Liebe Freundinnen und Freunde der öffentlichen Daseinsvorsorge,
das Landgericht Hannover hat entschieden, dass der ÖPP-Betreiber A1 mobil keine Entschädigung für entgangene Gewinne bekommt. Viele denken, der Bund wäre jetzt gut davongekommen – von der Linken über den ADAC bis hin zum Bundesverkehrsministerium (Staatssekretär Enak Ferlemann: „ein echtes Schnäppchen“). Tatsächlich muss der Bund vermutlich bald mehr zahlen als geplant. Wie viel mehr, ist kaum abschätzbar. Aber wie kommt das? Bereits in ihrem Geschäftsbericht 2014 legte die A1 mobil GmbH dar, dass die finanzielle Situation „zur Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz der Gesellschaft führen [würde]“, wenn die Klage gegen den Bund nicht frisches Geld in die Kassen spült. Das Unternehmen hatte seine Kredite in Höhe hunderter Millionen Euro von den Banken in einem Stillhalteabkommen gestundet bekommen. Das Abkommen ist jetzt hinfällig. Eigenkapital ist nicht nennenswert vorhanden: gerade mal 36.000 Euro – das ist die Regel bei ÖPP-Betreibern. Wenn der Insolvenzverwalter kommt und die Bücher aufschlägt, wird er feststellen, dass darin auf der einen Seite viele Millionen Schulden stehen und auf der anderen Seite millionenschwere Verpflichtungen des Bundes für den Betrieb der Autobahnen. Diese Zahlungszusagen werden dann beim Bund zwangsvollstreckt. Auf genau solche Geldflüsse warten jetzt die Hedge-Fonds, die sich dank der ÖPP-Konstruktion in den Autobahnbetrieb einkaufen konnten.
Vielleicht kann der Bund seine Zahlungen etwas kürzen, wenn der insolvente Betrieb seine Leistungen nicht mehr voll erbringt. Zu Unfällen infolge von Betriebseinschränkungen darf es aber nicht kommen. Also muss der Bund den sicheren Betrieb gewährleisten. Das ist Daseinsvorsorge – der Staat wird eine Autobahn nicht einfach schließen, wenn ein Betreiber pleitegeht. Der Bund hat aber keine eigenen Autobahnmeistereien in der Nähe. Er muss teure Doppelstrukturen schaffen und Beschäftigte samt Material täglich hunderte Kilometer heranschaffen. Das wird sicher kein Schnäppchen. Und dem betroffenen Autobahnabschnitt zwischen Hamburg und Bremen stehen viele neue Staus bevor.
Wir warnen seit vielen Jahren vor den Gefahren von ÖPP-Verträgen. Wir wollen nicht Recht behalten. Wir fordern, dass endlich die Lehre gezogen wird: Finger weg von ÖPPs!
Mit herzlichen Grüßen
Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth
für die Aktiven von GiB
PS: Auch bestehende ÖPP-Verträge müssen aufgelöst werden! Sie unterscheiden sich von dem A1-mobil-Vertrag nur darin, dass Mehrforderungen noch nicht gestellt wurden – oder schon heimlich gezahlt werden. Auf Letzteres deutet hin, dass Autobahn-ÖPPs 20 Prozent teurer geworden sind. Dabei sind von den 30 Jahren Laufzeit noch nicht einmal 10 Jahre verstrichen. Um weiter über ÖPP aufklären zu können, benötigen wir finanzielle Unterstützung. Alle Angaben dazu finden Sie auf unserer Spendenseite.
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GiB-PRESSEKONFERENZ / PRESSEMELDUNG
21. November: „Keine Privatisierung und Zerschlagung der S-Bahn Berlin“
In einer gemeinsamen Pressekonferenz wiesen das Bündnis Bahn für Alle und Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) am 21. November auf die Gefahren der Privatisierung und Zerschlagung der S-Bahn-Berlin durch die geplante Ausschreibung hin. Die Organisationen kündigen Widerstand gegen das Vorhaben an. Gleichzeitig zeigten sie auch Alternativen zu den derzeitigen Ausschreibungsplänen auf, so zum Beispiel eine landeseigene S-Bahn, an die der Betrieb direkt vergeben werden könnte.
GiB-ARTIKEL
30. November/Ossietzky 23/2019: In seinem Artikel „Zerschlagung und Privatisierung der S-Bahn“ schildert Carl Waßmuth das mögliche Szenario, das Berlin droht, wenn Betrieb und Instandhaltung der Berliner S-Bahn auf der Nord-Süd-Strecke sowie der Stadtbahn an mehrere private Unternehmen vergeben werden.
23. November/junge Welt: In der jW-Beilage „Bildung“ erscheint Carl Waßmuths Artikel „Schulen verhökert. Berliner Senat öffnet Bildungseinrichtungen für private Investoren. Unter Rot-Rot-Grün könnte Beispiel Nachahmer finden“. Darin erläutert er Vorhaben und Hintergründe der sogenannten Berliner Schulbauoffensive und der damit verbundenen Privatisierung.
PRESSESCHAU (Auswahl!)
Die Presse berichtete in den vergangenen Wochen vielfach über neue und alte ÖÖP- und ÖPP-Skandale. Hier eine Auswahl:
28.11.2019/Nachdenkseiten: Unter der Überschrift „Schlechter Gewinner. Regierung obsiegt im Rechtsstreit gegen Autobahnbetreiber und privatisiert trotzdem munter weiter“berichtet Ralf Wurzbacher über das Gerichtsurteil zur verlorenen Klage des ÖPP-“Partners“ A1 mobil gegen den Bund. Dabei stützt er sich mehrfach auf Informationen von Gemeingut in BürgerInnenhand.
25.11.2019/Tagesspiegel: Schön wäre es, wenn die Überschrift des Tagesspiegel-Artikels stimmen würde. Dann hätten die Aktion und die Pressekonferenz von Bahn für Alle und Gemeingut in BürgerInnenhand bereits gewirkt: „Keine Ausschreibung von S-Bahn-Betrieb. Linke will Gesetzesänderung gegen Wettbewerb im Nahverkehr“. Aber die von der Berliner Linkspartei geforderte Bundesratsinitiative, um künftig Direktvergaben von Verkehrsleistungen zu ermöglichen, bedeutet leider noch keinen Ausstieg der mitregierenden Linken aus der aktuell anstehenden Ausschreibung der Nord-Süd- und Ost-West-Linien der S-Bahn.
25.11.2019/junge Welt: Realistischer sieht Simon Zeise die Lage in der jungen Welt: „Berlin füttert Investoren. Partei Die Linke hält an Plänen zur Privatisierung des S-Bahn-Netzes fest“. Zeise geht in seinem Beitrag auch auf die Pressekonferenz von Bahn für Alle und Gemeingut in BürgerInnenhand am 21. November und die dort aufgezeigten Risiken einer Zerschlagung und Privatisierung der Berliner S-Bahn ein.
15.11.2019/Spiegel/dpa: Von 15 geplanten Autobahnprojekten in öffentlich-privaten Partnerschaften sind 12 teurer geworden als zunächst geplant. Die Gesamtmehrkosten betragen dadurch 3,2 Milliarden Euro. Das berichten Spiegel und dpa. („Private Autobahnprojekte. Linke kritisiert Milliarden-Mehrkosten“).
19.11.2019/Tagesspiegel: Just waren die Pläne des rot-rot-grünen Senats zur Zerschlagung und Privatisierung der S-Bahn beschlossen, da schlug der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, eine Privatisierungsbremse vor. Nach seinen Vorstellungen soll es hohe Hürden für den Verkauf öffentlicher Güter geben, und Privatisierungen sollen nur ausnahmsweise möglich sein. Er wünscht sich die Verankerung einer Privatisierungsbremse in der Berliner Verfassung. Allerdings stehen die Chancen schlecht: Im März trafen sich die Fraktionschefs von SPD, Linken, Grünen, FDP und CDU zu einem Gespräch, um auszuloten, ob man für das Vorhaben eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erlangen könnte. Fazit: Mit der aktuellen Konstellation wird es schwierig bis unmöglich, in der Verfassung den Verkauf landeseigener Gesellschaften von einer deutlichen Mehrheit im Parlament und einer Volksbefragung abhängig zu machen. (Magdalena Thiele/Sabine Beikier: „Gegen Verkauf öffentlicher Immobilien. Regierender Bürgermeister fordert Privatisierungsbremse“)
24. Oktober/op-online: In Hessen glaubt die Mehrheit der Landtagsabgeordneten immer noch an die Segnungen von ÖPP und beschließt, die mehr als 40 Gebäude der Bereitschaftspolizei in Kassel und Mühlheim zu privatisieren. Das Land verspricht sich einen Wirtschaftlichkeitsvorteil von neun Prozent gegenüber einer Eigenrealisierung. Der Mühlheimer Bürgermeister, der ein Alternativkonzept eingereicht hatte, zeigte sich enttäuscht und hofft nun, „dass es für den Steuerzahler in ein paar Jahren nicht doch zu einem bösen Erwachen kommt“. („Landtag verabschiedet PPP-Projekt. Gebäude der Bereitschaftspolizei werden privatisiert – Bürgermeister ist enttäuscht“)