04.12.12 von Elisa Rodé
PPP-Misserfolgsgeschichte der Stadt Witten. Aus Fehlern nichts gelernt.
Für Schulsanierung 65 Mio PPP-Zahlungen statt 16,8 Mio
In Witten hat man vor 9 Jahren beschlossen, die Schulsanierung des Schillergymnasiums nicht aus eigenen Haushaltsmitteln, sondern als PPP-Projekt mit dem Baukonzern Strabag AG zu realisieren. Für das gesamte Bauvorhaben zahlt die Stadt an die PPP-Partner nun 65 Mio EURO, verteilt über 25 Jahre zu Raten von 2,6 Mio EURO. In der Summe ist eine jährliche Pauschale von ca 224.000 EURO für Instandhaltung enthalten.
Hätte die Stadt die Sanierung selbst übernommen, hätte diese ca. 11 Mio gekostet, zuzüglich der Instandhaltungskosten je nach Bedarf (!) und nicht pauschal wie bei PPP. Die Stadt hatte nach eigenen Angaben damals bereits 8,7 Mio EURO im Haushalt eingestellt,(*) die restlichen 2,3 Mio hätten in den Folgejahren aufgebracht werden können, inkl. der Instandhaltung von maximal 2% der Bausumme/jährlich. Es gab also damals keine Not, eine Fremdfinanzierung auf zu nehmen. Bei Eigenrealisierung hätte die Stadt aus Steuermitteln max. 16,8 Mio EURO über den Zeitraum von 25 Jahren gezahlt. Stattdessen beschenkt die Stadt die PPP-Partner also mit mehr als 48 Mio EURO!
Selbst wenn Witten für diese Sanierung kein eigenes Geld gehabt hätte, sondern die gesamten Kosten durch Darlehen bei Banken finanzieren müsste, wären die Kosten niemals so hoch geworden, sondern hätten maximal ein Drittel betragen.
Trotzdem behauptet die Stadtverwaltung, das PPP-Projekt sei wirtschaftlich günstiger und solle auch weiterhin als Modell Verwendung finden. Die Stadt hat bisher weder den PPP-Vertrag offen gelegt, noch eine Evaluation des Projekts veröffentlicht. Vermuten kann man, dass sie dies bewusst nicht tut, um nicht eingestehen zu müssen, dass PPP eine riesige Geldverschwendung zu Ungunsten der Stadt ist.
Rathaussanierung von 14 Mio auf über 70 Mio hochgerechnet
Nun steht die Rathaussanierung an. Für diese werden Sanierungskosten von ca 14 Mio EURO geschätzt. Eine konkrete Kostenberechnung auf der Grundlage einer Architekturplanung liegt nicht vor. Ein hochbezahltes Consultingunternehmen, in diesem Fall Assmann Beraten und Planen GmbH, ein bekanntes PPP-Lobbyunternehmen, hat in einem Gutachten (*2) berechnet, dass PPP auch für die Rathaussanierung die günstigste Variante sei. Die “Berechnungen” liegen vor, sie sind wie üblich gespickt mit Schätzwerten und kalkulatorischen Kosten, die nicht nachgewiesen sind. Die Gesamtkosten werden um ein Mehrfaches der tatsächlichen Kosten hochgepumpt und die PPP-Variante am Ende als etwas günstiger dargestellt. Dazu werden sog. Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorgelegt. Darin wird mit handelsrechtlichen und finanzmathematischen Begriffen jongliert, mit “Buchwerten”, “Barwerten”, “Abschreibungen”, “Auflösungen”, “Sonderposten”, die für die Ratsmitglieder – und nicht nur für diese – völlig unverständlich sind. Mit vielerlei Finanztricks wird errechnet, dass die Gesamtaufwendungen für das Projekt über 70 Mio EURO liegen, mit 74 Mio für die PPP-Variante etwas günstiger als mit 78 Mio für die Eigenrealisierung. Beide Summen sind völlig inakzeptabel für die geplante Rathaussanierung.
Was zählt ist doch, wieviel die Stadt für ihre Rathaussanierung tatsächlich an Steuermitteln zahlen wird, Jahr für Jahr, über mehrere Jahrzehnte, und nicht, welche “Vorteile” das Beratungsunternehmen rein finanztechnisch herbeirechnet.
Wenn Witten auf diesen Rechenschwindel hereinfällt, dann wird der Haushalt der Stadt wiederum unsinnigerweise über Jahrzehnte mit hohen Ratenzahlungen belastet, aus denen es keinen Ausweg gibt.
Ist es Untreue, wenn Steuermittel verschenkt werden?
Eine konventionelle Sanierung über Eigenmittel, – oder wenn diese nicht ausreichend zur Verfügung stehen – über einen Kommunalkredit mit derzeit deutlich unter 2% Verzinsung, würde wesentlich wirtschaftlicher für die Stadt sein. Und zusätzlich wäre sichergestellt, dass auch mittelständische Unternehmen, Architekten, Planungsbüros, Handwerksunternehmen aus der Stadt und Region eine Chance hätten, Aufträge zu erhalten, da die Leistungen nicht insgesamt, sondern in Teillosen ausgeschrieben werden könnten. Dies würde Arbeitsplätze in der Region sichern und Gewerbesteuern in die Kassen der Stadt bringen.
Ein Festhalten an PPP erscheint wie ein bewusstes Veruntreuen städtischer Mittel, das die Einwohnerinnen und Einwohner der sowieso bereits überschuldeten Stadt Witten nicht hinnehmen sollten!
Elisa Rodé (http://www.antiprivatisierungswerkstatt.de/?p=389#more-389)
(*) Nachweis Ratsvorlagen 694 aus 2002 und 894 aus 2003)
(*2) Schlussbericht ASSMANN, Variantenvergleich, Nominalwerte, Beschlussvorlage 647 aus 2012