von Carl Waßmuth
Hier geht es zum Download der Studie
Inhalt
- Aufgabenstellung
- Personalpolitische Ausrichtung der Berliner Schulbauoffensive (BSO)
- Konkrete Auswirkungen auf Beschäftigte in Berlin und Brandenburg
- Alternative Personalpolitik
- Fazit
Diese Veröffentlichung wurde gefördert durch die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt.
1. Aufgabenstellung
Der Senat plant, Teile des Berliner Schulbaus (Sanierung und Neubau) von der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE mbH erbringen zu lassen[1]. Die HOWOGE soll dabei Investitionen durch eigene Kredite finanzieren. Die Investitionen durch die HOWOGE soll bis zu 1,7 Mrd. Euro betragen. Gleichzeitig werden der HOWOGE die Grundstücke für die zu sanierenden bzw. neuzubauenden Schulen per Erbpacht für 37 Jahre übertragen werden. Die Schulen gehen in das Eigentum der HOWOGE über, die Bezirke mieten die Schulen zurück. Diese Regelung soll dazu dienen, der HOWOGE zu ermöglichen, die Kredite durch die Mietverträge zu besichern. Die Bezirke leisten eine Zahlungsgarantie gegenüber den kreditgebenden Banken und verzichten gleichzeitig auf ihr Recht, die Zahlung bei Mängeln zu kürzen. Die Mieten werden somit verpfändet. Der bauliche Unterhalt geht für die Zeit der Gewährleistung an die HOWOGE, um dann an die Bezirke (zurück-)übertragen zu werden. Angebliches Ziel der komplexen und riskanten Konstruktion ist es, legal die Schuldenbremse zu umgehen.
„Die Auslagerung der Schuldenaufnahme auf eine externe privat-rechtlich organisierte GmbH wurde gleichwohl auf dem Parteitag schwer diskutiert. Die [Berliner] DGB-Vorsitzende Zinke kommentierte die Idee: »Das ist ganz schön schlau.«“[2]
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg begrüßte also die Senatspläne:
„Der DGB begrüßt die Initiative des Senats, unter schwierigen Rahmenbedingungen für genügend Schulen zu sorgen und dafür in der Umsetzung auch neue Wege zu gehen. Dabei dürfen aus Sicht des DGB Qualität, Beteiligung und Transparenz nicht leiden – und das enorme Investitionsvolumen muss für eine Initiative für gute Arbeit in Bau und Handwerk genutzt werden. Die bisherigen Gespräche mit dem Berliner Senat stimmen uns zuversichtlich, dass wir mit unseren Anforderungen im weiteren Verfahren durchdringen können. Die für die finanzpolitischen Aspekte des Gesamtvorhabens wichtige Schuldenbremse sehen wir nach wie vor kritisch und treten für eine Novellierung ein.“[3]
Welche Anforderungen das genau sind, blieb offen. Der Kern des Vorhabens mit der Auslagerung ins Privatrecht wurde vom DGB bisher nicht kritisiert, Änderungen am Konzept durch Gespräche mit dem DGB sind nicht bekannt.
Ob die Berliner Schulbauoffensive (BSO) aus Beschäftigtensicht tatsächlich schlau ist oder doch viele Nachteile und Risiken birgt, soll nachfolgend qualitativ untersucht werden. Dazu soll zunächst betrachtet werden, welches personalpolitische Konzept hinter der Konstruktion steht. In einem zweiten Schritt sollen die wahrscheinlichen Auswirkungen auf verschiedene Beschäftigtengruppen aufgezeigt werden. In einem dritten Schritt werden die naheliegenden Alternativen skizziert.
In der vorliegenden Kurzstudie wird an vielen Stellen auf die Ergebnisse der Stellungnahme der Volksinitiative „Unsere Schulen“ für die Anhörung am 7. November 2018 im Hauptausschuss und Bildungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zurückgegriffen.[4]
2. Personalpolitische Ausrichtung der Berliner Schulbauoffensive (BSO)
2.1. Langjähriger Personalabbau
In der wichtigen Frage, warum im Einzelnen der Berliner Schulbau in den vergangenen Jahrzehnten so vernachlässigt worden ist, folgt der Berliner Senat (zumindest in der öffentlichen Darstellung) einem Fehlschluss. Es wird seitens des Senats und auch seitens der Führung der Regierungsparteien der Eindruck erweckt, die Bezirke, die bisher die Schulen gebaut und saniert haben, seien dazu grundsätzlich nicht mehr oder nur teilweise imstande. Dazu heißt es im aktuellen Senatsbeschluss:
„Die Neustrukturierung der Aufgaben trägt dazu bei, dass die Bezirke als Schulträger künftig entlastet werden. […] Schulsanierungen mit einem Volumen zwischen 5,5 Mio. und 10 Mio. Euro können die Bezirke mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen umsetzen. Die Bauämter der Bezirke verfügen dadurch über freiwerdende Planungs- und Baukapazitäten, die für Sanierungsvorhaben bis 5,5 Mio. Euro und den baulichen Unterhalt eingesetzt werden können.“[5]
Die Entlastung der Bezirke und die dadurch freiwerdenden Planungs- und Baukapazitäten würden es also (erst) erlauben, dass die Bezirke kleine Sanierungsvorhaben sowie den baulichen Unterhalt leisten können. Wichtigste Ursache der Fehlentwicklungen im Berliner Schulbau ist jedoch nicht ein strukturelles Unvermögen der Bezirke, zu bauen oder ausreichend Personal vorzuhalten, sondern die fast zwei Jahrzehnte andauernde Unterfinanzierung aller Bezirke im Bereich der Schulgebäude durch das Land Berlin. Wie erheblich diese Unterfinanzierung war, zeigt die Anhebung der Mittel für die Bezirke für den baulichen Unterhalt im Jahr 2016 von 60 auf 154 Millionen Euro – eine Steigerung um 250 Prozent.[6] Mit den neuen Mitteln sollen die Schulgebäude nun so unterhalten werden, dass sie eine Lebensdauer von 75 Jahren haben. Zuvor hatte man (implizit) eine Lebensdauer von 200 Jahren unterstellt. Die Folge der langjährigen Unterfinanzierung der Bezirke war neben dem buchstäblichen Verfall der Schulen ein erheblicher Personalabbau. Auch wenn der Personalabbau häufig überproportional ausfiel, war ein gewisser Personalabbau bei der erheblichen finanziellen Unterausstattung unausweichlich. Über wenige Jahre ist es eventuell möglich, Personal vorzuhalten für den Fall, dass die Mittel für den baulichen Unterhalt wieder angehoben werden, 20 Jahre lang kann das nicht geleistet werden. Wenn nun also seitens des Senats festgestellt wird, dass die Bezirke 2016 personell eine Leistungsfähigkeit von Vergaben für Bauleistungen im Bereich Schulbau von aktuell nur etwa 60 Mio. Euro pro Jahr hatten, so ist das exakt das, was seitens des Senats über 20 Jahre hinweg generiert wurde.
Berlin hat mittlerweile Steuerüberschüsse, obwohl gleichzeitig noch mehr Schulden getilgt werden als im Koalitionsvertrag vereinbart. An die Stelle von Finanzierungsproblemen ist ein durch Personalmangel hervorgerufenes Mittelabfluss-Problem getreten. Schon über 3 Mrd. Euro an Haushaltsüberschüssen sind in den 2014 geschaffenen öffentlichen Investitionsfonds SIWANA (vormals SIWA) eingegangen, aber erst gut 600 Mio. Euro sind für dringend benötigte Investitionen abgeflossen. Mittlerweile beläuft sich das städtische SIWANA-Vermögen auf ca. 2,7 Mrd. Euro.
2.2. Keine Bereitschaft zum Personalaufbau
Bereits zu Beginn der Amtszeit von Rot-Rot-Grün in Berlin wurde die Summe von 5,5 Milliarden Euro bis 2026 als Ziel für den Schulbau genannt, 550 Mio. Euro pro Jahr. Gleichzeitig war bekannt, dass 2016 nur 162,2 Mio. Euro im Schulbau verbaut wurden[7], in den Jahren davor war es noch weniger gewesen. Es war also offensichtlich, dass schnell viel Personal aufgebaut werden muss, um die Steigerung auf ein durchschnittlich 340 Prozent höheres Niveau leisten zu können. Dieser Personalaufbau hätte selbst dann erfolgen können und müssen, wenn für einen späteren Zeitpunkt die Hinzunahme der HOWOGE vorgesehen war, und dies aus zwei Gründen:
- Zum einen war bekannt, dass die Etablierung der Strukturen zur Einbindung der HOWOGE wenigstens zwei Jahre in Anspruch nehmen wird. Das bekannte Finanzsenator Dr. Kollatz in einer Anhörung im Hauptausschuss am 7.11.2018:
„Ich habe damals gesagt und bin auch in Pressekonferenzen danach gefragt worden: Wir werden etwa zwei Jahre brauchen, um die neuen Strukturen hinzustellen.“[8]
Auch in diesen beiden Jahren bestand die Anforderung, 550 Mio. Euro pro Jahr in den Schulbau zu investieren. Tatsächlich sind auch Ende 2018 die Strukturen zur Einbindung der HOWOGE noch nicht abschließend etabliert, der Rahmenvertrag noch nicht unterzeichnet, die Erbpachtverträge und die Mietverträge liegen noch nicht einmal im Entwurf vor. So wurden die Jahre 2017 und 2018 verloren, das Ziel verfehlt, um das das Wachstum in Sachen Schulbau-Output relevant zu beschleunigen.
- Zum zweiten soll der Anteil der HOWOGE mit 1,5 bis 1,7 Mrd. Euro an den 5,5 Mrd. Euro betragen, für 3,8 bis 4,0 Mrd. Euro (und somit für 380 bis 400 Mio. Euro pro Jahr) sind die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und die Bezirke verantwortlich. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen soll sogar die zeitlich dringenderen Grundschulneubauten übernehmen, muss also deutlich vor 2026 ihr Geld verausgabt, ihre Schulen errichtet haben. Umso unverständlicher ist es, dass dennoch keine Einstellungsoffensive erfolgte.
Wie eine Einstellungsoffensive aussehen kann, zeigt gerade die Berliner Polizei: Dort werden seit dem 1.12.2018 über 600 Stellen ausgeschrieben: 312 Anwärter/innen für den mittleren Dienst der Schutzpolizei, darunter auch Lebensältere (30-39 Jahre), für den gehobenen Dienst der Schutz- und Kriminalpolizei 210 Schutz- bzw. ca. 90 Kriminalpolizei-Anwärter/innen.[9]
Andre Städte machen vor, wie man die öffentliche Verwaltung schnell aufbauen kann. Braunschweig stellte 2016 insgesamt 45 MitarbeiterInnen in der Bauverwaltung ein, das war eine Erhöhung des betreffenden Bereichs um 35 Prozent.
In Frankfurt am Main bestand eine mit Berlin vergleichbare Situation: Es war Geld da, aber zu wenig Personal, um damit die nötigen Investitionen zu tätigen. Das Personal wurde daraufhin massiv aufgestockt. Dazu wurde sogar eigens ein Amt für Bau und Immobilien (ABI) eingerichtet.
„Bei der Suche nach guten Leuten, etwa Bauingenieuren für das neue Amt für Bau und Immobilien, konkurriere die Stadt nicht nur mit anderen Verwaltungen, sondern auch mit Unternehmen. „Attraktivität kostet“, sagte Bürgermeister und Kämmerer Uwe Becker (CDU). Er sprach aber von einem fairen Angebot an die Beschäftigten, das die Stadt wirtschaftlich nicht überfordere. Der Magistrat hat sich zudem auf eine weitere Ausweitung des Stellenplans verständigt. Die Eckpunkte für den Haushalt 2019 sehen 210 neue Stellen vor. Angesichts der steigenden Herausforderungen der wachsenden Stadt sei dieser Anstieg nötig, sagte Majer. Schon in den Jahren 2016, 2017, 2018 habe die Stadt zusammen 800 neue Stellen geschaffen. Rechne man die nun geplanten hinzu, habe die Stadt, wie vom Gesamtpersonalrat gefordert, 1000 neue Stellen in der Verwaltung auf den Weg gebracht.“[10]
Auf ein vergleichbares Vorgehen wurde in Berlin bisher verzichtet.
2.3. Fokussierung auf AbsolventInnen
Ein erheblicher Anteil der erforderlichen baulichen Maßnahmen im Berliner Schulbau betrifft den Bestand. Erfolgreiches Bauen im Bestand setzt jedoch bei den Beteiligten Berufserfahrung voraus. In den kommenden Jahren gehen zahlreiche erfahrene MitarbeiterInnen in den Bezirksämtern und beim Land Berlin in den Ruhestand. Diese Fachkräfte können nicht durch Berufsanfänger ersetzt werden. Auch der zusätzliche Bedarf insbesondere an ArchitektInnen und IngenieurInnen mit Erfahrung im Schulbau und/oder im Bestandsbau kann nicht durch AbsolventInnen gedeckt werden. Nichts desto trotz grenzt das Land Berlin die in Frage kommenden BewerberInnen erheblich ein:
„Auf die Frage, warum die Senatsverwaltung [für Stadtentwicklung und Wohnen] nicht im Deutschen Architektenblatt für gutes Personal deutschlandweit werben würde (Auflage ca. 130.000 Stück, Vergleich dazu die Fachzeitschrift „Bauwelt“ ca. 12.000 Stück), konstatiert [Abteilungsleiter] Herr Pohlmann, er hätte genügend Bewerbungen, aber kein Personal, das er für die Einarbeitung von Neueinstellungen bereitstellen kann. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass er am liebsten junges und unerfahrenes Personal einstellt, weil sie „formbarer“ seien.“[11]
Im Ergebnis dauert das Einstellungsverfahren deutlich länger und bleibt in Teilen sogar erfolglos, da gleichzeitig der Markt für Fachpersonal am Bau nur wenige freie Kapazitäten anbietet.
2.4. Fehlende Aus- und Weiterbildungsoffensive
Die Schulbauoffensive hat das Manko, dass (auf einmal) alles sehr schnell gehen soll. Daher werden keine eigenen Ausbildungsplätze geschaffen. Eine Ausbildungsoffensive fehlt, dabei kann nur Ausbildung den Fachkräftemangel beheben. Bei allen anderen Maßnahmen nehmen sich nur die jeweiligen Akteure die Fachkräfte weg: das Land den Bezirken, die HOWOGE Land und Bezirken, die Bauindustrie allen.
Auch weiterbildung könnte sehr helfen. Im Bau lag lange Zeit eher Flaute vor, viele Ingenieure und Architekten im öffentlichen Dienst arbeiten daher teilweise im kaufmännischen Bereich. Diese Fachkräfte könnten (bei entsprechender Anreizsetzung) durch Weiterbildung zurück in den Ingenieurdienst wechseln. Ihre vormalige Tätigkeit wird dann durch Verwaltungsfachleute oder Kaufleute erfüllt, die keinem Mangelberuf entstammen und somit leichter eingestellt werden können.
2.5. Benachteiligung der Beschäftigten in den Bezirken
Im Verhältnis der Bezirke zum Land Berlin gibt es ein teilweise massives Gehaltsgefälle. Grund dafür sind unterschiedliche Tarifverträge (TVÖD respektive TVL) sowie Unterschiede in der Stelleneinschätzung. Das führt dazu, dass für gleiche oder vergleichbare Arbeit in den Bezirken fast durchgängig wesentlich weniger bezahlt wird, teilweise betragen die Gehaltsabschläge bis zu 30 Prozent. So beträgt die Regel-Einstufung bei den Bezirken E11 , auf Landesebene hingegen E13 oder E14. Der Unterschied ist sachlich im Schulbau nicht zu rechtfertigen, was schon daran ersichtlich ist, dass es sowohl Schulen geben wird, die weiter von den Bezirken betreut werden als auch solche, die das Land oder sogar die HOWOGE übernehmen.
2.6. Privatisierung des baulichen Unterhalts
Der bauliche Unterhalt geht für die Zeit der Gewährleistung der Schulneubauten und der Schulsanierungen (in der Regel fünf Jahre ab Abnahme der Bauleistung) an die HOWOGE, um dann an die Bezirke (zurück-)übertragen zu werden. Damit wird dieser Bereich voll privatisiert, inklusive aller dort vorhandenen Stellen. Denn für fünf Jahre baut die HOWOGE keinen eigenen Bereich auf, sie wird stattdessen Privatfirmen beauftragen. Solche Dienstleister sind schon von Flughäfen und teilweise anderen größeren Gebäudekomplexen bekannt. Die auf dem Markt aktiven Anbieter sind zumeist Ausgründungen der großen Baufirmen, die damit ihren Dienstleistungssektor vergrößert haben. Diese Firmen sind somit Tochterfirmen der Gruppe der Großfirmen, die als Generalunternehmer mit den Bauaufgaben betreut sind.
Die Bezirke verlieren imZuge der Abgabe an die HOWOGE und durch die Auslagerung an weitere Dritte ihr Knowhow und müssen nach fünf Jahren den baulichen Unterhalt (wieder oder erstmals) übernehmen, ohne dazu noch wirklich imstande zu sein. Die Bezirke kennen die Gebäude nicht (mehr). Sie werden die privaten Vertragspartner der HOWOGE also übernehmen – fertig ist die dauerhafte Privatisierung des baulichen Unterhalts der betroffenen Schulen.
2.7. Fokussierung auf Generalunternehmer, -übernehmer und –planer
Die BSO in ihrer vorgeschlagenen Form (Einbindung der HOWOGE) setzt auf Generalunternehmer, -übernehmer und –planer. Die HOWOGE selbst will kaum Personal aufbauen, sondern nur die Vergabe in großen Losen organisieren, das bedeutet mehrere Schulen im Paket. Die Teilnahmebedingungen stellen gleichzeitig extrem hohe Hürden dar. Dazu Frau Dr. Manja Schreiner, Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg in der Berliner Morgenpost:
„Ein echtes Problem, so die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes, der rund 900 kleine und mittelständische Handwerksbetriebe in Region, vertritt, seien die Anforderungen, die in den jüngsten öffentlichen Ausschreibungen aufgestellt wurden. So mussten Firmen, die sich auf eines der Lose zum Neubau einer Flüchtlingsunterkunft bewarben, nachweisen, dass sie in den vergangenen drei Jahren im Durchschnitt einen Mindestumsatz von 65 Millionen Euro jährlich erwirtschaftet haben. „Diese Bedingung schließt nahezu den gesamten regionalen Mittelstand aus, obwohl er selbstredend in der Lage wäre, solch ein Projekt zu stemmen“, sagte Schreiner. Bauunternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern würden üblicherweise grob gerechnet einen Umsatz von 20 bis 25 Millionen Euro im Jahr erwirtschaften. Tatsächlich wird das Berliner Bauhauptgewerbe von eher kleinen Betrieben domminiert. Nach aktuellen Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg haben 88,9 Prozent aller Betriebe weniger als 20 Mitarbeiter. Im gesamten Jahr 2017 erwirtschafteten die Berliner Betriebe mit ihren insgesamt knapp 23.000 Mitarbeitern rund 3,5 Milliarden Euro. Damit beträgt der Jahresumsatz der Berliner Betriebe im Schnitt lediglich 1,6 Millionen Euro.“[12]
Die HOWOGE hatte zum 31.12.2017 insgesamt 676 MitarbeiterInnen. Zum 1.1.2018 kam die KRAMER + KRAMER Bau- und Projektmanagement GmbH Berlin mit zwölf MitarbeiterInnen und einem Geschäftsführer zum HOWOGE-Konzern dazu, damit erhöhte sich die Gesamtzahl der Beschäftigten auf 688 MitarbeiterInnen. Zur Entwicklung der neuen Geschäftstätigkeit im Bereich Schule schreibt die HOWOGE im Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2017:
„Nach aktuellem Stand werden die Organisation und Prozesse so gestaltet, dass die HOWOGE jährlich bis zu zwei Schulsanierungen sowie bis zu zwei Neubauten umsetzen kann.“ [13]
Im April wurde angekündigt, dieses Bauvolumen mit nur insgesamt 18 Beschäftigte im neuen Bereich umzusetzen:
„Ab 2020 soll es mit den ersten Oberschulen losgehen, die von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE errichtet werden. ‚Wir sehen unsere Aufgabe darin, als Dienstleister des Landes die Schulbau-Kapazitäten der Senatsverwaltung zu verdoppeln‘, so Stefanie Frensch. ‚Derzeit sind sieben Mitarbeiter im Schulbau-Team, später sollen es 18 Fachleute sein, die die externen Planer und Architekten beauftragen und steuern.‘“ [14]
Mit 18 Fachleuten kann man die Schulbau-Kapazitäten der Senatsverwaltung nicht verdoppeln. Immerhin geht es auch dort weiterhin um ein Bauvolumen von ca. 230 bis 250 Millionen Euro pro Jahr. Für so ein Volumen benötigt man mehrere hundert, wenn nicht über tausend Vollzeitäquivalente pro Jahr. Das lässt sich am Beispiel der Planung gut aufzeigen: Eine gängige Abschätzung für die Planungskosten eines Bauvorhabens ist der Ansatz von 15 Prozent der geschätzten Bausumme. Bei einem mittleren Jahresgehalt (AG-Brutto) von 60.000 Euro ergeben sich damit allein 575 Stellen. Dazu kommen die Stellen für die Baugenehmigung, die Bauüberwachung sowie für die Verfolgung der Mängelrügen.
Frau Dr. Manja Schreiner, Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg, wies in einer parlamentarischen Anhörung im Mai 2018 zum Thema Schulsanierung und Schulneubau im Berliner Abgeordnetenhaus darauf hin, dass Generalunternehmer und Generalplaner personelle Probleme in der Verwaltung nicht lösen, dafür aber neue schaffen:
„Was ist die Motivation, einen Generalunternehmer, Generalplaner zu beauftragen? – Das ist natürlich eine vermeintlich politisch gute, schnelle Lösung. […] Was ist die Ursache, warum Sie es auslagern wollen? –[…] Die Personalkompetenz im Hochbaubereich ist hier ganz konkret nicht da, weil es einfach zu knapp ist. Deswegen braucht man schnellere Lösungen, als sie die Verwaltung schaffen kann, auch mit entsprechenden Vorgaben, die sie hat. Deswegen ist der Trick, einmal in die HOWOGE. Die ist in der Lage, schneller aufzubauen, was den Personalstamm angeht, auch wenn sie im Schulbau per se nicht erfahren ist, aber das ist grundsätzlicherweise erst mal der Link gewesen. […] Bei einem Generalunternehmer muss man sich fragen, was der denn besser kann als die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Er übernimmt erst mal diese Kompetenz, die die Verwaltung nicht hat, aber ich sage von der These her: Wenn in der Verwaltung keine Kompetenz ist, die Vergabe selbst zu machen, ist in der Verwaltung auch keine Kompetenz, den Generalunternehmer entsprechend zu überwachen, denn das ist auch notwendig. Wenn Sie nicht genügend Bauingenieure haben, die es selbst können, dann ist es schwierig, auch diese Kontrollfunktion auszuüben, aber die Kontrolle müssen Sie natürlich eigentlich trotzdem weiterhin ausfüllen. Das ist diese Schwierigkeit, die sich an dem Thema Personalknappheit aufhängt.“[15]
Es wird ersichtlich, dass Generalunternehmer, -übernehmer und –planer in großen Losen (mehrere Schulen pro Los) die Position der öffentlichen Hand dauerhaft schwächen. Gleichzeitig entfallen die Stellen bei der öffentlichen Hand und auch das vormals dort vorhandene Knowhow geht verloren.
2.8. Hohe Baukosten üben Druck auf Personalkosten und Personal aus
Am 5. November 2018 deckte GiB auf, dass die Senatsverwaltung für Finanzen die Kostenprognosen für die HOWOGE-Schulen deutlich heraufgesetzt hatte – nur ein halbes Jahr, nachdem diese Kosten (auch damals schon sehr hoch) als „schulscharf“ der Öffentlichkeit präsentiert worden waren. Drei Beispiele für die nun sehr hohen Kostenprognosen:
- Fuchsbau-Schule in Mahlsdorf: 34,8 Mio. Euro für 550 Schulplätze bedeuten beim anvisierten Flächenschlüssel von 12 qm pro SchülerIn Baukosten von ca. 5.250 Euro pro Quadratmeter.
- Neubau ISS; Pankstraße in Pankow: 50 Mio. Euro für 550 Schulplätze bedeuten beim anvisierten Flächenschlüssel von 12 qm pro SchülerIn Baukosten von ca. 6.944 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Im bundesweiten Durchschnitt betragen die Kosten für einen Schulbau pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche 1.640 Euro.
- Die Kosten sind auch pro Schulplatz sehr hoch, siehe Neubau Oderstr. 80,1 Mio. Euro für 982 SchülerInnen macht 81.466 Euro pro Schulplatz Zum Vergleich: Im bundesweiten Durchschnitt betragen die Kosten pro Schulplatz 16.990 Euro.
Bei den Sanierungen verdoppelten sich die Kosten in den Prognosen im Durchschnitt. Die zu hoch veranschlagten Kosten reicht die HOWOGE dann über die Mietverträge an die Bezirke durch. Diese müssen in der Folge mit exorbitanten Monatsmieten rechnen. Allein Baukosten und Zinsen verursachen teilweise über 25 Euro Monatsmiete pro qm. Zusammen mit den weiteren Nebenkosten für Betriebskosten, Erbbauzins, baulichen Unterhalt während der Gewährleistungsphase, Verwaltung, Asset-Management und Projektentwicklung steigt die Miete in vielen Schulen sogar über 30 Euro pro qm. In Hamburg hat das Mieter-Vermietermodell Kosten von 17 bis 20 Euro pro qm verursacht. Auch diese Kosten sind noch viel zu hoch. Schulbau ist etwa so teuer wie Wohnungsbau, die sich aus den Baukosten ergebenden Mieten sollten zwischen 5 und 10 Euro pro qm liegen.
In diesen prognostizierten Mehrkosten sind die Kosten der Einbindung der HOWOGE schon teilweise vorweggenommen. GiB hat in seiner Stellungnahme zur Anhörung zusätzliche Kostenrisiken von bis zu 2,3 Mrd. Euro errechnet – das wäre mehr als eine Verdoppelung der Kosten.
Kostenrisiken werden auch durch vom Finanzsenator beauftragte Gutachter benannt. Die Gutachter Beckers und Ryndin[16] schätzen solche Kostenrisiken zwar gering ein, gehen in dieser Einschätzung aber gleichzeitig davon aus, dass der Entwurf für den Rahmenvertrag noch wesentlich verändert wird:
„von einer Aufnahme adäquater „Privatisierungsbremsen“ in die Verträge des Landes Berlin mit der HOWOGE ausgehend“
Die Gutachter Hermes und Weiß[17] äußern sich nicht explizit zu Kostenrisiken, machen jedoch auf kostenwirksame institutionelle Risiken und das Insolvenzrisiko aufmerksam. Zur Begrenzung der Risiken machen sie Vorschläge, die aktuell noch nicht umgesetzt sind, nicht im Rahmenvertrag und auch nicht einmal in der (rechtlich unverbindlichen) Entschließung der Regierungsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus vom 29.11.2018.
Die aufgeführten Kostenrisiken fallen ausnahmslos außerhalb der öffentlichen Verwaltung an. Die bisher vom Senat genannte Gesamtsumme für die BSO von 5,5 Mrd. Euro erscheint derzeit als hoch. Dennoch ist es vorstellbar, dass der Betrag durch Kostensteigerungen überschritten wird, zumal bestehende Kontrollmechanismen aufgegeben werden und für eine genaue Kostenkontrolle das Personal fehlt. Da sich Kostenexplosionen deswegen nicht adäquat reduzieren lassen, erhöht sich mit ihrem Eintreten der Druck, Kosten woanders einzusparen – vermutlich insbesondere bei der im Bereich des Schulbaus tätigen öffentlichen Verwaltung.
2.9. Unzureichendes Personalkonzept
Erst 2017 hatte die Senatsverwaltung für Finanzen ein Personalentwicklungskonzept[18] herausgegeben. Kurz darauf wurde daraus schon ein „Personalpolitisches Aktionsprogramm 2017/2018“, das am 27.11.2018 von der Senatsverwaltung für 2019/2020 fortgeschrieben wurde[19]. Das Aktionsprogramm samt dem dahinterstehenden Personalentwicklungskonzept wird seinem Anspruch allerdings nicht gerecht. Schon der Umfang des Aktionsprogramms unzureichend, auf nur knapp 20 Seiten in großer Schrift werden alle personalpolitischen Bereiche der Stadt abgehandelt. Für einzelne bereiche bleiben nur wenige Zeilen. Vielfach werden Schlagworte aufgerufen („Digitale Personalprozesse“, „Personalmarketing“, „Beschleunigung von Stellenbesetzungsverfahren“, „Weiterentwicklung des Wissensmanagements“, „Gesundheitsmanagement“, „Familienfreundlicher Arbeitgeber“), dann aber nicht mit substantiellen Inhalten hinterlegt. Statt fundierter Zusagen, mit welchen konkreten Maßnahmen welche Beschäftigtenzahlen bis wann erreicht werden sollen, werden (recht vage) Versprechen gemacht. Zentrale Punkte wie die angestrebten konkreten Tarifbedingungen fehlen. So wird zum Beispiel hinsichtlich der Benachteiligung der Beschäftigten in den Bezirken bei den Stellenbewertungen angegeben, dass es eine (unverbindliche) Arbeitshilfe sowie eine (nicht entscheidungsbefugte) Arbeitsgruppe zum „Dienststellenübergreifenden Erfahrungsaustausch“ geben soll. Rechtlich soll der Rückstand gegenüber den Kommunen zurückgeführt werden, mit der Einschränkung „ vollständig bzw. (ggf. systembedingt) mindestens weitestgehend“ – ohne jede Angabe, wann und wie genau das erfolgen soll.
Die Problematik des Schulbaus wird in dem Papier überhaupt nicht thematisiert, obwohl das Vorhaben das größte Investitionsprojekt des Landes seit Jahrzehnten sein soll. Besondere Personalpolitische Konsequenzen werden offenbar aus diesem Anspruch nicht gezogen.
3. Konkrete Auswirkungen auf Beschäftigte in Berlin und Brandenburg
Das Vorhaben BSO in seiner bisher verfolgten Ausrichtung würde den öffentlichen Sektor und die Position der dort (noch) Beschäftigten schwächen. Durch Mehrkosten und Kompetenzverlust droht ein weiterer Stellenabbau im öffentlichen Dienst und somit der Verlust von Stellen mit (teilweise) noch guten Beschäftigungsbedingungen. Gleichzeitig gehen Transparenz und die Möglichkeit zur Mitbestimmung für wichtige Beschäftigteninteressen verloren
3.1. LehrerInnen und pädagogische MitarbeiterInnen
Durch die Auslagerung von Schulbau und -betrieb und die Zentralisierung der Bauvorhaben ändern sich die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den betroffenen Schulen erheblich. Das sich abzeichnende Prinzip der HOWOGE „Abriss vor Sanierung“ führt zu einer erheblichen Vergrößerung der Belastungen durch die längere Dauer der Maßnahmen, durch Umzüge und Unterricht in Ersatzbauten. Die bisherigen Grundsatzentscheidungen des Senats hinsichtlich Inklusion und Ganztagsschulen finden sich weder im bisherigen Maßnahmenplan wieder, noch können sie in den aufgrund der umfangreichen Sanierungsmaßnahmen bzw. des Abrisses und Neubaus von Schulgebäuden notwendigen Ersatzbauten über Jahre gewährleistet werden.
Schon jetzt ist klar, dass viele Ausweichquartiere auch auf Sportflächen stehen werden müssen, so dass ein regulärer Sportunterricht nicht durchgeführt werden kann und die SportlehrerInnen dadurch vor zusätzlichen Belastungen stehen werden.
Inwiefern z.B. auch Doppelnutzungen von Räumen durch wirtschaftliche Interessen der HOWOGE und/oder Unterricht in Ausweichquartieren notwendig sein werden, ist ebenfalls nicht geklärt. Doppelnutzungen von Räumen schränken das Prinzip der vorbereiteten Lernumgebung stark ein und stellt die unterrichtenden Lehrkräfte und pädagogischen MitarbeiterInnen durch diese Erschwernis vor zusätzliche, belastende Probleme.
Beispiele aus dem Bundesgebiet (z.B. Mühlheim) zeigen, dass davon auszugehen ist, dass während der Dauer der Gewährleistungszeit der HOWOGE GmbH, aber auch darüber hinaus bei auftretenden Schäden und/oder Mängeln Differenzen hinsichtlich der Verantwortlichkeiten und der Mängelbeseitigung vorprogrammiert sind. Da die Gewährleistungszeit der HOWOGE nur fünf Jahre beträgt, ist zu befürchten, dass sie nicht an einer nachhaltigen und ökologischen Bauweise interessiert ist, was zu verschiedenen Belastungen für die Beschäftigten führt. Die GEW fordert daher, dass im Personalvertretungsgesetz der Arbeits- und Gesundheitsschutz verstärkt und die Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen auch bei Sanierungs- und Baumaßnahmen zum Tragen kommen muss.
Doch auch auf die weiteren pädagogischen MitarbeiterInnen einer Schule sind die Auswirkungen gravierend. Schon heute werden Räume für die Ganztagsbetreuung häufig als Verfügungsmasse im Geschiebe der Raumzuordnung von Schulen betrachtet. Entsprechend bedroht sind sie von Umzügen und von der Verlegung in eigentlich unzumutbare Räume im Keller oder in anderen Nebengelassen. Dass die HOWOGE das wirtschaftliche Eigentum an den Schulen erhält, muss diese Beschäftigtengruppe besonders beunruhigen. Wird heute erklärt, dass der Zweck „Schule“ gerichtsfest in den Verträgen verankert werden soll, so droht die Ganztagsbetreuung mit ihren Anforderungen nicht ausreichend berücksichtigt zu werden.
Die Schulsozialarbeit muss häufig auffangen, was im Gefüge einer Schule schief geht, und für das kommende Jahrzehnt bzw. eine noch längere Zeit der Mehrbelastungen werden die Bedingungen nach aktuellem Stand nicht erleichtert, sondern erschwert. Es wird fraglos schwieriger, zuständige AnsprechpartnerInnen ausfindig zu machen, und akut problematische Sachverhalte abstellen zu lassen. Auch den SozialarbeiterInnen droht eine Odyssee, in der sie mit ständig wechselnden und oft genug bezogen auf ihre Aufgaben unzureichenden Raumsituationen zu kämpfen haben werden.
Wegen der zu erwartenden negativen Folgen für LehrerInnen und pädagogische MitarbeiterInnen hat sich die GEW Berlin als aktive Unterstützerin der Volksinitiative „Unsere Schulen“ zweimal auf ihren Landesdelegiertenversammlungen ausdrücklich gegen die konkrete Ausformung der Berliner Schulbauoffensive mit einer Übertragung von Aufgaben an die HOWOGE GmbH ausgesprochen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bedenken hinsichtlich eines Verlustes von demokratischen Mitbestimmungsrechten, Standardabsenkungen und negativen Folgen für die in den Schulen Tätigen.
Sale-and-lease-back-Geschäfte haben mittelfristig auch Folgen für die Qualität der Gebäude. Im Jahr 2003 wurden in Edinburgh (Schottland) Schulen per ÖPP-Projekt privatisiert. Die zugehörigen Finanzprodukte wurden seither 13-mal weiterverkauft. Die derzeitigen Eigentümer sind vier Investmentfonds, die ausnahmslos ihren Sitz in Steueroasen haben. Im Januar 2016 brach bei einer der Schulen, der Oxgangs Primary School, morgens vor Schulbeginn eine Giebelwand ein. Eine anschließende bauliche Untersuchung ergab: Die ÖPP-Schulen waren marode. Von den Schulen mussten 17 für Monate geschlossen werden, die Feuerwehr half bei der Austeilung von Schulessen. Ergeben sich in Berlin ähnliche Situationen, werden darunter auch die Beschäftigten erheblich zu leiden haben.
3.2. HausmeisterInnen
Große Sanierungsmaßnahmen bringen vielfältige Belastungen für die HausmeisterInnen mit sich, das größere Problem liegt jedoch darin, dass verschiedene Zuständigkeiten die Arbeit erschweren. Auch ist die Rolle der vom jetzigen Schulträger, dem Bezirk eingestellten HausmeisterInnen während der Sanierung und Gewährleistungszeit durch die HOWOGE GmbH nicht geklärt.
HausmeisterInnen in den Neubauten sind besonders stark betroffen: In der gesetzlichen Gewährleistungsphase von fünf Jahren soll die HOWOGE den baulichen Unterhalt der Schulen übernehmen. Für diese Leistung hat die HOWOGE bisher kein eigenes Personal. Da der Zeitraum von fünf Jahren sehr kurz ist, ist davon auszugehen, dass auch niemand deswegen eingestellt wird, sondern private Dritte beauftragt werden, siehe dazu Kapitel 2.6 „Privatisierung des baulichen Unterhalts“. In privatisierten Bereichen sind die beschäftigten die hauptleidtragenden. Sie sind regelmäßig mit Tarifflucht und prekärer Beschäftigung konfrontiert.
3.3. Reinigungskräfte
Die Schulreinigung ist schon seit geraumer Zeit privatisiert. Die Beschäftigten im privaten Reinigungssektor hatten in der Folge vielfach zu wenig Zeit pro Schule und oft nur eine ungenügende Ausstattung mit Putzmitteln und Arbeitsgerät. Mit dem Übergang des Betriebs an die privatrechtliche HOWOGE droht nun ein weiterer Schub in Richtung prekärer und ungesunder Beschäftigungsverhältnisse. Die Subunternehmerkette verlängert sich um die HOWOGE und deren Subunternehmen für den Betrieb an den Schulen.
3.4. Beschäftigte in den Bauverwaltungen der Berliner Bezirke
Die Beschäftigten in den Bauverwaltungen der Berliner Bezirke sind Hauptleidtragende des Kompetenz-Wirrwarrs, das neu geschaffen wird. Umseitig eine Gegenüberstellung der Veränderungen in den Zuständigkeiten. Ein derartiges Durcheinander von Zuständigkeiten ist für die Beschäftigten körperlich und psychisch enorm belastend und verursacht hohe Krankenstände.
Die Bezahlung in den Bezirken liegt generell bis zu einem Drittel unter Landesniveau, obwohl die Inhalte der Tätigkeiten teilweise identisch und in den überwiegenden Fällen vergleichbar sind. Statt nun diese Bezahlung anzuheben und die Bezirke durch Neueinstellungen zu stärken, werden die Aufgaben ausgelagert, so dass eine künftige Anhebung perspektivisch in weite Ferne rückt. Folge wird eine Abwanderung von Beschäftigten zum Land und zur HOWOGE sein, was wiederum bei den verbleibenden Beschäftigten zu Arbeitsverdichtung und zu weiterem Knowhow-Verlust der Abteilungen führt – beides verursacht steigende Krankenstände.
3.5. Beschäftigte des Landes Berlin
Auch die Beschäftigten in der Bauverwaltungen und der Bildungsverwaltung des Landes Berlin werden erheblich unter den Umstrukturierungen und dem Kompetenz-Wirrwarr leiden müssen. Ihnen droht ebenso eine erhebliche Arbeitsverdichtung, da für das angestrebte Bauvolumen mit Verweis auf die Auslagerung an die HOWOGE nicht ausreichend eingestellt wird.
3.6. Beschäftigte der HOWOGE
Die HOWOGE hat angekündigt, nur in sehr geringem Umfang neu einzustellen (18 Beschäftigte). Einen Teil des Personalzuwachses hat sie durch eine Firmenübernahme realisiert (12 Beschäftigte, s.o.). Netto entstehen also nur sechs neue Stellen, das ist angesichts des erheblichen Bauvolumens eine vernachlässigbar kleine Zahl. Aber auch diese aktuellen und künftigen Beschäftigten der HOWOGE haben im Aufgabenbereich Schule nur kurzfristig eine gute Perspektive: Für wenige Jahre werden sie benötigt, danach sind sie jedoch nicht durch einen Kündigungsschutz wie im öffentlichen Dienst abgesichert, sie können ohne Schwierigkeiten betriebsbedingt wieder gekündigt werden.
3.7. Beschäftigte in Planungsbüros in Berlin und Brandenburg
Die Ausschreibungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie der HOWOGE sollen in großen Losen erfolgen, siehe dazu Kapitel 2.7 „Fokussierung auf Generalunternehmer, -übernehmer und –planer“. Dabei werden drei bis zehn Schulen gebündelt ausgeschrieben und vergeben. Dieses Vorgehen diskriminiert kleine und mittelständige Unternehmen. 95 Prozent der regionalen Planungsbüros haben weniger als 10 Mitarbeiter. Sie haben ganz überwiegend nicht das Kapital und die personellen Ressourcen, um Angebote für derart große Auftragsbündel abgeben zu können. Wenn sich mehrere Büros zu Bietergemeinschaften zusammenschließen, entstehen den Büros durch diese ad-hoc-Struktur neue, teilweise existenzbedrohende Risiken. Folge der großen Lose ist, dass große Firmen und große Büros als Generalplaner die Ausschreibungen gewinnen, die regionalen Planer hingegen gar nicht oder nur in einer Subunternehmerposition zum Zuge kommen. Damit werden regionale Arbeitsplätze gefährdet oder sogar vernichtet, an anderer Stelle wird die Erosion schlechter Arbeitsbedingungen befördert. Dazu Michael Mackenrodt, Vorstand der Architektenkammer:
Michael Mackenrodt, Vorstand der Architektenkammer, sagte, dass der jetzige Ausschreibungsentwurf „95 Prozent der Berliner Architekten ausschließe“. […] „Der in Berlin bestehende Mittelstand würde zum Subunternehmer der Baufirmen.“ Das Vorgehen sei „konträr zu dem, was für diese Aufgabe eigentlich sinnvoll wäre.“ [20]
Mit der in der BSO angestrebten Vorgehensweise werden also überwiegend oder sogar ausschließlich große Generalplaner und Generalunternehmer zum Zuge kommen. Die Auswahl der in Frage kommenden Firmen beschränkt sich auf weniger als zwei Dutzend in ganz Europa. Ist der Zuschlag für die jeweiligen Lose erteilt, wird die öffentliche Hand im weiteren Prozess extrem erpressbar.
3.8. Beschäftigte im regionalen Baugewerbe
Bundesweit hat das Baugewerbe seit 1995 die Hälfte seiner Beschäftigten abgebaut – von 1,4 Mio. Beschäftigten ist die Zahl auf 700.000 gesunken. Erst in den letzten fünf Jahren wurde wieder eingestellt, die Gesamtzahl der Beschäftigten stieg auf 820.00. Der Zuwachs wurde jedoch nur in sehr geringem Umfang durch eigene Ausbildung geleistet, der ganz überwiegende Anteil wird durch Beschäftigte gebildet, die dazu aus Süd- und Osteuropa nach Deutschland gekommen sind. Diese Entwicklung lässt darauf schließen, dass das Baugewerbe auch im Aufschwung überwiegend keine dauerhaften, nachhaltig sicheren und finanziell auskömmlichen Beschäftigungsverhältnisse geschaffen hat.
Durch die Hinzuziehung von großen Baufirmen als Generalunternehmer wären die Beschäftigten im regionalen Baugewerbe enorm betroffen. Momentan ist die Auslastung im regionalen Baugewerbe noch sehr gut. Allerdings dauert der aktuelle Konjunkturzyklus mit neun Jahren bereits sehr lange an, es ist nur eine Frage der Zeit, wann der nächste Abschwung kommt. In dieser zu erwartenden Abschwungphase wäre ein öffentliches Investitionsprogramm sehr hilfreich. So wie die Schulbauoffensive aber angelegt ist, wird das regionale Baugewerbe davon kaum profitieren können. Nur ein knappes Dutzend international agierender Großfirmen ist imstande, die großen Volumina anzubieten. Das regionale Baugewerbe geht leer aus oder wird in die problematische Subunternehmerposition gedrängt, vielfach kommt es auch zu den bekannten Sub-Sub-Ketten, die Lohndumping und Schwarzarbeit erheblich befördern.
Die Fachgemeinschaft Bau in Berlin warnt davor, dass das Berliner Bauhandwerk bei der Schulbauoffensive nicht zum Zuge kommen könnte:
„Das vom Berliner Senat ausgerufene ‚Jahrzehnt der Investitionen‘ droht am Berliner Bauhandwerk vorbeizugehen. Davor hat jetzt Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau (FG Bau), im Interview mit der Berliner Morgenpost gewarnt. Allein in den Neubau und die Sanierung von Schulen sollen nach den Plänen der rot-rot-grünen Landesregierung bis 2026 gut 5,5 Milliarden Euro fließen. Mittlere und kleine Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern hätten jedoch kaum eine Chance, von dem Auftragskuchen ein ordentliches Stück abzubekommen, warnt Schreiner.“[21]
Diese Bedenken sollten sehr ernst genommen werden.
4. Alternative Personalpolitik
Es wird allgemein ein Fachkräftemangel im Bauen beklagt. Dabei sollen besonders Ingenieure fehlen, aber auch spezielle Ausbildungsberufe wie zum Beispiel RolladenbauerInnen. Dieser Fachkräftemangel besteht, er gilt jedoch für alle, nicht nur für die Berliner Bezirke und für die Bauverwaltung des Landes Berlin. Um den Fachkräftemangel nachhaltig zu überwinden, muss daher dreierlei angegangen werden:
- Es müssen die erforderlichen Stellen geschaffen werden,
- es müssen umfangreich Menschen in den heutigen Mangelberufen ausgebildet werden,
- es muss (nicht zuletzt)die Bauverwaltung Berlins (wieder) zu einem so attraktiven Arbeitgeber werden, dass viele gut ausgebildete Menschen dort arbeiten möchten.
Nachfolgend werden diese Grundsätze ausgeführt.
4.1. Fachkräftemangel in der Verwaltung der Bezirke beenden
Nötig ist zunächst eine umfassende Analyse des Personalbedarfs in Bezug auf die geplanten Baumaßnahmen und die vorhandene Altersstruktur. Engpässe müssen identifiziert und prioritär angegangen werden. So ist zum Beispiel vom Bereich der Baugenehmigung bekannt, dass Bauanträge wegen Personalmangels teilweise Monate an Verzögerung erleiden. Welche Aufgaben, die derzeit von öffentlichen Beschäftigten wahrgenommen werden, die einem Mangelberuf angehören, könnten von Nicht-Mangelberufsvertretern übernommen werden? In der Ausschreibung und Vergabe sind derzeit noch viele ArchitektInnen und IngenieurInnen tätig. Ein großer Teil dieser Aufgaben kann aber auch von Beschäftigten mit kaufmännischer Ausbildung übernommen werden.
Dann sind die Vorteile des öffentlichen Dienstes zu stärken. Zuvorderst sollten nur noch unbefristete Arbeitsverträge angeboten werden. Das ist geboten, weil der Aufbau einer öffentlichen Bauverwaltung, die auch langfristig funktionsfähig ist, unabdingbar ist. Danach müssen die Tarifbedingungen verbessert werden. Viele Stellen auf Bezirksebene haben im Vergleich zum Land identische Tätigkeiten. Gleiches Geld für gleiche Arbeit – das gilt auch hier. Hier ist eine Angleichung an die Tarifbedingungen des Landes nötig und stärkt die Bezirke als Arbeitgeber.
Teilzeitmöglichkeiten sollten gestärkt und ausgeweitet werden – viele ungeschickt zusammengestellte Tätigkeitsprofile im öffentlichen Dienst erlauben Teilzeit bisher kaum oder gar nicht, weswegen ArbeitnehmerInnen, die gerne in Teilzeit arbeiten möchten, zu anderen Arbeitgebern mit anderen Tätigkeitsprofilen ausweichen. Zu diesem Feld gehört auch, Heimarbeitsmöglichkeiten zu schaffen bzw. bestehende Möglichkeiten ausweiten. Insbesondere ArbeitnehmerInnen mit langen Anfahrtswegen können so familienverträglich ihre Arbeitszeiten ausweiten.
Um als Arbeitgeber attraktiver zu werden, sollten die Bezirke die Mitbestimmung und Mitgestaltungsmöglichkeiten stärken. Mitgestaltung wirkt extrem sinnstiftend und bindet ArbeitnehmerInnen langfristig, gleichzeitig bekommen sie die Möglichkeit, bei gleicher Arbeitszeit produktiver zu werden. Auch Gemeinschaft und Miteinander sollten gestärkt werden. Die Bezirke sollten attraktive Räume und eine angenehme Arbeitsatmosphäre anbieten. Wo nötig sollten dazu auch die Räumlichkeiten ausgeweitet werden.
Mit den bestehenden und neu geschaffenen Eigenschaften als attraktiver Arbeitgeber können nun die Bezirke für die Vorteile des öffentlichen Dienstes werben und ihre Stellen offensiv ausschreiben. Dabei wird empfohlen, die folgenden Angebote zu unterbreiten bzw. Vorteile anzubieten:
- Angemessene Einstufung
- Stufenvorwegnahme
- Verbeamtung
- Ermöglichung von Quereinstieg, interne Weiterbildung
- Qualifizierungsprogramme für ausländische BewerberInnen
Aktuell hilft das Land den Bezirken auf dem Wege der Amtshilfe. Es ist aber auch möglich, temporär MitarbeiterInnen des Landes in die Bezirke zu entsenden, um dort größere Engpässe zu überbrücken und das Knowhow zu stärken. Hochschulplätze für Mangelberufe sollten ausgeweitet werden. In den Ausbildungsberufen sollten die Bezirke selbst die Ausbildungsplätze erhöhen und auch aktiv Werbung für die Besetzung der Ausbildungsplätze betreiben.
Die Bezirke können auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern, indem sie regelmäßig herausragenden Leistungen von Teams und Einzelpersonen sowie besonders innovative Verwaltungsstrukturen und -programme prämieren.
Bis die erforderlichen Personalstrukturen aufgebaut sind, können die Bezirke projektbezogen auf externe ArchitektInnen, externe IngenieurInnen und externe ProjektsteuerInnen zurückgreifen. Damit erreichen die Bezirke eine Entlastung der Funktion als Bauherr und können gleichzeitig das eigene neu eingestellte Personal aus- und weiterbilden, ohne die Terminschiene dabei zu gefährden.
4.2. Fachkräftemangel in der Verwaltung beim Land beenden
Nahezu alle für die Bezirke vorgeschlagenen Maßnahmen können auch auf die Verwaltung beim Land angewandt werden. Darüber bestehen beim Land weitere Möglichkeiten, einerseits als Arbeitgeber attraktiver zu werden und dabei gleichzeitig das öffentliche Knowhow im Schulbau zu stärken.
So wird die Schaffung von Expertenteams empfohlen, die damit eine Chance erhalten, eine eigene, überregionalen Reputation zu erlangen (z.B. „Expertenteam Sanierung DDR-Plattenbauten“, „Expertenteam Sanierung von Schulbauten älter als 75 Jahre“, „Expertenteam temporäre Bauten“). Dazu und auch darüber hinaus ist die Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen des Bauwesens sinnvoll: mit der Bundesanstalt für Materialprüfung, mit der Bundesanstalt für Straßenbau, mit dem Deutschen Institut für Bautechnik und mit anderen Landes- und Bundesverwaltungen.
Neben dem Einbezug von lokalen Ingenieurbüros und Architekturbüros auf Projektebene können Ingenieur- und Architekturbüros sowie örtliche Hochschulen auch in die Erarbeitung von baufachlichen Standards und Datenbanken, in die interne Weiterbildung und die internen Qualifizierungsprogramme einbezogen werden. Auf diesem Wege profitiert Berlin von dem breiten in der Stadt vorhanden Wissen im Bauwesen, auch wenn nicht alle WissensträgerInnen im Landesdienst stehen.
Mit Blick auf gute Entwicklungen in Verwaltungen bundesweit wäre eine nähere Befassung mit anderswo erfolgreichen Maßnahmen der Personalgewinnung und –bindung zu empfehlen. Berlin sollte die „Best Practice“ in Verwaltungen bundesweit kennen und Anstrengungen unternehmen, diese Vorleistungen für Berlin zu adaptieren.
4.3. Berliner Bauhütte als Antwort auf Fachkräftemangel in der regionalen Bauwirtschaft
Es steht außer Frage, dass Berlin für ein Jahrzehnt und mehr Arbeit im Schulbau anzubieten hat. Es ist ein wenig so wie beim Kölner Dom: Wenn man hinten fertig ist, muss man vorne wieder anfangen. Beim Kölner Dom hat es sich als sinnvoll erwiesen, dieser Daueraufgabe Rechnung zu tragen: Es gibt dort eine Dombauhütte. Standardsanierungen wie Elektroleitungen, Sanitäranlagen, sowie die Renovierung von Wänden, Decken und Böden sollte Berlin dauerhaft aus eigener Kraft, d.h. mit eigenem Personal und Material bewältigen. Wenn heute schon klar ist, dass einige hundert Kilometer Leitungen zu verlegen und tausende Wasserhähne und Toilettenschüsseln einzubauen sind, hat es wenig Sinn, diese Leistungen Meter für Meter, Stück für Stück auszuschreiben und sich von den wenigen und teilweise auch unzureichenden Angeboten frustrieren zu lassen. Das Land Berlin und die Berliner Bezirke müssen sich eigene Kapazitäten schaffen für diese Daueraufgaben. So sind die Länder viele Jahre vorgegangen bei den Straßen- und Autobahnmeistereien, und auch viele Grünflächenämter arbeiten schon lange erfolgreich nach diesem Prinzip.
Wie auch immer der Name sei: „Bauhütte“, „Schulmeisterei“ oder „Facility Management Center“, in jedem Fall benötigt Berlin dringend eigene zentrale Kapazitäten für die Erbringungen von Standardleistungen in der Größenordnung von 100 bis 150 Millionen Euro pro Jahr allein im Schulbau, an die es ausschreibungsfrei per In-house-Vergabe delegieren kann. Allein an Baugerüsten wird es einen dauerhaften und großen Bedarf geben – an irgendwelchen Schulen werden von nun an immer Gerüste stehen. Diese Kapazitäten sollten zusammengebracht werden durch Zukäufe, durch Einstellung und durch eigene Ausbildung. Sie kann ergänzt werden durch Rahmenverträge mit der regionalen Bauwirtschaft, die in der Gründungsphase und in Spezialbereichen Leistungen erbringt. Die zentralen Kapazitäten im Bereich der Standardsanierungen und Standardausbau sollten auch einen eigenen zentralen Einkauf bekommen, der imstande ist, Bauteile in größeren Mengen zu beschaffen und so Skaleneffekte hinsichtlich der Kosten zu erreichen. Auch die regionale Bauwirtschaft wäre dann an die Verwendung dieser Bauteile zu binden.
Perspektivisch fällt schätzungsweise ein Viertel bis ein Drittel aller Maßnahmen im Bereich des Schulbaus in die Rubrik der Standardleistungen. Am anderen Ende der Skala stehen Sanierungen mit Auswirkung auf den Entwurf (z.B. teilweiser Ersatzneubau) und Sanierung mit geplanten gleichzeitigen Veränderungen am Entwurf (die aber nicht aus der Sanierung begründet sind). Diese Sanierungen eignen sich nicht oder nur in sehr begrenzten Teilleistungen für die In-house-Vergabe. Gleichzeitig werden für diese anspruchsvollen Sanierungen die erforderlichen Kapazitäten frei, wenn eine Bauhütte oder Schulmeisterei den Bezirken dazu den Rücken freihält.
4.4. Beschäftigte und Baumaßnahmen zusammen denken
Es gibt keine Investitionen, wenn es keine Fachkräfte gibt, die die Bau- oder Sanierungsmaßnahmen umsetzen können. Das zeigt schon der Haushalt des Landes Berlin. Der Senat hat auch deswegen Überschüsse, weil geplante Investitionen nicht zustande gekommen sind. Einer der wichtigsten Gründe: fehlendes Personal. Die Vorstellung, dass nur Baumittel Investitionen sind und das Personal konsumptive Ausgaben darstellen, muss überwunden werden. Beides ist gleichwertig zu sehen und als Investition zu bewerten.
5. Fazit
Das personalpolitische Konzept des Senats berücksichtigt die Schulbauoffensive nicht. Die in der Schulbauoffensive selbst angelegten Grundsätze vergrößern die Schäden des langjährigen Personalabbaus weiter. Viele tausend Beschäftigte in Berlin und Brandenburg haben mit Nachteilen durch die Einbindung der HOWOGE zu rechnen.
Zu erwartende Folgen für einzelne Beschäftigtengruppen sind:
- Die regionale Bauwirtschaft mit über 50.000 Beschäftigten droht – trotz riesiger Investitionsvolumen – bei der Schulbauoffensive leer auszugehen, mit der Folge möglicher Entlassungen oder prekärer Beschäftigung (bei Subunternehmerposition ihrer Arbeitgeber). Gleichzeitig ist zu erwarten, dass Schwarzarbeit und Dumpinglöhne zunehmen werden und dadurch Tarifbedingungen aushöhlen.
- Auch die örtlichen Planungsbüros werden übergangen, mit vergleichbaren Folgen für die über 10.000 Beschäftigten dort, wie sie sich auch für die regionale Bauwirtschaft ergeben.
- Viele der 30.000 Lehrerinnen und Lehrer in Berlin werden jahrelangem Baustellenbetrieb ausgeliefert, während ihnen gleichzeitig die maßgeblichen Mitbestimmungsmöglichkeiten genommen werden. Gleiches gilt für zahlreiche pädagogische Mitarbeiterinnen und die Schulsozialarbeit.
- Viele Beschäftigten der öffentlichen Hand im Bereich Schulbau stehen vor einem grandiosen, krankmachenden Zuständigkeits-Chaos. Gleichzeitig soll der erforderliche Stellenaufbau ausbleiben, so dass Arbeitsverdichtung ebenfalls Stress und hohe Krankenstände befördern können. Die zu erwartenden Mehrkosten werden zudem vermutlich zu einer Weiterleitung des Kostendrucks an das Personal führen.
- HausmeisterInnen an HOWOGE-Schulen droht die Entlassung oder der Übergang an private Betreiber.
- Gewinner unter den Beschäftigten sind nur sechs Neueinstellungen bei der HOWOGE – aber auch nur bis dort der Schulbau abgeschlossen ist.
In der Summe wird die Berliner Schulbauoffensive durch die geplante Einbindung der HOWOGE mbH für viele Beschäftigte in Berlin und Brandenburg Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen mit sich bringen. Arbeitsplätze in der Region gehen verloren und werden nicht oder durch schlechtere Arbeitsverhältnisse ersetzt. Die öffentliche Verwaltung wird dauerhaft geschwächt.
Über den Autor
Carl Waßmuth, Jg. 1969, Diplombauingenieur, seit 2001 Beratender Ingenieur für das Bauwesen, Mitbegründer von Gemeingut in Bürgerinnenhand, Autor verschiedener Schriften zu Privatisierung und Daseinsvorsorge, u.a. :
Ulrich Scholz / Carl Waßmuth (2018): „Kurzstudie zur Wirtschaftlichkeit der Auslagerung von Krediten für Schulbau und -sanierung in Berlin aus dem Landeshaushalt in eine GmbH“, Studie im Auftrag von GiB, online unter https://www.gemeingut.org/wordpress/gib-studie-zu-zinskosten-im-schulbau/
Ulrich Scholz / Carl Waßmuth (2017): „Kurzstudie zur Entwicklung der Ausgaben für Schulbau und-sanierung in Berlin 2012 bis 2017“, Studie im Auftrag von GiB, online unter https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2017/11/Kurzstudie-Ausgaben-Schulbau-und-Sanierung-2012-bis-2017.pdf
Jana Mattert / Laura Valentukeviciute / Carl Waßmuth (2017): „Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe – Öffentliche Infrastrukturen zwischen Daseinsvorsorge und Finanzmärkten“, Studie von GiB in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung, 144 Seiten, 7 Tabellen, 25 farbige Abbildungen, ISBN 978-3-86928-163-6, online: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2017/06/Endf-Gemeinwohl-als-Zukunftsaufgabe_Web.pdf
Dr. Bernhard Knierim / Ludwig Lindner / Karl-Heinz Ludewig / Carl Waßmuth (2017): „Auswirkungen der geplanten Autobahnreform auf die künftige Höhe der Pkw-Maut in Deutschland“, Studie im Auftrag von GiB, online unter https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2017/05/2017-04-25_-Maut-Gutachten_GiB.pdf
Katja Thiele / Carl Waßmuth (2016), „Aktuelle Entwicklungen bei der Privatisierung der Daseinsvorsorge in Deutschland mit besonderem Fokus auf Bundesfernstraßen“, Studie im Auftrag von ver.di und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2016/02/Studie_Privatisierung_Fernstrassen_-2016_02_09.pdf
Fußnoten
[1] Antwort des Staatssekretärs Mark Rackles auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Bettina König vom 21.07.2017 am 05.07.2017
[2] Martin Kröger (2017): „Berliner LINKE: Privatisierungsbremse in Verfassung verankern“, Neues Deutschland vom 26.11.2017, online unter: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1071317.linkspartei-berliner-linke-privatisierungsbremse-in-verfassung-verankern.html
[3] DGB Berlin-Brandenburg (2018): Pressemitteilung 16/18 vom 09.03.2018, Berlin.
[4] Volksinitiative Unsere Schulen (2018): „Schriftliche Stellungnahme im Rahmen der Anhörung im Hauptausschuss und im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie des Berliner Abgeordnetenhauses am 7. November 2018“, online unter www.gemeingut.org/Stellungnahme
[5] Focus (2018): „Senat beschließt Beteiligung der landeseigenen HOWOGE an Sanierungs- und Neubaumaßnahmen“, Meldung vom 26.9.2018, online: https://www.focus.de/regional/berlin/senatskanzlei-berlin-berliner-schulbauoffensive-senat-beschliesst-beteiligung-der-landeseigenen-HOWOGE-an-sanierungs-und-neubaumassnahmen_id_9663838.html
[6] Helmut Kleebank (2017): Präsentation „Berliner Schulbauoffensive und die Rolle der Bezirke“ bei der GEW Berlin am 12.10.2017, Folie 3.
[7] Ulrich Scholz / Carl Waßmuth (2017): „Kurzstudie zur Entwicklung der Ausgaben für Schulbau und-sanierung in Berlin 2012 bis 2017“, Studie im Auftrag von GiB, Berlin.
[8] Abgeordnetenhaus von Berlin (2018): Dr. Matthias Kollatz in der Anhörung der Volksinitiative „Unsere Schulen“ im Hauptausschuss am 7. November 2018, Wortprotokoll, Berlin.
[9] Der Polizeipräsident in Berlin (2018): „Bewerbung & Einstellung“, online unter: https://www.berlin.de/polizei/beruf/polizist-polizistin-werden/bewerbung-einstellung/
[10] Christoph Manus (2018): „Mobilität – Stadt gibt mehr zum Jobticket“, Frankfurter Rundschau vom 20.6.2018
[11] Theresa Keilhacker, Michael Mackenrodt, Dr. Christian Müller, Carl-Friedrich Waßmuth (2018): Brief an die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher am 11.Jui 2018, Expert*innen „Nachhaltige Wertschöpfung Schulbau“, c/o Dipl.-Ing. Theresa Keilhacker, Berlin.
[12] Isabell Jürgens (2018): „Handwerksbetriebe gehen bei der Schulbauoffensive leer aus“, in der Berliner Morgenpost vom 3. Dezember 2018, online unter https://www.morgenpost.de/berlin/article215917009/Handwerksbetriebe-gehen-bei-der-Schulbauoffensive-leer-aus.html
[13]HOWOGE (2018): Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2017, online: https://www.HOWOGE.de/fileadmin/user_upload/Download-Center/Publikationen/Lagebericht_HOWOGE_Konzern.pdf
[14]Joachim Fahrun (2018): „Fahrplan für Bau neuer Schulen steht“, Berliner Morgenpost vom 30.06.2018, online: https://www.morgenpost.de/berlin/article214722719/Fahrplan-fuer-Bau-neuer-Schulen-steht.html
[15] Dr. Manja Schreiner, Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg (2018): Wortprotokoll der Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs Schulsanierung und Schulneubau – zukünftige Rolle der Bezirke als Schulträger bei Schulsanierung und Schulneubau (auf Antrag der Fraktion der CDU).
[16] Thorsten Beckers, Andrej Ryndin (2018): Gutachterliche Stellungnahme: Das „HOWOGE-ÖÖP-Modell“ und der Status quo im Vergleich Eine Analyse zentraler Aspekte der Einbindung der HOWOGE in die „Berliner Schulbau-Offensive“ unter Rückgriff auf institutionenökonomische Erkenntnisse, Berlin, online: https://www.parlament-berlin.de/adosservice/18/Haupt/vorgang/h18-1479.B-v.pdf. Siehe dazu auch die Bewertung durch GiB: https://www.gemeingut.org/wordpress/schulprivatisierung-bewertung-beckers-ryndin-gutachten/
[17] Georg Hermes, Holger Weiß (2018): Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur geplanten Einbindung der HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH in die Umsetzung der „Berliner Schulbauoffensive“, Berlin. Siehe dazu auch die Bewertung durch GiB: https://www.gemeingut.org/wordpress/schulprivatisierung-bewertung-hermes-weiss-gutachten/
[18] Senatsverwaltung für Finanzen (2017): Personalentwicklungskonzept, online: https://www.berlin.de/sen/finanzen/personal/personalmanagement/personalentwicklungskonzept_2017.pdf
[19] Senatsverwaltung für Finanzen (2018): Personalpolitisches Aktionsprogramm, Drucksache Nr. 18/0700 (II.A.17d), Stand 27.11.2018, online: https://www.berlin.de/sen/finanzen/personal/personalmanagement/ppap_2019_2020_public.pdf
[20] Kai Schlieter (2018): „Berliner Schulbauoffensive“ – Senat plant Billigbauten in Serie, online: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/-berliner-schulbauoffensive–senat-plant-billigbauten-in-serie-30629284
[21] a.a.O.