GiB-Infobrief: Anhörung zur Schulprivatisierung in Berlin

Wir haben es geschafft: Unsere Volksinitiative in Berlin wurde vom Parlamentspräsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses für zulässig erklärt. 28.070 Unterschriften waren gültig! Das sind vierzig Prozent mehr als erforderlich – ein klares Zeichen, dass viele Menschen möchten, dass über die Privatisierungspläne der Landesregierung öffentlich diskutiert wird.

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Liebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,

jetzt müssen wir nach dem Berliner Abstimmungsgesetz innerhalb von vier Monaten in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments angehört werden. Anschließend muss sich das Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses noch einmal mit dem Thema befassen. Direkte Demokratie ist möglich!

Wir hoffen, dass es uns in der Anhörung gelingt, glaubhaft darzulegen, dass der Teil der sogenannten Schulbauoffensive, der zu einer Privatisierung führt, erhebliche Nachteile und Risiken enthält. Dazu wollen wir in den nächsten Wochen detailliert erarbeiten, wie genau diese Privatisierung den Schulbau verzögert und verteuert. Wir wollen auch zeigen, wie im Zuge der formellen Privatisierung und der dafür vorgesehenen komplexen Vertragswerke die Demokratie gefährdet oder sogar geschädigt wird.

Bei allem wollen wir nicht nur meckern: So wie in Stuttgart mit K21 eine günstigere, risikoärmere und leistungsstärkere Alternative zum Tiefbahnhof S21 erarbeitet wurde, so planen auch wir, ein einfach und schnell umsetzbares Maßnahmenpaket vorzustellen, das beweist, dass die Umwandlung von Schule und Schulbau in Finanzprodukte alles andere als alternativlos ist.

Die angebliche Alternativlosigkeit scheint überhaupt eines der wichtigsten Argumente der Befürworter neuer Privatisierungsformen wie der sogenannten öffentlich-öffentlichen Partnerschaften (ÖÖP) zu sein. ÖÖPs sollen demnach zwar ähnlich strukturiert sein wie ÖPPs (öffentlich-private Partnerschaften), im Unterschied zu ÖPPs sollen sie aber harmlos sein und damit prädestiniert zur Umgehung der Schuldenbremse. Gerade erst haben Mitglieder eines Arbeitskreises der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine solche Verteidigung von ÖÖP herausgegeben (siehe Presseschau). Die meisten Risiken sind identisch, die wenigen Risiken, die geringer sind, werden durch andere, neue Risiken aufgewogen. Wie wir in unserer Erwiderung darstellen, handelt es sich um eine Umbenennung ohne relevante Veränderung der Inhalte. Wir sind gespannt, ob diese Argumente auch im direkten Streitgespräch (am 27.8.2018 in Berlin) das anwesende Publikum überzeugen. Es soll eine Videoaufzeichnung geben, wir werden Sie weiter informieren!

Mit herzlichen Grüßen

 

Carl Waßmuth

für das Team von GiB

 

P.S.: Auf unserer Internetseite finden Sie Terminhinweise zur Konferenz „Kommunen und Demokratie“ in zehn Tagen in Erfurt, zu Vorbereitungstreffen zur Anhörung in Berlin sowie ausführliche Informationen zum Streitgespräch am 27.8.2018 in Berlin.

 

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PRESSESCHAU (Auswahl!)

Zur Schulbauprivatisierung in Berlin erschienen in den letzten fünf Wochen u. a. folgende Beiträge:

7. August. Uli Scholz und Herbert Storn (beide in der GEW aktiv) entkräften in einem Blogbeitrag auf der GiB-Seite ein Papier der Gruppe “Alternative Wirtschaftspolitik” der der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

8. August.Berliner Sportbund warnt vor Verdrängung” schreibt Susanne Vieth-Entus im Tagesspiegel über die “Nebenwirkungen” der Berliner Schulbauoffensive. Der Landessportbund habe sich mit einem Appell an alle seine Mitgliedsorganisationen und an die Berliner Sportvereine gewandt, um sie auf das Risiko hinzuweisen, dass der Bestand an ungedeckten Sportanlagen von neuen temporären oder dauerhaften Schulgebäuden bedroht ist. Die vielerorts geplanten Typensporthallen seien für Sportvereine, die ihre Sportart im Freien ausüben, keine Lösung.

15. August. Mehrere Medien berichten über den Investitionsstau an Schulen, unter anderem das Handelsblatt. Nach den Sommerferien müssen so viele Kinder wie nie in reparaturbedürftigen Schulen lernen. Trotz Schulbauoffensiven nimmt der Investitionsstau zu (Martin Greive und Donata Riedel: “Investitionsstau macht deutsche Schulen marode”).

14. August. Finanzsenator Kollatz schließt nun nicht mehr aus, dass das Schulbauprogramm noch mal deutlich teurer werden kann. Das berichtet Martin Klesmann in der Berliner Zeitung in seinem Beitrag “Sanierung, Neubau Schulbauprogramm könnte deutlich teurer werden als geplant”.

10. August: Ralf Wurzbacher interviewt für die junge Welt Carl Waßmuth von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) zu den Chancen, die sich mit der Zulassung der Volksinitiative “Unsere Schulen” und der daraus sich eröffneten Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus ergeben (Titel des Beitrags: “»Senat hat Chance, riesigen Fehler zu erkennen«. Gegen Übertragung von Schulen in privatrechtliche Gesellschaft: Berliner Initiative geht in die nächste Runde. Ein Gespräch mit Carl Waßmuth”)

9. August: In der Berliner Woche ist zu lesen, wann und wie das Primo-Levi-Gymnasium in Weißensee mit der Sanierung der Gebäude zu rechnen hat und wie die Abwicklung über die Howoge laufen soll (“Howoge leistet Amtshilfe”, “Wohnungsbaugesellschaft soll Gebäude des Primo-Levi-Gymnasiums sanieren”). Der  Beitrag stammt von Bernd Wähner.

8. August:Schulinitiative nimmt erste Hürde” berichtet Maria Jordan im neuen deutschland über das Prüfungsergebnis des Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, der die Rechtmäßigkeit der von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB)initiierten Volksinitiative „Unsere Schulen“ festgestellt hat. Im Artikel wird fälschlicherweise berichtet, dass sich das Vorhaben gegen die Berliner Schulbauoffensive richte. Besser Bescheid weiß da der Tagesspiegel. Er weiß, dass die Volksinitiative “Unsere Schulen” die Schulprivatisierung verhindern will. Ulrich Zawatka-Gerlach berichtet darüber in seinem Beitrag “Parlament muss sich mit Initiative zu Schulbauten befassen”.

7. August: Zwischenerfolg für Gemeingut in Bürgerinnenhand (GiB) und alle UnterstützerInnen: “Berliner Volksinitiative ‘Unsere Schule’ ist rechtlich zulässig”, berichtet der rbb unter Berufung auf das Berliner Abgeordnetenhaus. Auch das Magazin Focus hat die Pressemeldung des Abgeordnetenhauses zur Anerkennung der Volksinitiative aufgegriffen und die Drucksache des Abgeordnetenhauses dazu verlinkt. Die junge Welt meldet am Abend des Tages: “Volksinitiative gegen Schulbau-GmbH rechtens”. B.Z. berichtet im Liveticker: “Kritik an Schulbau: Initiative hat Erfolg”.

24./25. Juli: In der Frankfurter Rundschau, der Berliner Zeitung und dem Kölner Stadtanzeiger (Dumont-Gruppe) erscheint ein weitgehend identischer Kommentar von Markus Sievers zur Schuldenbremse (Titel des Beitrags in der Berliner Zeitung: “Zweifel an Erfolgsmodell Schuldenbremse ist vor allem Investitionsbremse”). Den Hintergrund der Meldung bildet das Standpunktpapier “Zukunftsvisionen ermöglichen – Spielräume der Schuldenbremse in den Bundesländern nutzen” (siehe oben).

19. Juli. Für die sogenannte Berliner Schulbauoffensive müsse die Landesverfassung nicht geändert werden, berichtet das neue deutschland. Das gehe aus der Antwort des Senats auf eine Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Michael Efler (Die Linke) hervor (Artikel “Schulbauoffensive ist verfassungskonform” von Jérôme Lombard).

18. Juli. Laut Andreas Otto (Bauexperte von Bündnis 90/Die Grünen) ist jede sechste Stelle bei den Berliner Hochbauämtern unbesetzt, berichtet Stefan Alberti in der taz. Angesichts der geplanten sogenannten Berliner Schulbauoffensive fehle zusätzliches Personal. Fatal sei auch, dass BIM und Howoge zu besseren Konditionen Personal anheuern können als die Bezirke (Artikel: “Großprojekt in Gefahr”).

17. Juli.Auskunftsrechte gingen künftig verloren“ — ein Interview von Gitta Düperthal (junge Welt) mit Laura Valentukeviciute über die Kritik von GiB an der Berliner „Schulbauoffensive“ und über die Übergabe von gut 30.000 Unterschriften an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin.

12. Juli. Kai Schlieter interviewt für die Berliner Zeitung Andy Hehmke, Schulstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, zur Thematik Howoge und Schulbauoffensive. Hehmke gibt zu, dass noch gar nicht klar ist, ob mit dem Howoge-Modell die Schuldenbremse umgangen wird, dennoch hält er diesen Weg für richtig, um sich im Bedarfsfall den Weg zu Krediten offenzuhalten. Zwischen den Zeilen kann man lesen, welcher Druck vom Senat auf die Bezirke ausgeübt wird: Schulbau über Howoge, oder die Schule wird nicht gebaut. (“Schulstadtrat Andy Hehmke zur Schulbau-Offensive: ‘Hier sind keine bösen Mächte am Werk‘”)

10. Juli. Klaus-Dieter Müller, Präsident der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg, äußert sich im neuen deutschland zum gegenwärtigen Bauboom und seinen Folgen. Schleppend sei die Auftragsvergabe im ersten Halbjahr allerdings noch im öffentlichen Bereich gewesen. Für das vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) ausgerufene Jahrzehnt der Investitionen sei die Verwaltung offensichtlich noch ganz stark in der Planungsphase. “Es gibt niemanden im Senat, der uns sagen kann, wann was passiert”, beklagt der Verbandschef. Am Ende hätten kleine und mittelständische Unternehmen das Nachsehen, weil bei einem Auftragspeak eher Generalunternehmer und Großunternehmen zum Zuge kommen. Die vom Senat geplante Auslagerung von Teilen des Schulneubaus an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge nennt Müller eine “Umgehungskonstruktion”, um Vergaberegeln des Landes nicht einhalten zu müssen. Ein Vorgehen, gegen das auch die die Volksinitiative “Unsere Schulen” kämpft. Nicolas Šustr, Autor des Artikels, zitiert Laura Valentukeviciute von GiB zum Anliegen der Volksinitiative. Titel des Artikels: “Jahrzehnt der Investitionen muss mal beginnen”.

6. Juli. Mehr als unglücklich verknüpft die junge Welt die Sanierungssorgen der Schmid-Oberschule Spandau mit der Volksinitiative “Unsere Schulen”. Gerade die von der Volksinitiative kritisierte Umstrukturierung und Privatisierung von Schulgebäuden, -grundstücken und Schulbau führt seit fast zwei Jahren zu massiven Verzögerungen. Die Volksinitiative hat hingegen zahlreiche Vorschläge gemacht, wie Schulbau ohne Privatisierung schneller, demokratischer und kostengünstiger bewältigt werden kann. Es könnte sofort losgehen, wenn denn die Bezirke und der Senat es wollten. Titel des Beitrags: “Eine Bruchbude, genannt Schule”.

 

GiB veröffentlichte folgende Pressemitteilung zum Thema Schulprivatisierung:

7. August. Volksinitiative „Unsere Schulen” zulässig. Berliner Senat muss sich der Kritik an der Schulprivatisierung stellen

 

Zu ÖPP generell war insbesondere interessant:

18. August. In Genua starben mindestens 43 Menschen beim Einsturz einer Autobahnbrücke. Die Autobahn wurde privat betrieben.  Die Diskussion über die Ursachen des Unglücks in Genua facht das Thema Autobahnprivatisierung auch in Deutschland neu an. „Der Staat darf die Verantwortung für Autobahnen nicht abgeben, damit so ein schreckliches Unglück hier nie passieren kann“, sagte Carl Waßmuth von Gemeingut in BürgerInnehand (GiB) gegenüber der taz, für die Lin Hierse im Artikel „Sicherheitsrisiko Privatisierung“ berichtet. Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclub Deutschland, sagte der taz, das Unglück in Genua liefere im deutschen Kontext ein zusätzliches Argument dagegen, Autobahnen privat betreiben zu lassen. „Der Druck auf private Betreiber ist groß, weil sie immer auch eine Rendite erwirtschaften müssen“, erklärte er. Aspekte der Daseinsvorsorge, des Umweltschutzes und der Verkehrssicherheit träten dabei in den Hintergrund. Der Staat müsse keine Gewinne machen. „Das Unglück bestätigt unsere Forderung, dass Straßeninfrastruktur eine staatliche Aufgabe ist, die nicht ausgelagert werden sollte“, so Lottsiepen weiter.

8. August. Ein Autorenkollektiv hat für die Zeit recherchiert, wie Toll Collect dem Staat jahrelang zu viel in Rechnung gestellt hat und wie der Staat darauf (nicht) reagiert: „Ein Kartell gegen die Steuerzahler“).

9. August. Die ARD veröffentlicht in dem NDR-Fernsehmagazin Panorama zum gleichen Thema die Sendung „Wie Toll Collect mit  Steuergeld umgeht“.

 

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