Pressemitteilung von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e. V.
Berlin, den 30.01.2020: Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) kritisiert die Änderungen am Mietendeckel, die am Gesetzentwurf für den Mietendeckel Berlin in letzter Minute vorgenommen wurden. Der Mietendeckel steht heute im Abgeordnetenhaus zur Verabschiedung auf der Tagesordnung. Die Regierungsparteien entwickelten den Mietendeckel auf Druck von Basisinitiativen, die noch wesentlich weitergehende Forderungen erhoben hatten wie die Enteignung großer Wohnungskonzerne. Das Land Berlin erlässt ein Verbot für Wuchermieten, aber die MieterInnen müssen nach der neuen Regel eine Minderung selbst einklagen.
Das kommentiert Dorothea Härlin, Vorstand von GiB, wie folgt:
„MieterInnen in Millionen Berliner Wohnungen haben ihre Hoffnung auf den Mietendeckel gesetzt. Es ist ein Erfolg der MieterInnenbewegung, dass der Mietendeckel nun beschlossen werden soll. Was Rot-Rot-Grün allerdings mit dem Entwurf noch in letzter Minute angerichtet hat, ist schlimm. Jede/r soll für sich alleine vor Gericht gehen müssen! Die meisten Menschen werden sich so eine Klage nicht leisten können. Das ist ein Skandal, für den sich die Parteispitzen noch verantworten müssen, an vorderster Stelle die SPD.“
GiB kritisiert weiterhin, dass der Neubau ausgenommen wurde. Neubau ist einer der wichtigsten Mietpreistreiber. Auch die Ausnahmen für Zuschläge von einem Euro pro Quadratmeter für moderne Ausstattung wie eine Einbauküche oder hochwertigen Bodenbelag oder für die Lage schwächen den Gesetzentwurf und sind unsozial.
Dazu Clara Stattegger-Sievers, mietenpolitische Sprecherin bei GiB:
„Das ganze Gerangel zeigt: Die Parteispitzen von SPD, Linken und Grünen in Berlin lieben den Mietendeckel nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die erheblichen Schwächen des Berliner Mietendeckels zeitnah abgestellt werden. Andere Bundesländer sollten ihre Mietendeckel von vornherein ehrlich ausgestalten.“
Unbesehen der Mängel am Mietendeckel möchte GiB MieterInnen ermutigen, amtliche Bescheide zu beantragen. Eine kurze Einschätzung von GiB zur Frage ist unten angefügt. Mit einem behördlichen Bescheid entfällt das Prozesskostenrisiko für die MieterInnen. Wenn sich herausstellt, dass die Behörden Bescheide verweigern, wäre das politisch ein so großer Skandal, dass Änderungen am Gesetz bewirkt werden könnten.
Pressekontakt: Carl Waßmuth
GiB hat zum Thema Wohnen eine 80-seitige Publikation herausgegeben. Das Heft „Mietenexplosion vs. Daseinsvorsorge“ entstand in Kooperation mit der Redaktion Lunapark21 und ist bundesweit in Kiosken erhältlich. JournalistInnen und andere InteressentInnen können das Heft auf Anfrage kostenfrei über GiB beziehen.
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Einschätzung von GiB zu „Änderungen in letzter Minute“ am Mietendeckel-Gesetzentwurf
Die Verwaltungsverfahren, die bislang vorgesehen waren, sind jetzt nur noch Kann-Vorschriften. Das bedeutet, dass die Bezirksämter oder die Senatsverwaltung zur Durchsetzung der Verbote einer überhöhten Miete tätig werden können, es aber nicht müssen. Auch auf Antrag der MieterInnen haben diese keinen Anspruch darauf, dass die Behörde ihnen die für ihn anwendbare Höchstmiete mitteilt oder verbindlich gegenüber dem Vermieter feststellt.
Wenn seitens der Behörden danach keine Feststellung der preisrechtlich zulässigen Miete auf Antrag der MieterInnen erfolgt, wird den MieterInnen das volle Prozessrisiko überantwortet. Die MieterInnen selbst müssten also in den Zivilprozess eintreten mit der Behauptung, die zulässige Miete betrage x Euro. Sie müssen negative Feststellungsklage erheben, dass die Miete nicht höher ist oder Rückzahlungsklage auf die zu viel gezahlte Miete. Der Streitwert kann dabei das 42fache der Monatsdifferenz betragen und somit sehr teuer werden.
Nach Auffassung von Gemeingut in BürgerInnenhand erlaubt auch die neue Fassung des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung, dass das Bezirksamt oder die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Amts wegen oder auf Antrag des Mieters die zulässige Miethöhe für einzelnen Wohnraum feststellt.
MieterInnen sollten diesen Schritt gehen und einen Antrag auf Feststellung der zulässigen Miethöhe für ihre jeweilige Mietwohnung stellen. Wenn ein Bescheid vorliegt, der die zulässige Miete feststellt, ist es wichtig, dass die Behörden diesen auch der VermieterIn bekanntgeben. Dann müsste sich die VermieterIn gegen den Bescheid vor dem Verwaltungsgericht wehren. Die MieterInnen wären hier keine Partei und trügen, sofern sie nicht als Beigeladene einen Antrag stellen, kein Kostenrisiko.