von Ulrich Scholz
Sechs Jahre öffentlich-öffentliche Partnerschaft im Schulbau Hamburg: kleiner, teurer, intransparent
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Organisation der Schulen
Alle Hamburger Schulen mit Ausnahme von 15 Berufsschulen werden von der SBH Schulbau Hamburg an den Senat vermietet. Das Sondervermögen SBH Schulbau ist seit 2010 für das Facility Management, die Sanierung und den Neubau der Schulen verantwortlich. Es befindet sich zu 100 % in Landesbesitz, ebenso wie das Sondervermögen Schulimmobilien Hamburg, das für Sanierung und Neubau Kredite am Markt aufnimmt, die mit den Schulen bzw. deren Grundstücken besichert werden. Die durchschnittlichen Kreditzinsen für diese Geschäfte lagen 2015 (7,8 %) und 2016 (5,3 %)[1] um drei bis fünf Prozentpunkte oberhalb der Kreditzinsraten anderer landeseigener Betriebe wie etwa des Sondervermögens Stadt und Hafen in Hamburg oder auch des Vivantes-Konzerns oder der Wasserbetriebe in Berlin. Öffentlich-öffentliche Partnerschaft ist beim schulischen Bauern offenbar riskanter und teurer als bei anderen Bauvorhaben.
Neben dieser „öffentlich-öffentlichen Partnerschaft“ (ÖÖP) unterhält Hamburg auch 15 berufsbildende Schulen in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP, Flächenanteil dieser Schulen 4,7 % der gesamten Hamburger Schulflächen) mit der Firma HEOS. „HEOS Berufsschulen Hamburg GmbH & Co KG ist eine eigens für das ÖPP-Projekt gegründete Projektgesellschaft der STRABAG Real Estate GmbH und der Otto Wulff Bauunternehmung GmbH. Alle baulichen Leistungen wurden einer Arbeitsgemeinschaft aus Ed. Züblin AG, Deutschlands führender Hoch- und Ingenieurbaugesellschaft, und der traditionsreichen Hamburger Otto Wulff Bauunternehmung GmbH übertragen.“[2]
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Kleinere Flächen bei größerer Schülerzahl
Seit 2012 ist in offiziellen Dokumenten des Hamburger Senats immer wieder von „Optimierungspotentialen“ und „Flächenoptimierungen“ die Rede. Das bedeutet, dass die Schulen kleiner werden. Damit will der Senat der Hansestadt „Budgetentlastungen“ erreichen, also an den Schulen sparen. Für kleinere Schulen wird weniger Miete fällig, da diese ja nach Quadratmetern gezahlt wird. Dieses Programm wurde, siehe unten, auch durchgezogen, obwohl die Schülerzahlen gestiegen sind.
Staatliche allgemeinbildende Schulen:
2010/11: 161.264 [3]
2016/17: 172.326 [4]
Zunahme um 6,9 %
Berufsbildende Schulen:
2010/11: 58117 [5]
2016/17: 51008 [6]
Abnahme um 12,2 %
Zunahme der Gesamtschülerzahl: 1,8 %
Der Hamburger Senat strebt seit 2012 trotz der steigenden Schülerzahlen eine Flächenreduzierung der Schulen um 10 % an[7]. Auf diesem Weg sollen die Bewirtschaftungskosten stetig gesenkt werden.[8] Öffentlich hatte der Regierende Bürgermeister der Freien und Hansestadt 2010 aber etwas ganz anderes angekündigt: „In schwachen Vierteln müssen die Schulen Paläste sein.“[9]
Reduziert wurde die Gesamtmietfläche der Schulen von 2012 bis 2016 um 61533 m2, davon allein vom 01.01.2015 bis zum 24.05.2016 um 34793 m2. Damit sank die Gesamtmietfläche der Schulen von 2012 bis März 2016 um 2,4 %[10]. Da der Landesbetrieb SBH Schulbau Hamburg allein 2015 und 2016 laut Jahresabschlussbericht 63288 m² abgemietet hat,[11] ist das Tempo der Schulflächenreduzierung offenbar deutlich gesteigert worden. Den SBH-Angaben zufolge dürften bis Ende 2016 insgesamt 90.028 m2 Schulflächen abgemietet worden sein, also 3,5 % der Flächen. Den Angaben des Senats und der SBH Schulbau zufolge sind also 2010 noch mindestens 11,6 m2 Schulfläche pro Schüler vorgehalten wurden, Ende 2016 aber nur noch 10,9 m2, eine Abnahme pro Schüler um 0,7 m2 oder 6 %. Diese Flächenangaben stammen aus den Bilanzen des Schulunternehmens. In ihnen sind zumindest Flächenanteile von Schulhöfen nicht erfasst, sodass in der Öffentlichkeit nicht selten auch mit andere, höheren, Zahlen operiert wird.
Innerhalb von vier Jahren ist in Hamburg eine Fläche aus der schulischen Nutzung herausgefallen, die etwa 1500 größeren Unterrichtsräumen (60 m2) entspricht. Transparent erfolgt der Flächenabbau nicht, unter anderem, weil der Hamburger Senat die Außenflächen (Schulhöfe!) nicht als Bestandteil des Mieter/Vermieter-Modells ansieht und deswegen nicht systematisch erfasst (Antwort des Hamburger Senats auf eine Anfrage der Linkspartei 2016).[12] Die Erlöse von Schulflächenverkäufen gibt der Senat nur summarisch an, um Geschäftsgeheimnisse zu wahren.[13] Die Hamburger Landesorganisation der Bildungsgewerkschaft GEW prognostizierte 2014, dass bis 2016 insgesamt 300.000 m2 aus der schulischen Nutzung herausfallen werden[14]. Vermutlich sind in dieser Prognose auch die von den Schülern genutzten Außenflächen enthalten, was bei bewegungsfreudigen Menschen wie Kindern und Jugendlichen ja auch Sinn macht.
Neben dem Flächenverkauf dient auch die Vermietung der Finanzierung von Kreditzinsen, kommenden Schulbauvorhaben und der Unterhaltung der Hamburger Schulen. 2016 gab es in 43 Schulen Mietverträge mit Drittnutzern, v.a. in solchen Schulgebäuden, die schon mit Blick auf die zeitweise bzw. teilweise Doppelnutzung gebaut worden sind.[15]
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Höhere Zinsbelastung
Der Berliner Senat plant nun, das Eigentum an vielen Schulgrundstücken an die HOWOGE zu übertragen, um später Baukredite für den Neubau und große Sanierungsvorhaben mit Mietverträgen oder Erbbaurechten besichern zu können. Dabei gerät die Frage nach den Kreditzinsen in den Blickpunkt, denn interessant ist ja, um wie viel teurer diese Art von Sale-And-Lease-Back das Land zu stehen kommt.
Das Sondervermögen Schulimmobilien Hamburg nimmt bei Kreditinstituten Kredite auf. Andere Hamburgische Landesbetriebe wie z.B. das Sondervermögen Schulbau Hamburg, der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer und der Landesbetrieb Verkehr tun das nicht. Diese Landesbetriebe werden als Teil des „Konzern Hamburg“[16] alias „Konzern FHH“ (Freie und Hansestadt Hamburg) betrachtet und scheinen keine eigene Kreditvollmacht zu haben. Anders bei den Schulimmobilien. Die Höhe der Zinsbelastung des Sondervermögens Schulimmobilien kann mit dem ebenfalls landeseigenen Sondervermögen Stadt und Hafen Hamburg verglichen werden:
Portfoliozinsätze
Sondervermögen Schulimmobilien Hamburg | Stadt und Hafen der Freien und Hansestadt Hamburg | Mehrbelastung der SVH | |
2015 | 7,86 % | 2,76 % | 5,1 % |
2016 | 5,29 % | 2,48 % | 2,8 % |
Es ergibt sich eine deutliche Mehrbelastung beim Schulbau. Die ergibt sich auch, wenn man die Hamburger Schulimmobilien mit landeseigenen Unternehmen in Berlin vergleicht.
Vivantes | Berliner Wasserbetriebe | |
2015 | 3,83 % | 3,41 % |
2016 | 2,82 | 3,13 % |
Der Durchschnittszinssatz verändert sich von Jahr zu Jahr, weil Kredite auslaufen oder vorzeitig getilgt werden und neue Kredite aufgenommen werden. Neu aufgenommene Kredite sind zurzeit zinsgünstig, sodass die Durchschnittszinssätze der Unternehmen in den vergangenen Jahren gesunken sind, weil sich immer mehr relativ zinsgünstige Kredite im gesamten Portfolio befinden und immer weniger alte Verträge mit hohen Zinsen.
Für den Schulbau und die Sanierung von Schulen ergibt sich daraus die Frage, warum die durchschnittliche Kreditzinsrate beim Sondervermögen Schulimmobilien Hamburg zwar ebenfalls gesunken, aber dennoch deutlich höher ist als bei anderen landeseigenen Gesellschaften. Denn eigentlich müsste sie niedriger sein, weil dieses Unternehmen erst frühestens 2011 (damals noch unter dem Namen Sondervermögen Schulbau Hamburg SVH) Kredite aufnehmen konnte, denn erst in diesem Jahr ist es gegründet worden. Die massenhafte Kreditbeleihung der Schulimmobilien kann erst 2012 begonnen haben, da gab es aber schon die ersten Null-Zins-Papiere (zweijährige Bundesanleihen). Das heißt: Schon vom Start her hätten die Kreditzinsen für SVH historisch niedrig sein können, zumal ja klar war, dass der Senat das Unternehmen wegen der Schulpflicht nicht in Konkurs gehen lassen kann. Warum ist das Gegenteil der Fall?
Erstens: Ganz genau lässt sich die Frage nicht beantworten. Die Zinssätze der aktuell aufgenommenen Kredite müssen in den Jahresabschlüssen und Bilanzen nicht angegeben werden. Außerdem unterliegen die Verträge der landeseigenen Unternehmen dem Geschäftsgeheimnis. Das ist ja gerade eine der großen Gefahren bei der Übertragung von Landeseigentum auf GmbHs.
Zweitens: Das Geschäftsrisiko ist das entscheidende Kriterium für die Zinsrate. Den Bilanzen zufolge sind Schulbau und -sanierung bezüglich der Kosten riskanter sein als andere Bauvorhaben, und das drückt sich im höheren Zins aus. Ein höheres Kostenrisiko im Schulbau ist auch schlüssig mit noch erhaltenen Beteiligungsrechten des Landes und evtl. auch schulischer Gremien an der Planung und Umsetzung der Bauvorhaben erklärbar.
Fazit: Die Finanzierung des Schulbaus über den Schattenhaushalt einer landeseigenen Gesellschaft ist nicht nur mit der Verpfändung der betroffenen Schulen verbunden, sondern den Hamburger Erfahrungen zufolge auch erheblich teurer, da die aus dem vom Landeshaushalt zu zahlenden Kreditzinsen sehr viel weniger vom Spezifikum des Schulbaus abhängen würden als die eines damit befassten Unternehmens. Die Mehrbelastung durch höhere Zinsen ist zudem eine Privatisierung von Steuergeld, die zur Folge hat, dass weniger Schulen gebaut und saniert werden, als eigentlich möglich wäre.
Anmerkungen
[1] Jahresabschlussbericht des Sondervermögens Schulimmobilien Hamburg 2016: http://www.hamburg.de/contentblob/8856650/bd9568f91fffb3e6ed55cfb98362b869/data/jahresbaschluss-2016-sondervermoegen-schulimmobilien.pdf
[2] Pressemitteilung des Hamburge Senats vom 03.09.2012: http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3584652/2012-09-03-fb-hibb/
[3] http://www.hamburg.de/contentblob/3384800/7800c0bf20170fcb42e83e6cf21647e7/data/zahl-klassen-schueler-2011-12-ex.pdf
[4] http://www.hamburg.de/contentblob/5323720/97e5b9e0c5f28c7767347b5947f04ce5/data/2015-16-hamburger-schulstatistik.pdf
[5] http://www.hamburg.de/contentblob/3384800/7800c0bf20170fcb42e83e6cf21647e7/data/zahl-klassen-schueler-2011-12-ex.pdf
[6] http://www.hamburg.de/contentblob/5323720/97e5b9e0c5f28c7767347b5947f04ce5/data/2015-16-hamburger-schulstatistik.pdf
[7] Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft am 18.09.2012: „Im Vergleich der Kennzahlen zwischen den Schulstandorten (Benchmarking) und unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse jeder Schule werden mit Blick auf die bestehenden Haushaltsrestriktionen standortspezifische Optimierungspotenziale zu prüfen sein. Um im Einzelfall Miet- und damit Budgetentlastungen zu erreichen, müssen Dienstleister und Mieter alle Möglichkeiten von Flächenoptimierungen (Zielgröße Reduzierung um 10 % der Gesamtflächen unter Beibehaltung eines Flächenpuffervolumens von ca. 10 %) und der Senkung von Bewirtschaftungskosten ausschöpfen.“
[8] „Darüber hinaus wird mit einer sukzessiven Reduzierung der gesamten Schulflächen (um 10 %) kalkuliert, da sich im Rahmen der Schulentwicklungsplanung gezeigt hat, dass die Schulgebäude vielerorts über nicht unmittelbar benötigte Raumreserven verfügen, die über die Ansätze des Musterflächenprogramms hinausgehen.5) Beide Prämissen begründen jährlich sinkenden Ansätze für Bewirtschaftung. 5) Um die Zielgröße von 10 % zur Reduzierung zu erreichen, wird ein Standardverfahren zur Identifizierung von nicht benötigten Flächen entwickelt, das auf jede Schule anzuwenden sein wird.“
[9] Olaf Scholz 2010, https://www.gew-hamburg.de/themen/arbeitsbedingungen/schulbau-in-hamburg-schulabbau
[10] http://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/52632/das-musterfl%c3%a4chenprogramm-im-schulbau-und-seine-konsequenzen.pdf
[11] Der Landesbetrieb SBH Schulbau Hamburg macht im Jahresabschlussbericht für 2016 folgende Angaben: „Im Jahr 2016 sind insgesamt Schulflächen von rd. 22.288 m² wegen der Aufgabe von Schulnutzungen abgemietet worden (2015: 41.000 m²).“, http://www.hamburg.de/contentblob/8856680/90101ad35c1f5dc3d11bd8a2efa38ae3/data/jahresabschluss-2016-landesbetrieb-sbh-schulbau-schulbau-hamburg.pdf
[12] ebd.: „In den Masterplangesprächen wurden weder bei Gebäuden noch bei Freiflächen konkrete Flächen zu Vermietung oder Veräußerung benannt. Es wurden mögliche Optionen diskutiert, die in jedem Einzelfall erst in Zusammenhang mit einer im Rahmenplan zeitlich definierten Überplanung des Schulstandortes konkretisiert wurden oder werden. Freiflächen sind zudem keine relevanten Mietflächen im Rahmen des Vermieter-Mieter-Modells. Eine systematische Auswertung ist daher nicht möglich. Darüber hinaus existiert keine konkrete Zuordnung von Grundstücksfläche zu abgemieteter Gebäudefläche. Eine Teilung von Flurstücken erfolgt erst im Zusammenhang mitanstehender Vermarktung.“
[13] „Im Übrigen sieht der Senat zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartner in ständiger Praxis grundsätzlich davon ab, zu Kaufpreisen von einzelnen Grundstücken Stellung zu beziehen. Das Sondervermögen Schulimmobilien hat im Zeitraum 2012 bis 2015 Einzahlungen aus der Abgabe von Sachanlagevermögen in Höhe von insgesamt 23 Millionen Euro verbucht.“
[14] https://www.gew-hamburg.de/themen/arbeitsbedingungen/schulbau-in-hamburg-schulabbau
[15] http://www.buergerschaft-hh.de/ParlDok/dokument/52632/das-musterfl%c3%a4chenprogramm-im-schulbau-und-seine-konsequenzen.pdf
[16] http://www.hamburg.de/contentblob/7200348/5ce7896185662f61689c1f04c30ba393/data/geschaeftsbericht-2015.pdf
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