GiB-Infobrief „Der Kampf gegen Klinikschließungen weitet sich aus“

Liebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,

es gibt eine meinungsstarke Lobby in Deutschland, die rege für Klinikschließungen wirbt, öffentlich und in Hinterzimmern. Kaum geht die Zahl der hospitalisierten COVID-19-Fälle etwas zurück, werden aus diesem Kreis neue Studien präsentiert, die eine Überversorgung im Krankenhausbereich behaupten. Obwohl die kleinen Kliniken einen erheblichen und wichtigen Anteil an der Behandlung der Corona-PatientInnen hatten, wird ihre Arbeit nicht gewürdigt, sondern sie werden als überflüssig dargestellt. Deutschland hat mehr Krankenhausbetten und vor allem mehr Intensivbetten pro 100.000 Einwohner als andere Länder Europas – und damit wird suggeriert, dass Deutschland zu viele Krankenhäuser hätte.

Niemand kann sagen, was passiert wäre, wenn Deutschland weniger Krankenhäuser hätte. Und niemand wäre so zynisch zu sagen, dass zu viele Leben gerettet wurden, aber es wird öffentlich geäußert, dass wir zu viele Kliniken haben! Dabei warten viele Menschen mit schweren Erkrankungen schon lange auf einen Operationstermin. Weil die stationären Kapazitäten knapp waren, wurden Betten für COVID-19-Fälle freigehalten und sogenannte elektive Operationen verschoben. Hinter den Schließungsforderungen steht keine Menschenliebe, sondern kalte Ökonomie: Sparwut auf Seiten der öffentlichen Hand und Profitgier bei den privaten Klinikkonzernen.

In Bayern gab es in den letzten Jahren besonders viele Schließungen. Entsprechend stark ist dort der Protest, der von Landkreistag und Gesundheitsministerium inzwischen erste Zusicherungen zum Erhalt der flächendeckenden Daseinsvorsorge im Bereich der Krankenhäuser erreichen konnte. Das wiederum hat die Lobbyisten auf den Plan gerufen: Vergangenen Mittwoch kam es zu einem Besuch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im bayerischen Landkreistag. Spahn wurde von seinen Beratern Reinhard Busse und Boris Augurzky begleitet, die beide vehement Schließungen befürworten. Ebenfalls anwesend waren Vertreter der Deutschen und sowie der Bayerischen Krankenhausgesellschaft und der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Ergebnisse sind noch nicht bekannt, aber es liegt nahe, dass Druck auf GegnerInnen von Klinikschließungen ausgeübt wurde.

Gleichzeitig werden immer mehr Menschen darauf aufmerksam, dass in ihrem Umfeld Klinikschließungen drohen. In Geislingen an der Steige demonstrierten vor zehn Tagen über tausend Menschen für den Erhalt der Helfenstein Klinik, nachts wurden an den Hängen Notfeuer angezündet. Der Kreistag beschloss trotzdem die sukzessive Schließung – ein Affront! Die Bürgerinitiative kämpft weiter, jetzt erst recht. Einen Erfolg gab es in Wolfratshausen: Der Plan einer Veräußerung der Kreisklinik wurde letzte Woche zurückgezogen. In Berlin machte die Initiative „Wenckebach muss bleiben“ vor zwei Wochen das Fernsehen auf die drohende Schließung des 440-Betten-Klinikums in Bezirk Tempelhof aufmerksam und erreichte, dass die Bezirksverordneten vom Senat ein Schließungsmoratorium fordern.

Privatisierungen und Schließungen müssen wir nicht hinnehmen. In diesem Sinne werden wir weiter aktiv bleiben. Und zu Hintergründen und Meldungen werden wir Sie natürlich weiter informieren.

Mit herzlichen Grüßen

Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth

für die Aktiven von GiB

PS: Aufgrund der hohen Nachfrage ist diese Woche die sechste Auflage unserer Sonderzeitung „Klinikschließungen – Zahlen, Gründe, Folgen“ erschienen. Damit haben wir insgesamt bereits 141.500 Exemplare drucken lassen. Helfen auch Sie mit, mehr Menschen zum Thema Krankenhausschließungen zu informieren: Verteilen Sie die Sonderzeitung in Ihrem Bekanntenkreis oder bei Aktionen, zum Beispiel zum Tag der Daseinsvorsorge am 23. Juni. Sie können die gewünschte Menge unter info@gemeingut.org bestellen, wir senden sie dann umgehend zu.

PPS: Wir versuchen, die Sonderzeitung lokalen Zeitungen beizulegen, vor allem in Orten, wo Klinikschließungen akut drohen. Sie können uns helfen, das zu finanzieren und so noch mehr Menschen zu erreichen.Spende für die Beilagen

Presseschau (Auswahl):

Pressemitteilungen von GiB und Bündnis Klinikrettung

20. Mai: Vor der Sitzung im Kreistag hat das Bündnis Klinikrettung die Pressemitteilung „Bündnis Klinikrettung warnt vor der Schließung der Helfenstein Klinik“ verbreitet. Zuvor hat das Bündnis die EntscheidungsträgerInnen per Briefsendungen und in einer Online-Pressekonferenz am 14. Mai, organisiert vom Aktionsbündnis Erhalt der Helfenstein Klinik, über die Gefahren und Nachteile der Schließung für die BürgerInnen in Geislingen informiert und vor der Schließung gewarnt.

Presseberichte über GiB und das Bündnis Klinikrettung

20. Mai Neue Presse: Das Krankenhaus in Ebern soll am 31. Dezember 2021 geschlossen werden. Im Beitrag „Ebern. Bündnis kritisiert Klinik-Neuausrichtung“ berichtet Christian Schuster über die Proteste von den BewohnerInnen und dem Krankenhauspersonal. Auch das Bündnis Klinikrettung hat sich für den Erhalt der Klinik eingesetzt, der Mitbegründer des Bündnisses, Klaus Emmerich, wird mehrmals zitiert. Über die Entscheidung zur Schließung berichtet Christian Licha im Beitrag „Krankenhaus Ebern: Gekämpft und trotzdem verloren“.

17. Mai: Südwest Presse: „Die Helfenstein Klinik ist ein hochwertiges Krankenhaus“. Rubel Wolff berichtet in dem Beitrag über die Pressekonferenz zur Lage der Helfenstein Klinik, die am 12. Mai stattgefunden hat. Das Bündnis Klinikrettung wurde in der Pressekonferenz von Klaus Emmerich und Rainer Hoffmann vertreten, die mit den örtlichen Aktiven und Kreistagsabgeordneten über die geplante Schließung diskutierten. 

7. Mai, rbb Abendschau: Die rbb-Abendschau widmete ausführlich der geplanten Schließung des Wenckebach-Klinikums in Berlin-Tempelhof und stellte in einem Fünf-Minuten-Beitrag den Kampf der Anwohner für die Rettung ihres Krankenhauses dar. Der Beitrag mit den Protesten vor der Klinik wird ergänzt durch ein Interview mit Carl Waßmuth von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB). Das bundesweite Bündnis Klinikrettung geht auf eine Initiative von GiB zurück und stemmt sich gegen die überall im Bundesgebiet stattfindenden Klinikschließungen. Der Beitrag war leider nur sechs Tage nach Erstausstrahlung in der rbb-Mediathek abrufbar.

Neue Beiträge auf der GiB-Seite

26. Mai: Eine stabile Gesundheitsversorgung in peripheren Regionen wird durch die Schließung von Krankenhäusern zunehmend bedroht. Angesichts dieser Lage wird der zusätzliche Einsatz von Rettungshubschraubern und Multikoptern als ein Instrument gesehen, um Versorgungsdefizite zu beheben. Zu Recht? Peter Lessmann-Kieseyer wirft einen kritischen Blick auf diese Entwicklung in seinem Beitrag „Hubschrauber und Multikopter: Ist die Krankenhausversorgung in der Fläche noch zu retten?“.

18. Mai: Das Bündnis Klinikrettung hat eine Stellungnahme zum Positionspapier der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) herausgegeben. Darin begrüßt es, dass die DKG die Stärkung deutscher Krankenhäuser fordert. Kritisch sieht es hingegen die Forderung, über die Schließung  nicht bedarfsnotwendiger Standorte zu diskutieren. Standortschließungen betreffen überwiegend kleine Krankenhäuser in ländlichen Regionen – diese sind sehr wohl bedarfsnotwendig, aber nicht wirtschaftlich.

10. Mai: Noch könnte Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) eine drohende Privatisierung der Klinik Groß-Sand verhindern, um die stationäre Grund- und Regel- sowie Notfallversorgung im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg zu erhalten. Im Artikel „Wenn das Bistum versagt, ist die Behörde gefragt“ analysiert Manuel Humburg die Lage.

26. April: Der Volksentscheid Berlin autofrei startete am 25. April die erste Phase der Unterschriftensammlung. Mehr als 20.000 Unterschriften werden in dieser Phase benötigt. In der aktuellen Ausgabe des Newsletters finden sich die wichtigsten Informationen zum Sammelstart.

21. April: Am 30. März veröffentlichte Steffen Kutzner vom Recherche-Team Correctiv einen Beitrag zu Klinikschließungen mit dem Titel „Liste mit angeblich im Jahr 2020 geschlossenen Krankenhäusern führt in die Irre“. Das Bündnis Klinikrettung hat den Artikel geprüft und kommt zu deutlich anderen Ergebnissen. Aus diesem Grund hat das Bündnis dem Redaktionsteam und den Autor Steffen Kutzner einen offenen Brief geschrieben.

Presseschau zur Lage des Gesundheitswesens

25. Mai, links-bewegt.de: Im bayerischen Wolfratshausen wurde die Privatisierung der Klinik verhindert. Über die Proteste, die zu dem Erfolg führten, berichtet das online-Magazin der LINKEN im Beitrag „Wie man eine Klinik-Privatisierung verhindert“. Ausführliche Beiträge zu den Vorgängen in Wolfratshausen gibt es bei der Süddeutschen Zeitung „Landrat zieht Notbremse bei Klinik-Plänen“ vom 17. Mai und „Endszenarien für die Kreisklinik“ vom 29. April sowie bei Merkur.de in den Beiträgen „Resolution mit 53:0 Stimmen verabschiedet. Debatte über Kreisklinik: Stadträte setzen ‚ein Ausrufezeichen‘“ vom 18. Mai und „‘Muss in kommunaler Hand bleiben‘. Einstimmig: Stadträte verabschieden Resolution pro Kreisklinik Wolfratshausen“ vom 17. Mai.

24. Mai, Südwest Presse: Unter anderem im Beitrag „Aus für Krankenhaus in Geislingen Enttäuschung nach Entscheidung für Klinikschließung“ von Peter Buyer wird in der Südwest Presse der Prozess bis zur Entscheidung der Schließung von Helfenstein Klinik in Geislingen verfolgt (hinter der Bezahlschranke). Viele Informationen dazu gibt es auch auf der Webseite des Senders Donau3FM.


23. Mai, deutschlandfunk: In dem Beitrag „Plädoyer für eine gerechtere Gesundheitsökonomie“ gehen Markus Metz und Georg Seeßlen auf die Probleme im Gesundheitssystem ein, die mit der Pandemie noch deutlicher zu Tage treten. Zum Schluss plädieren sie für eine Neufassung des hippokratischen Eids für die Gesellschaft.

20. Mai, BR24: Im Beitrag „Online-Petition zur Notaufnahme in Dinkelsbühler Klinik“ wird über die Proteste berichtet, die unter anderem der Bündnispartner Aktionsgruppe „Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ organisiert.

19. Mai, die Pressemeldung des Bayerische Landkreistags „Gute medizinische Versorgung unabhängig vom Wohnort – Landkreise beschließen Forderungspapier für die Bundestagswahl 2021“.

14. Mai, Lahrer Zeitung: Julia Göpfert schildert im Beitrag „Ettenheim: Notfall-Ambulanz nur noch werktags?“ den schrittweisen Abbau der klinischen Versorgung in Ettenheim. Um Kosten zu sparen wird dort ab dem 1. August der allgemeine Notfalldienst werktags nur noch tagsüber und am Wochenende sowie an Feiertagen nur noch zwei Stunden offen sein. Mit der künftigen Umwandlung in ein „Zentrum für Gesundheit Ettenheim“ wird die Einrichtung formal kein Krankenhaus mehr sein und darf dann keine Krankenhaus-Notfallversorgung und kein Durchgangsarzt-Verfahren mehr anbieten.

30. April, BR24: In den letzten Jahren sind überproportional viele Geburtstationen geschlossen worden. Im Beitrag „Keine Geburten mehr in Naila: Klinik schließt Geburtshilfe“ wird die Lage in Hochfranken geschildert. Dem Personalmangel kann man nur mit besseren Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen entgegenwirken.

11. Mai, neues deutschland: „100 Tage Ultimatum. Berliner Krankenhausbeschäftigte fordern mehr
Lohn und bessere Arbeitsbedingungen – für alle Klinikmitarbeiter bundesweit“
von von Mischa Pfisterer.

16. April, Stadtanzeiger Ortenau: Die Debatten im Krankenhausausschuss des Ortenaukreises um die Schließung des stationären Betriebs zum 30. September schildert Matthias Kerber im Beitrag „Ortenau Klinikum in Oberkirch: Schließung ab Oktober rückt näher“. Die PolitikerInnen führen die typischen Sachzwänge auf, zum Beispiel Personalmangel. Der Landrat Frank Scherer gibt zu, dass „junge Nachwuchskräfte insbesondere im ärztlichen Bereich kleinere Standorte aufgrund des geringen Leistungsspektrums zunehmend meiden“. Das bestätigen die Erfahrungen aus anderen Standorten: Zunächst werden Abteilungen abgebaut und danach wird aufgrund des Personalmangels geschlossen.

16. April, Ruhr Nachrichten: Felix Mühlbauer informiert im Beitrag „Gesunde Krankenhäuser: Missstände im Gesundheitswesen: Linke sammelt Unterschriften für Volksinitiative“ über die Volksinitiative in Nordrhein-Westfalen.

18. März, SR.de: Im Beitrag „Dudweiler Krankenhaus soll 2025 schließen“ berichtet SR über die Pläne des Klinikbetreibers Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken (CTS), das Krankenhaus in Dudweiler 2025 zu schließen. Dafür soll der Standort auf dem Rastpfuhl deutlich ausgebaut werden. Allerdings ist der „Stadt nicht bekannt, wie die Erweiterungspläne am Rastpfuhl konkret aussehen sollen“ […], deswegen „könne derzeit auch nicht beurteilt werden, ob diese baurechtlich überhaupt umsetzbar seien“. 

Presseschau zu Schulbau, Bahn und ÖPP

19. Mai, kontext: Wochenzeitung „Konzepte für Schienenverkehr. Die Mär vom rettenden Wettbewerb“ von Bernhard Knierim.

17. Mai, Tagesspiegel: „Berliner Politik gegen nachträgliche Änderung der S-Bahn-Ausschreibung“ von Jörn Hasselmann

12. Mai, junge Welt: Im Beitrag „ÖPP-Projekte in Verkehrspolitik. Scheuer weiß von nix“ setzt sich Ralf Wurzbacher mit der Regierungsantwort auf die kleine Anfrage der Linksfraktion zu ÖPP. Es geht um steigende Kosten, zeitliche Verzögerungen und fehlende Belege, warum ÖPP-Verträge überhaupt geschlossen werden.

4. Mai, Berliner Zeitung: „Berlins größte Grundschule verschimmelt und ist baufällig“ von Friedrich Conradi. Die Anna-Lindh-Grundschule im Wedding ist schwer von gesundheitsschädlichem Schimmelpilz befallen. Noch immer gibt es keine Lösung für das nächste Schuljahr.

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