Liebe Freundinnen und Freunde der öffentlichen Daseinsvorsorge,
das war auch für uns neu: Diesen Montag haben wir vor dem Landesverfassungsgericht Berlin einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Es ging dabei um die Privatisierung von Schulen in Berlin, wir wollen die Unterschrift unter den Privatisierungsvertrag zu den Berliner Schulen noch aufhalten. Dabei können wenige Tage entscheidend sein, die Auseinandersetzung ähnelt inzwischen einem Krimi.
Aber von vorn: Am 7. November fand die von uns im Rahmen einer Volksinitiative durchgesetzte öffentliche Anhörung im Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses statt. Am Vorabend – genauer: am 6. November um 18:07 Uhr – hatte uns der Berliner Senat den Entwurf für den Privatisierungsvertrag zugesandt. Wir beantragten in der Anhörung eine Fortsetzung der Anhörung, da es in wenigen Stunden gar nicht möglich ist, einen so komplexen Vertrag zu prüfen. In den zwei Wochen danach ging es hin und her: Wir verlangten weiter – jetzt schriftlich – die Fortsetzung der Anhörung, das Berliner Abgeordnetenhaus schwieg erst lange und lehnte dann ab. Gleichzeitig gab man uns bekannt, dass das Abgeordnetenhaus selbst den Privatisierungsvertrag nicht beraten müsste. Es droht nun eine Situation wie 1999 vor der Privatisierung des Berliner Wassers: Das Parlament gibt eine vage Willensbekundung ab, und der Senat unterschreibt schnell den Vertrag – in diesem Fall mit 37 Jahren Bindungswirkung, das wären sieben Legislaturperioden!
Mit einer Klage auf einstweilige Anordnung versuchten wir, unser Recht auf eine vollständige Anhörung geltend zu machen, um die drohenden Risiken des Privatisierungsvertrags doch noch im Parlament darstellen zu können. Das hat nicht geklappt. Gestern Nachmittag kam die Ablehnung: Das Verfassungsgericht sah keine so große Bedrohung für unser Recht auf Anhörung, um dem Senat deswegen zu untersagen, den Vertrag vorerst zu unterzeichnen. Aber unsere Argumente sind damit nicht verloren! Wenn es uns nicht gestattet ist, unsere Kritik im Parlament vorzutragen, werden wir eben die Öffentlichkeit zu uns einladen.
Außerhalb des Parlaments versteht kaum noch jemand, welche Ziele drinnen verfolgt werden. Schließlich ist es eine Koalition aus SPD, Linken und Grünen, die diese Privatisierung durchsetzen will! Mittlerweile gibt es bei allen drei beteiligten Parteien Landesparteitagsbeschlüsse, die dem vorgelegten Konzept widersprechen – in der Basis rumort es. Die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus wollen deswegen offenbar schnell Fakten schaffen. Heute findet die Plenarsitzung statt, in der über den Privatisierungsvertrag entschieden werden kann. Wir rechnen damit, dass Punkt zur Volksinitiative „Unsere Schulen“ ab 12:30 Uhr behandelt wird. Die Presse wird da sein. Um den PressevertreterInnen noch einmal zu zeigen, wie viele die Schulprivatisierung ablehnen, wollen wir uns vor dem Berlin Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstraße 5, treffen. Kommen Sie dazu: heute, Donnerstag, dem 29.11.2018, um 11.45 Uhr. Wenn Sie verfolgen möchten, wie die Abgeordneten das Thema diskutieren, gelangen Sie hier zur Live-Übertragung der Plenarsitzung.
Mit herzlichen Grüßen
Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth
für die Aktiven von GiB
P.S.: Unser Widerstand gegen einen rot-rot-grüner Privatisierungs-Präzedenzfall in dauert nun schon zwei Jahre an. Das Entscheidende haben wir aber noch nicht erreicht: die Absage des Vorhabens. Helfen Sie mit, und machen Sie andere aufmerksam auf das Thema, leiten Sie diese mail weiter!
***********************************************************************************************
PRESSESCHAU (Auswahl!)
Zur Schulbauprivatisierung in Berlin erschienen in den letzten sechs Wochen unter anderem folgende Beiträge:
27. November. Die Berliner Grünen votierten am vergangenen Sonnabend auf ihrer Landesdelegiertenkonferenz gegen einen kreditfinanzierten Schulbau. Der beschlossene Leitantrag enthält unter anderem die Passage, dass die Grünen “Schulbau und Schulsanierung aus Haushaltsmitteln finanzieren” wollen. Der Beschluss steht damit dem Vorhaben der Berliner rot-rot-grünen Regierungskoalition, einen Teil der Schulbauten kreditfinanziert über die Howoge Wohnungsbaugesellschaft mbH zu realisieren, diametral entgegen. Das berichtet Ralf Wurzbacher in der jungen Welt. Dennoch sieht Stefanie Remlinger für den Senat keinen Änderungsbedarf: “Die in der Koalition getroffenen Vereinbarungen werden wegen des weit fortgeschrittenen Prozesses durch uns nicht mehr in Frage gestellt”, zitiert die junge Welt die Vizevorsitzende und Haushaltssprecherin der Grünen-Fraktion. Carl Waßmuth konstatiert fehlende Legitimation durch die Basis für ein solches Vorgehen grüner RegierungsvertreterInnen. Am 26. November hat die Volksinitiative “Unsere Schulen” nun das Landesverfassungsgericht angerufen, um die Unterzeichnung des Rahmenvertrags zwischen Senat und Howoge höchstrichterlich zu stoppen. Hier geht es zum vollständigen jW-Beitrag mit dem Titel “Beschluss für die Biotonne”.
22. November. “Ausverkauf um jeden Preis. Berliner Grüne rücken von ‘Schulbauoffensive’ ab. Gutachter sprechen von Privatisierung, Senat drückt aufs Tempo” heißt es auf Seite 4 in der jungen Welt. Ralf Wurzbacher berichtet, wie der Widerstand gegen die Privatisierung im Rahmen der sogenannten Berliner Schulbauoffensive wirkt: “Mit Bündnis 90/Die Grünen rückt erstmals eine der drei Regierungsparteien von einer zentralen Zielstellung ab.” Dennoch wolle der Senat bis jetzt nicht von der Howoge Wohnungsbaugesellschaft mbH als Partnerin abrücken. Wurzbacher zitiert eine Sprecherin des Finanzsenators, die den Privatisierungsvorwurf mit einem Lachen abtut. Carl Waßmuth von Gemeingut in BürgerInnenhand beklagt im Artikel: “Die Eile des Ganzen” sei ein »Skandal ohnegleichen und ein Angriff auf die Demokratie.”
21. November. “Erstmals rückt eine der drei Berliner Landesregierungsparteien von den koalitionsintern ausgehandelten Schulbauplänen ab. Die Grünen wollen das größte Investitionsprojekt in dieser Wahlperiode nun doch gerne komplett aus Haushaltsmitteln finanzieren.” berichtet Martin Klesmann in der Berliner Zeitung. “ ‘Unser Ziel ist es, Schulbau und Schulsanierung aus Haushaltsmitteln zu finanzieren’, heißt es in dem vom Grünen-Landesvorstand eingebrachten Leitantrag …” Pikant: Die Landesdelegiertenkonferenz, auf der dieser Antrag zur Abstimmung steht, ist am 24. November; die Hauptausschusssitzung, auf der die Weichen für den Rahmenvertrag mit der Howoge Wohnungsbaugesellschaft mbH abgestimmt werden soll, hingegen am 21. November. Findet die Abstimmung am 21. November wirklich statt, dürfte es interessant werden, wie die grünen Hauptausschussmitglieder abstimmen. Der Artikel ist erschienen unter der Überschrift: “Landesmittel statt Howoge-Kredit.Grüne wollen Schulbau-Pläne ändern”. Gleichfalls lesenswert ist der ebenfalls am 21. November erschienene Kommentar dazu von Martin Klesmann: “Kommentar zum Berliner Schulbau. Zu viel Heimlichkeit in der Landesregierung”. Dort geht Klesmann auch auf den dubiosen Umstand ein, dass Finanzsenator Kollatz zwei Gutachten erst drei Arbeitstage nach der Anhörung der Volksinitiative “Unsere Schulen” dem Parlament zur Kenntnis gegeben hat.
20. November. Unter der Überschrift “Volksinitiative warnt vor Schulprivatisierung” berichtet rbb24, dass sich die Volksinitiative “Unsere Schulen” durch zwei Gutachten, die der Finanzsenator zum Einbezog der Howoge in die sogenannte Berliner Schulbauoffensive in ihrer Privatisierungskritik bestätigt sieht. Laut rbb24 formulieren die Gutachter das allerdings zurückhaltender, während die Finanzverwaltung die Kritik der Volksinitiative laut dem Sender zurückweise.
12. November. Ralf Wurzbacher im Gespräch mit Carl Waßmuth von Gemeingut in BürgerInnenhand. Die junge Welt veröffentlicht ein ausführliches Interview, in dem es um die Berliner Schulbauoffensive und die Anhörung am 7. November vor dem Hauptausschuss und dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie geht. Überschrieben ist das Interview mit “Mietwucher mit Unterstützung des Senats”.
7. November. Mehrere Medien berichten von der Anhörung der Volksinitiative “Unsere Schulen ” im Berliner Abgeordnetenhaus: Ausführlich beleuchtet Martin Klesmann für die LeserInnen der Berliner Zeitung Stimmung und Argumente der Anhörung in seinem Beitrag “Ärger um Berliner ‘Schulbauoffensive’. Volksinitiative sorgt für Tumult im Parlament”. Susanne Vieth-Entus schreibt im Tagesspiegel: “Die Anhörung der Volksinitiative […] geriet am Mittwoch zu einem leidenschaftlichen Schlagabtausch” und überschrieb ihren Beitrag mit “Anhörung im Abgeordnetenhaus Berlin. Das Gespenst der Schulbau-Privatisierung”. Auf der Basis einer dpa-Meldung berichteten auch RTL (“Schulbau-Volksinitiative wird im Abgeordnetenhaus angehört” und Süddeutsche Zeitung (“Abgeordnetenhaus Berlin. Volksinitiative zu Schulen blitzt im Parlament ab”) und die Welt (“Schulbau-Volksinitiative wird im Abgeordnetenhaus angehört”. Die taz bringt einen Beitrag mit dem Titel: “Initiative Unsere Schulen. Volksinitiative findet kein Gehör”. Ebenfalls berichteten rbb24 und die rbb-Abendschau.
6. November. Auch die Berliner Morgenpost berichet: “Berliner Schulbauoffensive wird teurer als erwartet”. Laut Reto Klar versucht der Senat abzuwiegeln. Klar erwähnt in seinem Beitrag auch kurz die am 7. November stattfindende Anhörung der Volksinitiative “Unsere Schulen”. Gemeingut in BürgerInnenhand als Trägerin der Volksinitiative hatte die Kostenexplosion im Zuge der Recherchen für die Anhörung aufgedeckt und publik gemacht und wird darauf während der Anhörung eingehen.
6. November. “Was Sanierung und Neubau der Berliner Schulen kosten, steht noch lange nicht fest. Sicher ist nur: Die bisherigen Zahlen waren unrealistisch niedrig.” schreibt Susanne Vieth-Entus im Tagesspiegel. In ihren Beitrag “5,5 Milliarden Euro reichen nicht” geht sie auf die Kostenentwicklung, die Erklärungsversuche von Senat und Howoge ein sowie auf die kritischen Stimmen: die Volksinitiative “Unsere Schulen” sowie die CDU, die bereits vor einem Jahr ein alternatives Sprinterpaket geschnürt hatte, um den Berliner Schulbau zu beschleunigen.
5. November. Die CDU hat die Kostensteigerungen bei der sogenannten Schulbauoffensive, über die die Berliner Zeitung am Vortag berichtete, am heutigen Montag kritisiert. Martin Klesmann zitiert in seinem Beitrag CDU-Fraktionsvize Mario Czaja wie folgt: „Schneller als erwartet zeigt sich nun, dass das nicht funktioniert, dass Verfahren verzögert und Bauvorhaben immer teurer werden.” Die SPD glaubt hingegen nach wie vor, alles unter Kontrolle zu haben. Senat und Howoge haben ihren Rahmenvertrag über ihre Kooperation derweil vorangetrieben, der nun per Senatsbeschluss in Kraft treten soll., ohne Zustimmung des Parlaments. (Titel des Artikels: “Schulbau-Verzögerungen. Opposition verärgert über Kostensteigerung”)
5. November. Die Fuchsbergschule in Biesdorf-Süd ist gerade fertig und doch schon wieder zu klein. Claudia van Laak berichtet im Deutschlandfunk von der sogenannten Berliner Schulbauoffensive. (“Schulneubauten in Berlin. Der Sanierungsstau bei Schulen rächt sich”)
4. November. Martin Klesmann gibt für die Berliner Zeitung einen ersten Ausblick, auf das, was die Vertrauensleute der Volksinitiative “Unsere Schulen” bei der Anhörung am 7.11.2018 unter anderem aufdecken werden: eine unerhörte Kostenexplosion. Klesmann schreibt unter anderem: “Innerhalb weniger Monate sind die geplanten Kosten für die milliardenschwere „Schulbauoffensive“ des Berliner Senats außer Kontrolle geraten. Vor allem die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge benötigt nach derzeitigem Planungsstand gut 40 Prozent mehr Geld als ursprünglich geplant.” […] Weiter berichtet Klesmann: “Carl Waßmuth von der Volksinitiative ‘Unsere Schulen’ sieht ‘immense Kostenrisiken durch die Einbindung der Howoge’. Er und seine Mitstreiter haben die Kostensteigerungen genau berechnet. Die Volksinitiative, die am Mittwoch eine Sondersitzung im Abgeordnetenhaus zum Thema erwirkt hat, werde die Zahlen dort ‘haarklein präsentieren’“, kündigte Waßmuth an.” Online trägt der Artikel die Überschrift: “Finanzdebakel beim Schulneubau Kosten für die Schulbauoffensive explodieren”.
4. November. Auch der Berliner Kurier bringt einen Beitrag von Martin Klesmann zur Kostensteigerung im Berliner Schulbau: “Preisexplosion. Schulbauten kosten halbe Milliarde mehr”.
2. November. Auf der Website www.haufe.de geht Christian Hunziker der Frage nach, warum sich ein Wohnungsbauunternehmen wie die Howoge plötzlich dem Schulbau widmet und bringt in seinem Artikel ähnlich gelagerte Beispiele aus dem Bundesgebiet. Der Beitrag “Wenn Wohnungsunternehmen Schulen bauen” wird ergänzt durch ein Interview, dass Hunziker mit der Howoge-Geschäftsführerin Stefanie Frensch geführt hat, die die MitarbeiterInnen der Howoge als “Erfüllungsgehilfen des Landes Berlin und als Stütze der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen sowie der Bezirke” sieht.
31. Oktober. “Rot-Rot-Grün betreibt Privatisierung der Berliner Schulen” lautet die Überschrift eines Artikels auf den Nachdenkseiten. Tobias Riegel erörtet die verschiedenen Facetten der milliardenschweren “Schulbauoffensive”, die der rot-rot-grüne Senat Berlins als großen Wurf angekündigt. Und er geht auch auf die Bedenken der Kritiker ein.
GiB veröffentlichte folgende Pressemitteilungen zum Thema Schulprivatisierung:
27. November. R2G verspielt mit der Schulprivatisierung die Glaubwürdigkeit
22. November. Berliner Hauptausschuss weiter auf Privatisierungskurs in Sachen Schulen
20. November. Senatsgutachten bestätigen die Befürchtungen der Volksinitiative “Unsere Schulen”
7. November. Vertrauenspersonen der Volksinitiative fordern: Öffentliche Schulen in öffentlicher Hand!