Berlin, den 24.11.2013. Wie ein Papier aus den Koalitionsverhadlungen belegt, ist die SPD in der Frage von neuen Privatisierungen eingeknickt. Im Zentrum der Verhandlungen stand die als modern geltende Privatisierungsform „Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP)“. Die Ausgangsposition der SPD lautete wie folgt: „ÖPP lehnen wir als Finanzierungsinstrument von Verkehrsprojekten des Bundes ab.“ Die Position von CDU war: „Wir wollen verstärkt die Möglichkeiten der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Geldgebern in sogenannten Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) nutzen, wenn dadurch Kosten gespart und Projekte schneller umgesetzt werden können. Die Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen werden wir evaluieren und weiter standardisieren. Die verschiedenen Modelle für ÖPP- Projekte werden wir weite entwickeln, mittelstandsfreundlicher ausgestalten und zugleich Regelungen schaffen, mit denen Risiken für den Bund bei der Umsetzung von ÖPP-Projekten durch mittelständische Bietergemeinschaften minimiert werden.“ (Auszug Koalitionsverhandlungen zur Zukunft von ÖPP, AG „Verkehr, Bau und Infrastruktur“)
Wie aus internen Kreisen bekannt wurde, soll nun dies herauskommen:
„Zukunft von ÖPP: Die Fortentwicklung von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Wir wollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Geldgebern in ÖPP-Projekten oder staatlichen Infrastrukturgesellschaften als zusätzliche Beschaffungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespart und Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werden können. Dies muss ebenso wie bei Betriebsvergaben in jedem Einzelfall transparent und unabhängig nachgewiesen werden. Die Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen werden wir evaluieren und standardisieren. Die verschiedenen ÖPP-Modelle werden wir weiterentwickeln, mittelstandsfreundlicher ausgestalten und zugleich Regelungen schaffen, mit denen Risiken für den Bund bei der Umsetzung durch mittelständische Bietergemeinschaften minimiert werden.“
Carl Waßmuth, Infrastrukturexperte von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB): „Die Entwicklung der SPD-Spitze von „lehnen wir ab“ zu „weiterentwickeln“ wird die BürgerInnen viele Milliarden Euro kosten. Die Daseinsvorsorge soll weiter privatisiert und den internationalen Finanzmärkten ausgeliefert werden. Konsequent wäre es gewesen, bei einem Dissens zwischen SPD und CDU/CSU auf eine gemeinsame Position zu verzichten. Nun bleibt zu hoffen, dass sich die SPD-Basis das nicht gefallen lässt. Die Abkehr von der langjährigen Privatisierungspolitik der Parteiführung hatte man gerade erst mühsam erkämpft. Die neue Rückwärtsrolle von Gabriel, Oppermann, Nahles und Co. zurück in die alte Privatisierungspolitik könnte den Mitgliederentscheid maßgeblich beeinflussen.“
Laura Valentukeviciute von GiB kommentiert das wie folgt: „Die Bundes- und Landesrechnungshöfe kritisieren ÖPP-Projekte regelmäßig massiv und raten davon ab. Was hier vorgeschlagen wird, um die Akzeptanz zu vergrößern und Risiken zu minimieren erinnert an Bindfäden, mit denen ein Stier angebunden werden soll. Und nichts davon ist neu: Die Verpflichtung auf Wirtschaftlichkeit hat bisher nicht verhindert, dass Milliarden Euro Mehrkosten entstanden sind, trotz Bemühungen um Transparenz sind 98% aller ÖPPP-Verträge und 100% der zugehörigen Verhandlungen weiterhin geheim, und die lange eingeforderte Mittelstandsfreundlichkeit lässt sich nicht herbeiregeln, da das Konzept ÖPP vom Grundsatz her für Großkonzerne ausgelegt wurde. Das Modell ÖPP muss weg, wie seinerzeit das gleichermaßen gemeinwohlschädliche Cross Border Leasing.“
Leider haben Gabriel & Co KG auch deshalb nicht ungern privatwirtschaftlich entschieden, weil sie genau wissen, dass ppp den meisten Mitgliedern gar nicht richtig bekannt ist, einigen wenigen an entscheidenden Stellen in Kommunen, Ländern und Bund hingegen sehr wohl.
Sehr wohl wird es jetzt sicherlich den Genossen ums Herz sein, die schon vor Jahren in der SPD-Spitze alles dafür getan haben, Mehdorns Crash-Kurs der Bahnprivatisierung innerparteilich und in der Großen Koalition durchzusetzen. Aus dieser längst allseits erkannten Privatisierungspleite haben die heutigen Spitzengenossen nichts gelernt.
Für einige diskrete marktnahe Genossen jedoch dürfte nach Gabriels gestrigem Einknicken vielleicht doch hie und da ein fetter ppp-Brosamen vom Tisch der konservativen „privaten Partner“ herunterfallen.