GiB-Infobrief: Infrastrukturgesellschaften – die aktuell hochgespielte Privatisierungsform

Bild: GiBLiebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,

seit 2010 klären wir zu öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) auf. Spätestens seit der Vorstellung des Berichtes der Fratzscher-Kommission im April ist klar, dass die BetreiberInnen von Infrastrukturprivatisierung eine weitere Strategie verfolgen: Die Schaffung von Infrastrukturgesellschaften , die selbst teilprivatisierbar sein sollen und zudem durch den Wechsel ins Privatrecht der Kontrolle der Parlamente entzogen werden. Vor allem im Bereich der Autobahnen und Bundesstraßen wird für so eine Infrastrukturgesellschaft gerade massiv geworben.

Ein Wort zu Autobahnen: Wir schreiben oft, dass wir uns gegen die Privatisierung der Daseinsvorsorge stellen. Dass Infrastrukturgesellschaften eine Privatisierungsform sind, zumal wenn wie von der Fratzscher-Kommission vorgeschlagen Anteile daran an den Kapitalmarkt gehen, wird vielen einleuchten. Aber sind Autobahnen wirklich Daseinsvorsorge, also eine Infrastruktur der Grundversorgung, ohne die ein Leben in Würde nicht möglich ist? Ist es nicht vielmehr so, dass wir, um allen eine nachhaltige Mobilität zu gewährleisten, allmählich weg kommen wollen vom Autoverkehr? Wir zumindest sehen das so. Und gerade deswegen beunruhigen uns die Pläne für eine Autobahn-Infrastrukturgesellschaft! Mehr oder weniger offen wird zugegeben, dass der zentrale Zweck der Autobahn-Infrastrukturgesellschaft die Umgehung der Schuldenbremse ist. Gleichzeitig wird aber auf diesem Wege der schädliche Straßenneubau auf Jahrzehnte zementiert, während für Bahn, ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr kein Geld im Haushalt mehr übrig bleibt – für die gilt die Schuldenbremse ja weiterhin. So warnt z.B. Prof Mühlenkamp vor „einer Verzerrung zu Lasten des Schienenverkehrs“ (siehe unsere Presseschau).

Zur Schaffung einer solchen – im Sinne der Nachhaltigkeit rückständige Autobahn-Infrastrukturgesellschaft – wäre aller Voraussicht nach eine Grundgesetzänderung erforderlich. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder befasste sich daher mit der Frage und  sieht immerhin „in der grundgesetzlich bestimmten Verwaltung der Bundesfernstraßen durch die Länder ein bewährtes System.“ Zu den Details wurde eine neue Kommission unter Leitung von Bundesminister a. D. Prof. Kurt Bodewig eingesetzt – das allerdings bereitet uns Sorgen. Denn das ist jetzt die vierte Kommission zur  Straßenfinanzierung in nur drei Jahren! Wir bekommen den Eindruck, dass so lange getagt wird, bis die „richtige“ (Privatisierungs-)Antwort herauskommt. Glücklicherweise gibt es Widerstand: Von den beiden Verkehrsministern Groschek und Hermann hatten wir im letzten Infobrief schon geschrieben. Jetzt haben sich auch die SPD-Minister Lies (Niedersachsen), Dulig (Sachsen) und Pegel (Mecklenburg-Vorpommern) gegen so eine IG ausgesprochen. Aus den anderen Ländern stehen die Reaktionen noch aus, vereinzelt wurden parlamentarische Anhörungen angesetzt. Für uns eine Möglichkeit, die Position der BürgerInnen einzubringen!

Mit herzlichen Grüßen
Jana Mattert
für die Aktiven von GiB

P.S.  Am 22.9. findet in Düsseldorf im Landtag eine Anhörung zu ÖPP statt. Eingeladen ist von Prof. Alfen bis Berwart Kulle (ÖPP AG) das Who-is-who der ÖPP-Lobby.  Aber auch GiB darf dort sprechen: Werner Rügemer und Carl Waßmuth werden unsere Position in die Diskussion einbringen. Wenn Sie in der Nähe wohnen: Kommen Sie dazu, die Anhörung ist öffentlich! Oder leiten Sie unseren Infobrief an Interessierte aus Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis weiter – je mehr Menschen von dem Thema erfahren, desto stärker kann unsere Gegenwehr werden.

 


Stellungnahmen aus Verbänden

ver.di-Stellungnahme zum Vorschlag der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ (Fratzscher-Kommission), Einrichtung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft

 


Parlamentarische Dokumente

Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke: Ausbau der Bundesautobahn A 10/A 24 im Rahmen der dritten Staffel von Projekten in Öffentlich-Privater Partnerschaft im Fernstraßenbau, Drs.  18/5820

Ausbau der A4 in Thüringen als Öffentlich-Private Partnerschaft  BT-Drs 18/5853 (Kleine Anfrage der Fraktion  Die Linke, noch keine Antwort)

Ausbau der Bundesautobahn A 7 zwischen Bordesholm und Hamburg als Öffentlich-Private Partnerschaft BT-Drs 18/5738 (Kleine Anfrage, noch keine Antwort)

 


Presseschau

16.09. arte: Wem gehören unsere Städte?

09.09. Labournet: EU treibt Privatisierung des Wassers in Europa voran

01.09. Die Welt: 12.000 deutsche Brücken von akutem Verfall bedroht

28.08. Bayern 2: Venetien. Fabriken auf Agrarland

24.07. Die Welt: Bevorzugt Dobrindts Straßenbau die Konzerne? Mittelständler beklagen Wettbewerbsnachteile bei Projekten in öffentlich-privater Partnerschaft

24.07. Deutsche Verkehrszeitung DVZ: Die Länder wissen, wie man baut

23.07. ARD: Monitor – Milliarden-Deals mit Griechenland: Wer sind die Profiteure der Privatisierung?

22.07. rp-online: Straßenbau-Projekte in NRW: Private Investoren sollen helfen

20.07. taz: Dobrindt setzt auf mehr Beton

08.07. ADAC-Presse: Blow-ups – die Quittung für zu geringe Investitionen

07/2015 Mühlenkamp, Holger: Zwischen (In-)Effizienz, (In-)Transparenz und politischen Interessen. IN: Wirtschaftsdienst. Auszug: „Der auf die staatliche Ebene zielende Vorschlagzur Gründung einer Infrastrukturgesellschaft für Bundesfernstraßen dient in der hier vorgeschlagenen Ausgestaltung ganz klar der Aushebelung der Schuldenbremse, der Verschleierung staatlicher Schulden und der Steigerung der Renditen von Kapitalanlegern.“ Weiter in der Fußnote: „Wenn dieser Gedanke aufgegriffen würde, käme es zudem zu einer Verzerrung zugunsten des Straßenbaus. Beispielsweise bliebe das ebenso vernachlässigte und vermutlich umweltfreundlichere Schienennetz außen vor.“

Kritik an konkreten ÖPP-Projekten

07.08. Generalanzeiger: Bürgerbegehren „Rettet unsere Lemmerzbäder“

22.07. merkur: Rathaus: Neubau statt Sanierung

21.07. nh24: A 49: Das Stückwerk geht weiter

20.07. Thüringer Allgemeine: Rot-Rot-Grün akzeptiert Privatisierung Thüringer Straßen

18.07 Frankfurter Neue Presse: Gewonnen haben nur die Firmen; Direktor des Landesrechnungshofs bestätigt die Kritik von Linken und Grünen am PPP-Projekt

18.07. op-online: Grüne ziehen nach Ausschusssitzung „vernichtendes Fazit“ zu PPP

16.07. op-online: Wirtschaftsprüfungsgesellschaft informiert Kreistag. PPP: Desaströses Urteil hat Bestand

 


Termine

19.09. „Wem gehört Berlin?“ –  Die privatisierungskritische Stadttour

22.09. 13:30 h Landtag Düsseldorf: Öffentliche Anhörung zum Thema: Landesregierung muss innovative Modelle zur Finanzierung und zum Bau von Bundesfernstraßenprojekten voranbringen

05.10. 19:00-21:00 Uhr monatliches Treffen der Aktiven von GiB, Berlin

 

 

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Gerne nehmen wir Hinweise zu Ihren Veranstaltungen zu Privatisierung und PPP in den Infobrief auf. Schreiben Sie uns an info@gemeingut.org

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