Neues Museum der Moderne, Berlin. Das nächste Großbauprojekt, das auf die Hauptstadt zukommt. Doch wieder könnte es als PPP-Desaster enden. GiB-Kulturreferentin Ulrike von Wiesenau hat ein Gespräch mit der Ökonomin und ehemaligen SPD-Abgeordneten Gerlinde Schermer zum PPP-Wahn
der Bundesregierung geführt.
Ulrike von Wiesenau: Frau Schermer, Sie sind eine der profiliertesten Kritikerinnen von „Public-Private-Partnership“ (PPP), auch bekannt als sogenannte „Öffentlich-private Partnerschaften“ (ÖPP). Können Sie dieses Privatisierungs-Modell weniger Eingeweihten erläutern?
Gerlinder Schermer: Um das System PPP besser zu verstehen, lade ich Sie ein, mit mir auf einen Berg zu steigen. Von dort oben sieht man einfach besser. Wir alle haben in den 90iger Jahren erlebt, wie uns nach dem Jahrhundertereignis Mauerfall immer wieder die Devise in den Ohren hallte: „Private können besser wirtschaften“. Unter dieser Überschrift wurde dereguliert und privatisiert was das Zeug hält. Privatisierung, Deregulierung und Einschnitte bei den Sozialausgaben, diese Dreifaltigkeit der Ideologie des freien Marktes brachte die Freiheit für das Kapital, für die Menschen brachte sie zunehmende Unfreiheit und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen! Diese Ideologie wurde, nachdem die Keynesianische Makroökonomie in Misskredit geraten war, in den 70ern von
dem Monetaristen Milton Friedmann und seine Chicago-Schule verbreitet und von IWF und Weltbank als bittere, aber angeblich heilsame Pille überall auf der Welt verabreicht. Für die negativen Folgen dieser fragwürdigen Medizin, wollten die neoliberalen Privatisierungsstrategen allerdings keine Verantwortung übernehmen. In Chile, Argentinien und Bolvien konnte man das neoliberale Programm nur durch Verschleppung und Folterung von Gegnern durchsetzen. Und in China, Polen und Russland, wo die Neoliberalen ebenfalls als Berater wirkten, stieg in der Folge die Anzahl der Millionäre und Milliardäre,
doch die Anzahl der Armen stieg um ein Vielfaches stärker. Trotzdem wurde das Märchen vom Privatisierungszauber immer wieder neu aufgelegt.
UvW: Schauen wir jetzt von oben auf Deutschland und zoomen gleich auf Berlin…
GS: Auch in Berlin wurde diese neoliberale Einheitskost von Deregulierung, Privatisierung und Kürzung der öffentlichen Aufgaben überall verabreicht. Von wem? Dort waren in den 90iger Jahren, um nur einige Namen zu nennen, seine Vertreter die damalige Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, der Regierende Bürgermeister Diepgen, zusammen mit Banker Landowsky, und, ab 1995 dabei, die junge Abgeordnete Monika Grütters. Berlin verkaufte in dieser Zeit öffentliches Vermögen für 13,7 Mrd. € – wie überall in den Bereichen Gas, Strom, Wasser und im Wohnungssektor. Was 2001 folgte, war der zu Unrecht in Vergessenheit geratene „Berliner Bankenskandal“. In dessen Folge beschloss das Berliner Parlament auf Druck der Finanzmärkte und des Bundesaufsichtsamtes für Kreditwesen, dass das Land Berlin die Schulden der in „Öffentlich-privater-Partnerschaft“ verbundenen Sparkasse und der privaten Bank Berlin Hypo in Höhe von 21,6 Mrd. Euro übernehmen und die Berliner Sparkasse verkaufen müsse. Begründung: Der Bankplatz Deutschland sei sonst in Gefahr! Es folgte ein politisches Erdbeben, das immerhin zum Abdanken von Landowsky führte. Aber die Schulden blieben an den Berlinerinnen und Berlinern hängen! In noch weit größeren Dimensionen, aber mit im Prinzip gleichem Ergebnis, erlebten wir wenige Jahre später das Platzen der Finanzblasen, die sogenannte „Finanzkrise“.
UvW: Haben die Akteure aus diesen Desastern gelernt? Wenn ja, was?
GS: Was Monika Grütters betrifft, heute Kulturstaatsministerin, einst als Abgeordnete gefördert von Klaus Rüdiger Landowsky, dem Organisator jener ‚Partnerschaft‘ einer privaten mit einer öffentlichen Bank: Sie hat den „Berliner Bankenskandal“ hautnah miterlebt und die fragwürdigen Entscheidungen und Vorgänge zumindest mitgetragen. Jetzt, beim neuen Museum der Moderne, folgt sie den alten, neoliberalen Mustern.
UvW: Inwiefern folgt Frau Grütters alten Mustern?
GS: Sie redet die zuständigen öffentlichen Behörden schlecht – genauso wie ihr Ziehvater Landowsky es damals in den 90igern getan hat. Darüber hinaus hat sie die sogenannte ‚Wirtschaftlichkeitsstudie‘ beim PPP-Lobbyisten „Partnerschaft Deutschland AG“ in Auftrag gegeben. Und die wird im Herbst dieses Jahres zweifellos zu dem gewünschten Ergebnis kommen.
UvW: Sie meinen also, der „Wirtschaftlichkeitsvergleich“ der Partnerschaft Deutschland AG kommt im Herbst zu dem Ergebnis, dass eine „Öffentlich-
private Partnerschaft“ zum Bau und Betreiben des neuen Museums der Moderne die bessere Realisierungsvariante ist?
GS: Aber ja. Schon das 17-Seiten Papier der „Partnerschaft Deutschland AG“, welches das Projekt „Museum der Moderne“ für grundsätzlich PPP-tauglich
erklärt, ist als „vertraulich“ klassifiziert – die übliche PPP-Geheimniskrämerei. PPP wird in diesem Vergleich besser abschneiden, so will es Frau Merkel, so wollen es andere mächtige PPP-Befürworter, so wird es kommen…
UvW: Können Sie das noch etwas näher erläutern?
GS: Allein schon der überdimensionierte bewilligte Betrag von 200 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt – ohne Projektvorlage – spricht Bände. Wo gibt es Vergleichbares? Das Bauprojekt ist schon dadurch mit dem 3,5 fachen an öffentlichem Geld ausgestattet, das für solche Projekte sinnvoll wäre. So sieht es jedenfalls der überwiegende Teil der Fachwelt. Schon dadurch ist das Ergebnis des‚Wirtschaftlichkeitsvergleichs vorprogrammiert. Das ganze Projekt lädt
also zu Selbstbedienung durch PPP-Verträge ein. Kunst und Kultur werden instrumentalisiert, um privaten Investoren eine Rendite-Möglichkeit zu verschaffen. Ich behaupte: Die PPP-Lobby braucht nach 20 Jahren Niederlagen in der Praxis, nach dem Rückschlag der Finanzkrise, dem Desaster beim PPP-Projekt Wasserteilprivatisierung in Berlin und dem Fiasko der Elbphilharmonie in Hamburg ein schlagkräftiges Image-Projekt. Sie brauchen einen PPP- Leuchtturm. Dazu soll das Museum der Moderne gemacht werden. Um sicher zu gehen, dass ja nichts schief geht, wurde die Partnerschaft Deutschland AG beauftragt, die selbst zu 47% der Bauwirtschaft gehört, zu ermitteln dass das Projekt bei privaten Investoren in guten Händen ist! Die Partnerschaft Deutschland AG ist also der Bock, der uns als Gärtner serviert wird, als der Gärtner, der darauf achtet, dass mit öffentlichem Geld sparsam umgegangen wird. Im Ernst – das ist Schmierentheater!
Um den Überblick nicht zu verlieren, möchte ich Sie bitten, wieder mit mir auf den Berg zu steigen und die Frage zu beantworten: Wer empfiehlt uns, ein Projekt, das dem Gemeinwohl dienen soll, als PPP-Projekt zu realisieren, das heißt, unter maßgeblicher Beteiligung von privaten Konzernen, die nur ihr Partikularinteresse im Auge haben?
UvW: Es sind die gleichen Damen und Herren, die uns empfohlen haben, alles zu privatisieren?
GS: Richtig, aber jetzt sind sie auf aggressive Weise dabei, Bereiche zu erschließen, wie die Bewirtschaftung von Gemeingütern und öffentlichen Projekten, bei denen eine Gewinnerzielung völlig fehl am Platze ist. Das Fatale ist: Die neoliberale Ideologie hat dazu geführt, dass auch die Bauämter von Ausgabenkürzungen betroffen sind. So sehr, dass Frau Grütters heute sagen kann: die können das nicht!
UvW: Was ist Ihre Empfehlung in dieser Situation?
GS: Es gibt ein gutes Ziel: Ein modernes Museum mitten in Berlin. 14.000m² Fläche. Erreichbar für jedermann. Es wird mit Kunstwerken aus der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts international Beachtung finden und dauerhaft Besucher anziehen. Auch wenn klar sein dürfte, dass nicht die gesamte Bevölkerung Deutschlands, die ja letztendlich das Museum bezahlt, es auch besuchen wird – das Projekt dient dem Gemeinwohl. Was wäre da naheliegender, als dass eine dem Gemeinwohl verpflichtete Behörde wie das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) die Koordinierung des Baus übernimmt? Diese Behörde hat nachweislich große Erfahrungen in der Umsetzung von Bauaufgaben, wie man z.B. auf der Museumsinsel sehen kann. Wie wäre es, die Absolventen der Universitäten für dieses Projekt zu begeistern und dafür bei den Bauämtern und sonstigen für das Bauen zuständigen Behörden wieder ausreichend gut dotierte Stellen zu schaffen. So oder so muss der Staat das Projekt letztendlich finanzieren. Durch direkte Auftragsvergabe ans Handwerk gibt es gute Arbeit für viele Gewerke. Eine Perspektive für junge Familien da mitzumachen. Ein Museum, das man hinterher seinen Kindern zeigen
kann- das hab‘ ich mitgebaut! Toll!
UvW: Spielen diese Aspekte beim Museum der Moderne, wie es derzeit geplant scheint, gar keine Rolle?
GS: Die Aufbruchsstimmung ist nicht bei den Menschen, sondern beim Kapital. Da brummt der Bär! In der gleichen Zeit, in der Architekten, Kulturpolitiker und BürgerInnen und sogar Politiker sich über das „Wie“ des Museums Gedanken machen, gibt es das eine, alles überlagernde Ziel bei den anderen: Rendite! Deren Sorge ist: Wie kriege ich in der Niedrigzinsphase eine sicher und ausreichend hoch verzinste Anlagemöglichkeit für mein Kapital. Für Anleger ist es eigentlich völlig egal, was man in die geheimen Verträge mit Renditegarantie packt. David M. Walker, Präsident des Rechnungshofes der vereinigten Staaten sagt dazu 2007. „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben etwas, das sie von der Privatwirtschaft unterscheidet, nämlich die Verpflichtung auf das Gemeinwohl – die Pflicht, den Interessen aller statt nur einiger weniger zu dienen. Unternehmen sind dagegen ihren Aktionären verpflichtet und nicht dem Land.
UvW: Sie meinen Frau Grütters kennt diesen Unterschied nicht?
GS: Sie könnte es wissen, da sie ja die negativen Berliner Erfahrungen mit Privatisierungen in Form von PPP persönlich erlebt hat. Wer aber nicht aus Erfahrung lernt, ist entweder dumm oder hat andere Interessen. Ich glaube nicht an Dummheit bei Frau Grütters. Sie ist nachweislich wie Frau Merkel eine entscheidende Verfechterin der TTIP Verträge, die die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt, da sie die Übermacht der Konzerne und die Schiedsgerichte fürchten. Jeder PPP-Vertrag enthält die Schiedsgerichtsklausel – das Klagerecht der Investoren auf entgangene Rendite vor einem geheimen Schiedsgericht. PPP bedeutet nichts anderes, als dass der Staat für den Privaten Partner zum Geldeintreiber umfunktioniert wird. Das alles weiß Frau Grütters und sie ist dennoch dafür!
UvW: Welche Grenzen werden dem Renditestreben der privaten Investoren im Rahmen von PPP gesetzt?
GS: Ich sehe keine in diesem Zusammenhang relevanten Grenzen, eher das Gegenteil: Der Bauherr, der den Zuschlag für das Projekt erhält, muss keine gesetzliche Eigenrealisierungsquote erbringen, nicht mal eine Mindestquote. Dafür wurde schon 2005 eigens das Vergabegesetz geändert. Der sogenannte Investor kann also alles mit Subunternehmen beauftragen. Die Mittelständler, die die Arbeit machen, werden dann vom dem „Groß“- Investor, der für 30 Jahre in der Betreiberphase die Garantierendite einstreicht, ausgepresst. So werden Billiglöhner am Bau produziert, und das mit staatlicher Förderung!
Bereits 2005 wurde durch die Änderung des Investmentgesetzes die Bildung neuer Fondstypen ermöglicht, welche die „Beimischung von ÖPP Projektgesellschaften“ in der 28-30 jährigen Betreiberphase ermöglicht. Gleichzeitig wurde das Steuerrecht geändert. Die Befreiung von der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer gilt jetzt auch für an PPP-Projektgesellschaften übertragene Grundstücke, solange diese für hoheitliche Zwecke genutzt werden und sofern eine Rückübertragung des Grundstücks an die öffentliche Hand innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vorgesehen ist. Die PPP-Projektgesellschaft wäre Eigentümer des Grundstücks am Potsdamer Platz!
UvW: Das Museum der Moderne soll unbedingt kommen?
Nicht als PPP-Modell, sonst schon. Wir haben es in der Hand: Gemeinsam schaffen wir es, ein neues PPP-Desaster zu verhindern. Nehmen wir uns dafür die Zeit! Sammeln wir unsere Kreativität und Kräfte und errichten wir einen Leuchtturm des Gemeinwohls: Das Museum der Moderne in öffentlicher Hand! Wir schaffen das!
Mehr zum Museum der Moderne: „PPP-Museum der Moderne Berlin? – Kulturstaatsministerin Grütters muss
umsteuern!“ https://www.gemeingut.org/wordpress/ppp-projekt-museum-der-moderne-kulturstaatsministerin-muss-umsteuern/