); dazu trug vor allem ein Bürgerentscheid in Freiburg 2006 gegen den von der Grünen-Stadtregierung geplanten Verkauf von 8.000 städtischen Wohnungen bei. (http://www.frsw.de/littenweiler/wohnungsverkauf.htm) Andere Unternehmen der öffentlichen Hand verkaufen jedoch bis heute große Bestände, seit 2012 nimmt das Verkaufsgeschehen zu und entsprechend steigen die Erstverkäufe seit dem 1. Halbjahr 2012. So gingen 21.000 Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg an eine Investorengruppe um das Immobilienunternehmen Patrizia. An ein von Patrizia geführtes Konsortium ging 2013 auch der Verkauf der bayerischen Wohnungsgesellschaft GBW (32.000 Wohnungen) durch die Landesbank Bayern. Beide Banken hatten sich in der Finanzkrise verspekuliert und Rettungsgelder erhalten. In beiden Fällen kam das gemeinsame Kaufangebot der zwei mit Wohnungsnot geschlagenen Städte Nürnberg und München nicht zum Zuge. (BBSR 2012; Süddt. Zeitung  8.4. und 19.11. 2013).

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Unter dem Druck neuerer Marktentwicklungen müssen sich Großinvestoren wie GAGFAH oder Deutsche Annington darauf einstellen, die erworbenen Großbestände teilweise mittelfristig zu verwerten. Das nötigt sie, in den entsprechenden Beständen die Instandhaltung so weit anzuheben, dass der bisher angebahnte baulichen Verfall gebremst wird. Das ist aber ausschließlich Marktsituationen geschuldet, die Investmentgesellschaften bleiben weiterhin auf raschen Profit, nicht auf Substanzerhaltung orientiert. (Veser u.a. 2010) Gerade diese Investoren wenden sich nun vermehrt den besseren Beständen in wachsenden Großstadt-Wohnungsmärkten zu, denn dort kann mit starken Miet- und Immobilienpreis-Steigerungen gerechnet werden; nach ihren o.e. Finanz- bzw. Geschäftsberichten konzentrieren sie ihre Anlagen besonders auf die Räume Berlin, Hamburg, München, Frankfurt/M. und Düsseldorf. Wenigstens für Teile ihrer miserableren Bestände haben sie es auch bis heute geschafft, Käufer zu finden. Das könnte eine Chance sein für den Rückerwerb durch kommunale Wohnungsgesellschaften – aber diese, ohnehin finanzschwach, würden sich damit auch die Kosten des aufgelaufenen Investitionsstaus einhandeln.

Die Folgen dieser großen Transaktionen für die BewohnerInnen sind unterschiedlich, aber meist unerfreulich. Über die Situation im gehobenen Viertel der Groß-Investitionen gibt es eine recht reichliche Literatur zu »Gentrifizierung«, also zur baulichen und sozialen Aufwertung gut gelegener Innenstadtviertel (ein Überblick: Holm 2012). Aufwendige und oft monatelange Modernisierungen, kräftige Mietsteigerungen, Kündigungsversuche, Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen und aufdringliche Verkaufs-Angebote sorgen für erheblich gestörtes Wohnen und Unruhe in den betroffenen Häusern, den wohlhabenden Neu-Zuzüglern wird mit Unbehagen begegnet – vor allem seitens derjenigen Mieter, die geringere Einkommen haben und keine Chance sehen, sich zu wehren. Über die Lage in den drei Vierteln schlecht gehaltener privatisierter ehemaliger Sozialwohnungen gibt es wenig Informationen. Für die Mieter sind die neuen Besitzer bzw. Verwalter schlecht erreichbar, nicht zuletzt durch Ausdünnung des Service [3], die Kommunikation mit ihnen ist mühsam und stark formalisiert, Eigentümerwechsel alle paar Jahre macht die Verhältnisse noch verwirrender. Häufig sind die Mieterhöhungen geringer als befürchtet, aber die meisten MieterInnen sind überfordert von undurchschaubaren Nebenkosten-Erhöhungen und -Rechnungen. Investiert wird nur an wenigen begünstigten Ecken, an denen Mieterhöhungen durchsetzbar sind, oft gibt es anschließend Druck, die Wohnungen zu kaufen, und Käufer und Mieter in den Häusern dividieren sich auseinander; gegenseitiges Misstrauen breitet sich aus. In den schlechteren Siedlungsteilen gibt es viel Ärger wegen nicht beseitigter Schäden in den Häusern. Viele besser gestellte MieterInnen ziehen aus, lange gewachsene Nachbarschaften zerfallen. Die neuen Besitzer nehmen, um Leerstände zu reduzieren, bedenkenlos unterschiedlichste Herkunftsgruppen, Sozial- und Notfälle herein, da und so weit Mietzahlung durch Sozialamt bzw. Arbeitsagentur gesichert ist. So verschlechtert sich das Zusammenlebens-Klima meist drastisch. (Hallenberg 2008; Müller 2012; Richter/ Wiese 2012)

Der Zug zum Aufkauf und Weiterverkauf großer Wohnungsbestände seit 15 Jahren ist ungebrochen, er wurde gebremst durch die Finanzkrise und wieder beschleunigt durch die anschließende Flucht der Kapitalanleger in Immobilien. Bis 2011 betrug das Verkaufsvolumen 33 Milliarden €; das ist dreimal so viel wie bei den viel beschrienen sog. Öffentlich-Privaten Partnerschaften, also der 20-30-jährigen Vergabe des Baus und Betriebs von Autobahnen, Schulen, Sportanlagen, Verwaltungen, Gefängnissen u.ä. an private Großkonzerne. (BBR 2008 und BBSR 2012; Rügemer 2011) Die Bedenkenlosigkeit von Bundes- und Landes-Institutionen – und bis 2006/ 07 auch der Kommunen – beim Verkauf von riesigen bislang überwiegend mietgünstigen Wohnungsbeständen an Großinvestoren erstaunt.3 Die Kommunen erschlossen sich hierdurch zusätzliche Einnahmemöglichkeiten, mit denen sie auch ihren gewachsenen Belastungen mit Sozialausgaben nachkommen wollten. Bund und Länder und vor allem ehemalige Staatsunternehmen aber behandeln ihre Wohnungsbestände als reine Unternehmensmasse. Durch die Verkäufe wurden sie definitiv politischer Einflussnahme entzogen. Es geht den Großinvestoren nicht um effizientere Bewirtschaftung, sondern um kurzfristig maximale Gewinne; ihre Investitionen in die Bestände sind niedrig und sehr selektiv. Millionen von BewohnerInnen, die oft wenig zahlungsfähig sind, werden damit den Turbulenzen von Märkten und Finanzmanövern ausgesetzt.

Immerhin setzen sich stellenweise und erfolgreich BürgerInnen gegen Verkäufe und Vermietungspraktiken zur Wehr, wie in Freiburg (im Gegensatz zu Dresden hatte hier die geplante Privatisierung offenbar weniger finanzielle als politische Gründe).4 Und Ärger und Missstände durch die neuen Finanzmarkt-orientierten Besitzer bringen neue Mieterinitiativen hervor (z.B. im Ruhrgebiet oder in Berlin – vgl. http://www.ruhrbarone.de/mieterforum-ruhr-gegen-ths-privatisierung; http://www.bmgev.de/). Seitens der Politik ist kein Stop, kein Bremsen, ja nicht einmal ein Überdenken der großmaßstäblichen Wohnungs-Privatisierungen erkennbar; Widerstand kann nur von der Basis kommen. Allerdings kommt dieser vorzugsweise von Anti-Gentrifizierungsbewegungen (z.B. »Recht auf Stadt«, vernetzt mit AktivistInnen der linken Szene in Hamburg – http://www.rechtaufstadt.net/), während die ressourcenschwachen und sehr heterogenen BewohnerInnen ehemaliger Sozialwohnungsbestände ohne externe Hilfe kaum zu Gegenwehr in der Lage sind. (Kotlenga/ Müller 2012)

Fußnoten:

[1] Seit 2006 (Föderalismusreform) ist der Soziale Wohnungsbau auch Bundes-statistisch begraben worden, Angaben finden sich nur noch in entlegenen Quellen. Die Bestände reduzieren sich wegen Rückgang der Belegungsbindungen und minimaler Bauleistungen in den 2000er Jahren um jährlich 100.000 Wohnungen. (Günther 2012)

[2] Bei keinem anderen Großinvestor sind im Internet so viele ernsthafte Mieter-Beschwerden zu finden wie bei diesem (nach kursorischer Auswertung zumindest in Baunatal, Bonn, Darmstadt, Dresden, Dortmund, Freiburg, Hamburg, Hannover, Heidenheim, Leverkusen, Osnabrück, Siegen, Solingen, Wuppertal).

[3] In den in den Dresdener GAGFAH-Beständen etwa wurden die »Kundencenter« von acht auf vier reduziert. (Richter/ Wiese 2012)

Literatur:

BBR (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) Transaktionen großer Wohnungsportfolios in Deutschland. Berlin (BBR-Berichte Kompakt Nr. 1)

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) (2012): Anstieg großer Wohnungstransaktionen in 2012 – Wiederanstieg von Großverkäufen. Berlin (BBSR-Analysen Kompakt 12)

Faber, Oliver: Portrait der Finanzinvestoren »The Blackstone Group« und »Cerberus Capital Management«. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung (Arbeitspapier 169) 2009

Günther, Matthias (2012): Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland. Hannover: Pestel-Institut

Hallenberg, Bernd (2008): Transformation der Wohnangebotslandschaft. Ergebnisse des Projektes für entspannte Wohnungsmärkte. In: vhw-Forum Wohneigentum Nr. 2, S. 58-70

Harlander, Tilmann (1988): Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit – Ende des sozialen Wohnungsbaus? In: Prigge, W.; Kaib, W. (Hg.): Sozialer Wohnungsbau im internationalen Vergleich. Frankfurt/ M.: Vervuert, S. 46-55

Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1996): Soziologie des Wohnens. Eine Einführung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens. Weinheim/ München: Juventa

Hefftrich, Norbert (2006): Geschäftspolitiken und –modelle neuer und alter Akteure. Grundlagen der Transformation des Wohnimmobilienmarktes. In: vhw Forum Wohneigentum Nr. 6, S. 349-356

Holm, Andrej (2012): Gentrification. In: Eckardt, Frank (Hg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 661-687

Holm, Andrej (2011): Wohnungsprivatisierung in Europa. Strategien, Verfahren und Auswirkungen in Großbritannien, Polen und den Niederlanden. In: Informationen zur Raumentwicklung H. 12, S. 683-697

Kockelkorn, Anne (2007): Von Höllenhunden und Festungen. In: Stadtbauwelt 173, S. 20-28

Kofner, Stefan (2012): Strategien und Rahmenbedingungen kapitalmarktorientierter Wohnungsunternehmen am Beispiel der GAGFAH. In: Institut für Wirtschaftsforschung, Halle (Hg.): Zur Zukunft der kommunalen Wohnungspolitik in Deutschland und Europa. Halle, S. 91ff.

Kotlenga, Sandra; Müller, Doreen (2012): Finanzinvestoren als Vermieter: Hürden und Strategien für Bewohnerinitiativen in benachteiligten Stadtteilen. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen Jg. 25, S. 111-117

Lorrain, Dominique (2008) : L’industrie de la finance et les infrastructures: les fonds privés d’investissements (1) und (2) in : Métropolis/ Flux no. 71, S. 78-91 und no. 72-73, S. 138-151

Müller, Sebastian: Wie Wohnen prekär wird. Finanzinvestoren, Schrottimmobilien und Hartz IV. Dortmund: Sozialforschungsstelle 2012

Richter, Ralph; Wiese, Franziska (2012): Absorbiert vom Raum der Ströme? Die Folgen der Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände am Beispiel Dresden. In: Soeffner, Hans-Georg (Hg.): Transnationale Vergesellschaftungen. Wiesbaden (35. Kongress der Dt. Ges. f. Soziologie): Springer/ VS (CD Sektionsveranstaltungen)

Rügemer, Werner (2011, 2. erw. Aufl.): »Heuschrecken« im öffentlichen Raum. Public Private Partnership. Bielefeld: transcript Verlag

Veser, Jürgen; Thrun, Thomas; Zander, Christoph (2010): Mehrfachverkäufe von Mietwohnungsbeständen. Berlin: IfS/ BBSR (Forschungen H. 146)

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