Liebe Freundinnen und Freunde der öffentlichen Daseinsvorsorge,
zwei Jahre lang haben wir zu den Gefahren von Privatkapital im Autobahnbau und -betrieb aufgeklärt. Wir konnten letztlich nicht verhindern, dass bei den Autobahnen eine Struktur gebildet werden kann, die ÖPP deutlich erleichtert. Gleichzeitig machte die Debatte jedoch deutlich, dass die Mehrheit der Menschen Privatkapital für Autobahnen ablehnt. Das hat eine Forsa-Umfrage ergeben, die wir beauftragt haben. Danach wollen 63 Prozent der Bürgerinnen und Bürger nicht, dass private Unternehmen Bau und Betrieb von Autobahnabschnitten übernehmen können.
Das bedeutet: Die Große Koalition hat mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Grundgesetzänderung beschlossen, die die Menschen mit Zwei-Drittel-Mehrheit ablehnen. Wir finden: Dieser Widerspruch ist ein Thema für den Wahlkampf. Wenn Sie demnächst eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten am Wahlinfostand stehen sehen: Fragen Sie doch, wie sie oder er abgestimmt hat und vor allem – warum.
Für alle, die ÖPP noch immer verharmlosen, gibt es einen neuen Rechnungshofbericht, der besagt: ÖPP wird wieder schöngerechnet. Im Fall der A49 hat das Verkehrsministerium ausgerechnet, dass ÖPP ganze 2,6 Prozent günstiger käme. Allerdings beruht diese Berechnung auf pauschalen, nicht prüfbaren Annahmen und lässt zudem die vorhandenen Erfahrungswerte aus der teuren ÖPP-Praxis unberücksichtigt.
Wie diese ÖPP-Praxis aussehen kann, sieht man aktuell beim neuen ÖPP-Projekt A7: Hier hatte der Bundesrechnungshof schon zu Beginn die Wirtschaftlichkeitsrechnung moniert. Er kritisierte, dass durch ÖPP deutliche Mehrkosten entstünden. Inzwischen ist der ÖPP-Vertrag geschlossen und die Kosten haben sich bereits in der Planungsphase fast verdoppelt. Willkommen im der schönen neuen ÖPP-Welt.
Wir gehen davon aus, dass die Autobahnreform eine ÖPP-Welle auslösen wird. Wir werden den Prozess deswegen genau beobachten. Wie wird die Satzung der Autobahn GmbH aussehen – gemeinwohlorientiert oder auf Renditemaximierung ausgerichtet? Wer bekommt Vorstandsposten? Welches Vermögen kommt in die Eröffnungsbilanz?
Wir fordern die Parteien im Wahlkampf auf, ÖPP wirksam zu unterbinden. Wenn SPD, Grüne und Linke alle kein ÖPP wollen, sollte es auch kein ÖPP geben dürfen. Das könnte man gesetzlich verankern, und genau dazu müssen die BundestagskandidatInnen jetzt Farbe bekennen.
Gleichzeitig zeigt sich schon die nächste ÖPP-Infrastrukturgesellschaft am Horizont. In Berlin will Rot-Rot-Grün eine landesweite Schulinfrastrukturgesellschaft gründen – ebenfalls als GmbH im Privatrecht. Für die Entmachtung der Bezirke muss dabei die Landesverfassung geändert werden. Erklärtes Ziel der Reform ist das Unterlaufen von Schuldenbremse und Maastricht-Kriterien. Damit das klappt, soll eine Wohnungsbaugesellschaft in das Konstrukt mit eingebunden werden. ÖPP will man auf keinen Fall zulassen – stattdessen hat man ÖÖPs im Blick. Öffentlich-öffentliche Partnerschaften. Dass es sich aus Sicht der BürgerInnen letztlich um dasselbe handelt – eine intransparente und teure Form der Kreditaufnahme – wird derzeit noch geleugnet.
Aber wir versichern Ihnen: Wir bleiben dran! Wir wissen: Umbenennungen gehören zu ÖPP dazu. In Großbritannien gibt es bereits vier verschiedene Bezeichnungen für ÖPP. Wir lassen uns davon nicht irreführen und zeigen weiter auf, was das Ganze eigentlich ist: die Privatisierung der Daseinsvorsorge.
Katrin Kusche und Carl Waßmuth
für das Gemeingut-Team
PS: Nutzen Sie unsere aktuellen Materialien für Ihre Argumentation im Gespräch mit BundestagskandidatInnen am Wahlinfostand: Die ausführlichen Ergebnisse der von uns beauftragten Forsa-Umfrage zum Thema Autobahnprivatisierung finden Sie auf unserer Website. Dort steht auch unsere gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebene Studie „Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe“ zum Download zur Verfügung.
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PRESSESCHAU
25. Juni. Carl Waßmuth erläutert auf den Nachdenkseiten und im GiB-Blog, warum das „Durchpeitschen der Autobahnprivatisierung sieben Kurzschlüsse unserer Demokratie aufdeckt“.
27. Juni. In der Frankfurter Rundschau verspricht Johannes Kahrs, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, in einem Gastbeitrag: „Nichts wird privatisiert“.
4. Juli. Carl Waßmuth kommentiert im GiB-Blog und in der Frankfurter Rundschau Johannes Kahrs oben genannten Artikel und erläutert die von Bundestag und Bundesrat gefassten Beschlüsse: „Autobahnprivatisierung: Die SPD will es nicht gewesen sein“.
19. Juli. „Privatisierung bleibt Privatisierung!“ Dr. Ulrike Kölver deckt die inhaltlichen Verzerrungen in Johannes Kahrs‘ FR-Beitrag vom 27.6.2017 detailliert auf.
14. Juli. GiB-Blog. In seinem Gastbeitrag zeichnet Herbert Storn, GEW BV Frankfurt, die Argumentation der SPD-Mehrheitslinie im Zusammenhang mit dem Abstimmungsverhalten zur Autobahnprivatisierung nach und legt die desaströsen Erfahrungen der ÖPP-Schulsanierung im Landkreis Offenbach dar. Überschrieben ist der Beitrag mit: „Die SPD will nicht, dass man ihre Privatisierungspolitik so nennt – für die CDU ist Privatisierung dagegen kein Schimpfwort“.
Presse zu unserer Studie „Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe – Öffentliche Infrastrukturen zwischen Daseinsvorsorge und Finanzmärkten“:
17. Juni. In der Berliner Zeitung,erscheint von von Kai Schlieter der Artikel „Studie zu Privatisierung. Wenn der Staat sich selbst als Anlageprodukt verramscht“. Schlieters Urteil: „Allein die Aktualität macht die Arbeit von Carl Waßmuth, Jana Mattert und Laura Valentukeviciute lohnend.“
17. Juli. Josephine Schulz rezensiert in ihrem Artikel „Kein Partner auf Augenhöhe. Studie untersucht grundlegende Probleme der öffentlich-privaten Partnerschaften“ ausführlich die GiB-Studie im Neuen Deutschland.
PPP International:
5. Juli. „Öffentliche Infrastruktur im Blickfeld der G20“. In diesem Beitrag legt Jana Mattert im GiB-Blog und in der Zweiwochenschrift Ossietzky offen, welche Aktivitäten sich hinter dem von der Bundesregierung für ihre diesjährige G20-Präsidentschaft gesetzten Schwerpunkt „Afrika“ verbergen: die Öffnung afrikanischer Infrastrukturprojekte für privates Kapital.
21. Juni. Thomas Fritz erklärt im GiB-Blog, was die Autobahnprivatisierung mit den G20 und Afrika zu tun hat „ÖPP: Öffentlich-private Plünderung“.
22. Juli. „Landeseigene Firma soll Milliardenkredite aufnehmen können“, so überschreibt Ralf Schönfall seinen Beitrag im Berliner Tagesspiegel, in dem er auf die finanziellen Risiken