Liebe Freundinnen und Freunde der öffentlichen Daseinsvorsorge,
im Dezember hat die Bundesregierung das Verfahren für eine große Grundgesetzänderung gestartet – 13 Artikel sollen geändert werden. Mittendrin: die Autobahnprivatisierung. „Eine der einschneidendsten Veränderungen im föderalen Gefüge Deutschlands für die nächsten Jahrzehnte“ gibt der SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider zu. Gleichzeitig verweigert die Koalition das Selbstverständliche dazu: Die gesellschaftliche Debatte des Jahrzehnts!
Mit der Grundgesetzänderung würden im Bereich der Autobahnen viele Privatisierungen möglich, z.B. über Tochtergesellschaften, Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), stille Beteiligungen. Das sagt auch der Bundesrechnungshof. Und was passiert? Nichts. Auch zu den 70 Änderungsvorschlägen der Bundesländer antwortete die Bundesregierung sinngemäß: wir übernehmen davon – Spannungspause – gar keine.
Die SPD will angeblich den Wechsel, Martin Schulz macht soziale Gerechtigkeit zum zentralen Wahlkampfthema. Um dann noch schnell gemeinsam mit der CDU/CSU die größte Privatisierung seit den Neunziger durchzuziehen?
Aber auch die CDU/CSU bedient mit dem Vorhaben keineswegs die Interessen ihrer Wählerschaft. Mit der Privatisierung wird aus der „Ausländermaut“ eine Infrastrukturmaut. Wie hoch diese – dann mehrwertsteuerpflichtige – Maut ausfallen wird, entscheidet die neu gegründete, teilprivatisierte Autobahngesellschaft. Im Interesse ihrer privaten Anleger. Das entspricht faktisch einer Steuererhöhung.
Für eine Grundgesetzänderung sind in Zeiten der großen Koalition die Mehrheiten vorhanden. Aber letztendlich müssen die Abgeordneten im Bundestag doch ganz persönlich zustimmen. Oder eben nicht. Und an dieser Stelle wollen wir eingreifen – mit Ihrer Hilfe! Wir haben eine Aktionsseite mit Mitmachangeboten gestartet – schauen Sie sich die Seite an. Die Abgeordneten müssen sich jetzt mit der Sache befassen. Schreiben Sie Ihren MdBs im Wahlkreis eine E-Mail, oder nutzen Sie unsere Aktionspostkarte!
Ihr Carl Waßmuth für das Gemeingut-Team
P.S.: Rufen Sie doch einen MdB aus Ihrem Wahlkreis mal an und fragen Sie, wie sie oder er abstimmen wird. Das geht! Von Insidern wissen wir: Schon nach drei oder vier solcher Telefonate klagt mancher Abgeordneter „Ständig werde ich zur Autobahnprivatisierung angerufen…“ Auch das kann die Entscheidung beeinflussen.
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Presseschau
In einem neuen, kurzen Erklärvideo zeigen wir, was möglich wird, wenn die Bundesregierung diese Grundgesetzänderung durchbekommt. Eine Maut wie in Frankreich? Ein Verkehrssystem, das die Umwelt kaputt macht? Arbeitsplatzvernichtung und Steuermilliarden für Versicherungskonzerne? Das alles könnte kommen. Sehen Sie sich das Video an, und wenn es Ihnen gefällt: weisen sie viele andere darauf hin!
Die Grundgesetzänderung wurde bisher unter dem Aspekt der Autobahnprivatisierung diskutiert, die damit ermöglicht wird. Tatsächlich ist im Paket auch ein Baustein enthalten, der die Privatisierung im Schulbau enorm beschleunigen könnte. Nachfolgend eine Zusammenstellung der Hintergründe: Schulprivatisierung per Grundgesetz.
Der Tagesspiegel hat als einzige der großen Tageszeitungen über die erste Bundestagsdebatte zur Grundgesetzänderung berichtet. Sein Fazit: Im Bundestag wachsen die Zweifel. Außerdem macht der Tagesspiegel deutlich: Das Zentralisierungsvorhaben hat zwar mit Finanzausgleich wenig zu tun, aber war Bedingung der Bundesregierung, den Ländervorschlag beim Finanzausgleich mitzutragen.
Die Bundestagsdebatte am 17. März hätte spannender sein können. Schäuble stellte das Projekt knapp dar. Die Abgeordneten aus den Regierungsfraktionen gaben sich nachdenklich. Der Bedeutung des Themas wurde beides nicht gerecht. Die Mitschrift der Debatte steht hier.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB und die Gewerkschaft IG BAU haben jeweils deutlich vor der Privatisierung der Autobahnen gewarnt. Die IG BAU hat dazu in vielen Regionen die MdBs direkt adressiert, hier ein Beispiel .
Das Handelsblatt berichtet, dass der Bundesrat rund 70 Änderungswünsche bei der geplanten Bund-Länder-Finanzreform angemeldet hat, auch zur neuen Autobahngesellschaft.
Unter der Überschrift „Der Staat macht es lieber privat“ schreibt Prof. Tim Engartner im Freitag: „Infrastruktur Wohnungen, Krankenhäuser und jetzt die Autobahnen: Der anhaltende Ausverkauf der öffentlichen Daseinsvorsorge befördert die Ungleichheit. Schluss damit“. Engartner weiter: „Es ist die größte Privatisierung seit 1994, als die Deutsche Bahn AG gegründet wurde. Im Jahr 2017 zielt die Selbstentmachtung des Staates auf die Autobahnen.“
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