„Lieber privat“? – Der Tagesspiegel am 24.3.2012

 

Von Jürgen Schutte

Rekommunalisierung bedeutet grob gesagt die Rückgewinnung des staatlichen Einflusses auf öffentliche Unternehmen und kann viele Gesichter haben. Damit Rekommunalisierung Nutzen für alle bringt, muss sie sorgfältig vorbereitet und umgesetzt werden – unter Beteiligung von BürgerInnen, Beschäftigten, Kommunalpolitikern. Weitere Privatisierungsvorhaben, um das Haushaltssäckel zu entlasten, müssten abgewehrt werden.

Diese erfreulichen Feststellungen und Forderungen sind die Zusammenfassung einer Tagung der Hans-Böckler-Stiftung, die mit Unterstützung des DGB am 10. Januar dieses Jahres in Berlin stattfand. Besonders der letzte Satz ist durch Einzelbeiträge bestätigt. Er kann als auf Fakten gestützte, gut begründete Einsicht eine Leitlinie für die Zukunft sein.

Während sich also bei uns nach Jahren der Privatsierung ein Bewusstsein vom Wert der Gemeingüter durchzusetzen beginnt, kommt man in Griechenland, nach einem ultimativen „Rettungsschirm“, mit großer Energie zur Sache. „Lieber privat“ überschreibt der Tagesspiegel vom 24. März einen Bericht von Gerd Höhler, in dem es um den unaufhaltsamen Ausverkauf der gesamten gesellschaftlichen Infrastruktur an private „Investoren“ geht. Da heißt es: „unter dem Druck internationaler Kreditgeber, wie EU und Internationaler Währungsfonds, treibt die Regierung den Verkauf von Staatseigentum nun voran.“

Im Untertitel des Artikels wird dieser Vorgang gleich zweimal schön geredet: „Nach erfolgreichem Schuldenschnitt will Athen Staatsbetriebe loswerden – und hofft auf Investoren.“ Es kann doch gewiss nicht stimmen, dass die griechische Regierung die Gemeingüter verscherbeln „will“ – und eben so sicher ist, dass man in Athen auf die „internationalen Investoren“ nicht „hofft“, sondern dass man sie fürchten muss wie einen Tsunami oder wie – die „Treuhand“. Dankenswerter Weise gibt der Autor des Artikels, Gerd Höhler, das Stichwort, das die griechische Zukunft vermutlich genauer beschreibt als der Begriff der „Rettung“. Man denkt dabei unwillkürlich an die Abwicklung der DDR, nach deren Abschluss der Bundeshaushalt mit 256 Mrd. DM Schulden belastet wurde. Und sind nicht die „neuen Länder“ bis heute dabei, sich von der Tätigkeit der Treuhand zu erholen? Da kommen im Blick auf Griechenland einige Fragen auf. Welche Angebote werden die „internationalen Investoren“ wohl einer Regierung machen, die unter Druck gesetzt ist, um jeden Preis zu verkaufen? Und schließlich: Wie soll eine griechische Regierung ohne die Einnahmen aus den Häfen und Flughäfen, den Kraft- und Wasserwerken, den Fährlinien und der Lotto-Gesellschaft den Staatshaushalt in Ordnung bringen? Das sind Fragen, an denen sich der Tagesspiegel vorbeidrückt.

Quellen (abgerufen am 26.3.2012):

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/lieber-privat/6367584.html

http://www.dgb.de/themen/++co++0cdc8e5e-053d-11e1-534b-00188b4dc422

die Einzelbeiträge sind über den Tagungsbericht abrufbar

 

 

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