Seit die ARD-Reportage „Ausgeliefert – Leiharbeit bei Amazon“ (youtube-Link) ausgestrahlt wurde, ist eine Debatte um die Arbeitsbedingungen der Zeitarbeiter entflammt. Der ARD-Beitrag zeigt, wie bei Amazon LeiharbeiterInnen systematisch mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt werden, damit sie dort unter miserablen Bedingungen zu Niedrigstlöhnen arbeiten. Diese Angelegenheit ist tragisch genug, schnell vergisst man dabei aber, dass Amazon nur das neueste Beispiel eines inhumanen Umgangs mit LeiharbeiterInnen, aber eben kein Novum ist. So gehört es zum Schicksal nahezu aller LeiharbeiterInnen mit schlechten Arbeitsbedingungen und Ausbeutung konfrontiert zu werden. Die Art wie hier mit Arbeitskräften umgegangen wird, ist zudem eine Verfahrensweise, die mindestens im Sektor der öffentlichen Daseinsvorsorge durch eine Entscheidung gegen Privatisierungen vermieden werden kann.
So war die Leiharbeit und ihre Umstände Themen auf der bundesweiten ArbeitnehmerInnenkonferenz, die am 26. Januar in Berlin stattfand. Volker Prasuhn von der SPD-Arbeitsgemeinschaft AfA berichtete dort von ähnlich schlechten Arbeitsbedingungen mitten in Berlin: zum Beispiel im landeseigenen Callcenter, das für die Telefonauskunft der Berliner Verwaltung zuständig ist. Jeder Zehnte wird dort als LeiharbeiterIn beschäftigt und erhält 50% weniger Lohn als die fest angestellten MitarbeiterInnen, welche die gleichen Arbeiten erledigen. Unter ähnlichen Umständen arbeitet auch der Überwachungsdienst direkt im Berliner Abgeordnetenhaus, wie Rolf Wiegand aus dem ver.di-Landesvorstand erläutert: die Überwachungskräfte bekämen weniger als acht Euro in der Stunde, selbst diese geringen Löhne würden von den Firmen aber mitunter auch erst mit zwei- bis dreimonatiger Verspätung ausgezahlt.
Beide Fälle haben eine äußerst skurrile Ausschreibungspraxis gemein: Alle drei Jahre wird die Leiharbeit neu vergeben, die LeiharbeiterInnen selbst verbleiben dabei allerdings an ihrem Arbeitsort, mithin wechselt lediglich der Betreiber. Es kann also stets auf ein eingespieltes Team aus erfahrenen Arbeitskräften zurückgegriffen werden, der dreijährige Betreiberwechsel gibt aber den jeweiligen Firmen regelmäßig die Möglichkeit die Löhne noch weiter zu kürzen. Auch bei der Charité, dem größten Universitätsklinikum Deutschlands, waren nach der Privatisierung der nicht medizinischen Dienstleistungen ähnliche Folgen erkennbar: die hierfür neu gegründete sogenannte Charité Facility Management GmbH (CFM) agiert mit einem hohen Anteil an Leiharbeitern und drückt im großen Stil die Löhne ihrer MitarbeiterInnen (siehe hierzu auch den Beitrag von GiB-Mitglied Jürgen Schutte).
Das alles geschieht unter Duldung einer SPD-geführten Landesregierung, von der jüngst noch einige der führenden SPD-PolitikerInnen in Berlin, unter anderem der regierende Bürgermeister Wowereit, verkündeten: „Gerade in Zeiten der knapper werdenden Kassen wenden wir uns gegen Public-Private-Partnerships als Mittel der Haushaltskonsolidierung. Bei diesen Kooperationsmodellen der öffentlichen Hand mit Privatunternehmen werden Risiken und Chancen oft verwischt und zu oft Arbeitnehmerinteressen unterlaufen. […] Wir sehen die Flucht ins Privatrecht, also die Erbringung staatlicher Leistungen in privaten Rechtsformen, kritisch und werden sie dort, wo sie schädlich wirkt, Schritt für Schritt zurückführen.“ Angesichts der prekären Verhältnisse, die durch Privatisierungen in Berlin bereits erzeugt wurden, sollte man vom Roten Rathaus erwarten dürfen, dass es seine Worte bald auch in Taten umsetzt.
Grundanliegen der ArbeitnehmerInnenkonferenz war darüber hinaus die Behandlung der Frage, wie man sich besser vernetzen könne, um mehr Schlagkraft im Kampf für eine gerechte Behandlung von ArbeitnehmerInnen zu entwickeln. Ein wichtiger nächster Schritt könnte auf der europäischen Arbeitnehmerkonferenz in Tarragona (Spanien) gemacht werden, wo eine Intensivierung der Zusammenarbeit europäischer ArbeitnehmerInnenorganisationen angestrebt werden soll. Damit könnten auch die LeiharbeiterInnen von Amazon, die vor allem aus dem europäischen Ausland angeworben werden, besser unterstützt werden.
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