12.09.2012. Pressemitteilung von Attac Deutschland. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac begrüßt, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Eilentscheidung zu Fiskalpakt und ESM festgestellt hat, dass die demokratische haushaltspolitische Verantwortung des Parlaments zusätzlich gesichert werden muss. „Nach dieser Entscheidung darf es kein Weiter-so geben. Wir brauchen dringend echte demokratische Verfahren in der EU. Sonst wird jeder weitere Integrationsschritt allein dem weiteren neoliberalen Umbau Europas dienen“, sagte Peter Wahl vom Wissenschaftlichen Beirat von Attac .
„Europa hat nur eine Zukunft, wenn es die entgegengesetzte Richtung einschlägt. Nur ein demokratisches, soziales, und ökologische Europa ist ein legitimes Europa.“
Hinsichtlich des Fiskalpaktes zeigte sich Attac enttäuscht, dass das Gericht den Eilanträgen der Kläger von der Linkspartei und Mehr
Demokratie e.V. nicht stattgegeben hat. Die Begründung der Richter, das demokratische Budgetrecht der Parlamente werde nicht verletzt, sei nicht nachzuvollziehen. Dem Gericht zufolge bleibt die Entscheidung über die nationalen Haushalte auch im Falle eines hohen Defizits bei den nationalen Parlamenten, eine Genehmigungspflicht durch die EU-Kommission sehe der Vertrag nicht vor. „Wir befürchten, dass die Richter da nicht genau gelesen haben“, sagte Alexis Passadakis von der Attac-Projektgruppe Eurokrise. „Um Schlimmeres zu verhindern, ist es unabdingbar, dass das Gericht diese verfassungskonforme Auslegung des Fiskalpaktvertrages im Hauptsacheverfahren festschreibt. Denn wenn ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium in die Haushaltshoheit der Parlamente eingreifen kann, ist das ein Rückfall in vordemokratische Zeiten.“
Positiv wertete Attac, dass das Gericht den ESM nur unter Auflagen akzeptiert und die Macht der EU-Exekutive eingeschränkt hat. Danach ist eine Ratifikation des ESM-Vertrages nur zulässig, wenn völkerrechtlich sichergestellt ist, dass Deutschlands Kapitalanteil am Rettungsschirm auf 190 Milliarden Euro begrenzt bleibt. Zudem müsse gewährleistet sein, dass trotz der Schweigepflicht aller für den ESM tätigen Personen Bundestag und Bundesrat umfassend informiert würden. „Wir begrüßen, dass die Richter der Allmacht eines Geheimgremiums der Exekutive einen Riegel vorgeschoben haben. Die Gefahren für die Demokratie wurden dabei aber
nicht ausreichend abgewogen“, kritisierte Peter Wahl.
Nicht zu rechtfertigen ist nach Ansicht von Attac auch die Ankündigung der Europäischen Zentralbank, nur Staatsanleihen von Staaten
aufzukaufen, die sich der Austeritätspolitik von Fiskalpakt und ESM unterwerfen. „Fiskalpakt und ESM dienen vor allem dazu, die Kosten der Krise weiter nach unten abzuwälzen“, sagte Alexis Passadakis.“Inzwischen dürfte sich indes herumgesprochen haben, dass rigide Kürzungen die Krise verschärfen und nicht beseitigen.“
Überwinden lasse sich die Krise nur, wenn die großen Privatvermögen in allen EU-Ländern umfassend beteiligt werden. Attac hat daher kürzlich ein Konzept für eine europaweite Vermögensabgabe vorgelegt (http://kurzlink.de/Papier_Umverteilen). Zusammen mit Verdi und dem Paritätischen Gesamtverband gehört das globalisierungskritische Netzwerk zudem zu den Initiatoren des Bündnisses „Umfairteilen – Reichtum besteuern“, das zu einem bundesweiten Aktionstag am 29. September mobilisiert.
Für Rückfragen und Interviews:
* Peter Wahl, Wissenschaftlicher Beirat von Attac, Tel. (030) 2758 2616
* Alexis Passadakis, Attac-Projektgruppe Eurokrise, Tel. (0170) 268 4445