GEW: Keine Ausgliederung von Schulsanierung und Schulneubau in eine Sanierungsgesellschaft

Bild: Achtung Schulkinder von Gabi Schoenemann / pixelio.de

GiB hatte mit der GEW Berlin mehrfach Austausch zu Schulsanierung und Schulneubau über eine privatrechtliche Sanierungsgesellschaft. Wir dokumentieren nachfolgend das zweite, ausführlichere Schreiben von GiB, den Beschluss der GEW Berlin sowie die Antwort des Vorsitzenden Tom Erdmann.


Brief von GiB an die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Berlin vom 28.11.2016 (hier ist der erste GiB-Brief an die GEW Berlin vom 7.11.2016 zu finden)

Sehr geehrter Herr Erdmann,

herzlichen Dank für Ihre Antwort vom 17.11.2016, in der Sie uns mitteilen, dass sich die GEW auf der kommenden Landesdelegiertenkonferenz mit der Frage beschäftigen wird, ob die von der SPD/DIE LINKE/DIE GRÜNEN in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene  Gründung einer privatrechtlichen Infrastrukturgesellschaft zur Schulsanierung und für den Schulneubau  überhaupt sinnvoll ist. Angesichts der Erfahrungen mit der Gründung der Bankgesellschaft Berlin im Jahr 1994 und dem folgenden Milliardendesaster, dem Teilprivatisierungsvertrag Wasserbetriebe, der Gewinngarantien über 30 Jahre Laufzeit enthielt, und der Entscheidung zur neuen Infrastrukturgesellschaft für die Fernstrassen erscheint uns eine zukünftige Teil- Privatisierung der Schulen, die Sie in Ihrem Antwortschreiben vom 27.11.2016 im Koalitionspapier nicht erkennen können, durchaus vorstellbar.

Ihrer Mail konnten wir entnehmen, dass Sie als GEW-Vorsitzender die von der Koalition gegebene Begründung der „Schuldenbremse“ annehmen. Wir können der formlosen Mail nicht entnehmen, ob das nur Ihre private Meinung oder die des GEW- Vorstandes sind. Wir hatten gehofft, dass Sie unseren Brief breit streuen um eine Debatte zu ermöglichen. Darum würden wir auch jetzt noch herzlich bitten.

Ist die Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft alternativlos?

Ausdrücklich möchten wir der angeblichen Alternativlosigkeit (Schuldenbremse zwingt zur Gründung privatrechtlicher Infrastrukturgesellschaften) widersprechen.

Es ist das erklärte Ziel derjenigen, die die Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft zur Sanierung der Berliner Schulen gründen wollen und zudem eine zweite privatrechtliche Gesellschaft zum Neubau von Schulen, Schulden außerhalb des sogenannten „Kernhaushaltes“ aufzunehmen. Eurostat und der Bericht des Stabilitätsrates besagen folgendes zur Ermittlung des  strukturellen Finanzierungssaldos Berlin:

Der Betrag ist ggf. um die Finanzierungssalden aller Einrichtungen des Landes mit eigener Kreditermächtigung (mit Ausnahme von Versorgungsrücklagen und Pensionsfonds) zu erhöhen, soweit diese dem Sektor Staat zugehören. Der Senat berichtet, er habe zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verwaltungsvereinbarung  mit dem Stabilitätsrat keine derartigen Einrichtungen unterhalten. Nun aber ist es das Ziel der Koalition, eine solche Einrichtung zu gründen. Die Schulden dieser Gesellschaft aber gehören nach diesen Regeln zu den Haushaltsschulden!

Die Privatrechtliche Infrastrukturgesellschaft löst also das Problem der Überschreitung der Neuverschuldungsgrenze nicht, da ja die Schulden, wenn diese neue Gesellschaft dem Sektor Staat zugehört, zu den Haushaltsschulden zählen würden.

Ist die Neuaufnahme von Schulden für die Infrastruktur sinnvoll?

  • Ja, wir sind für die Aufnahme von zusätzlichen Schulden für die Sanierung unserer Schulen, wenn die Einnahmen des Landes Berlin (24.6 Mrd. €) dafür nicht reichen sollten . Wir verweisen zudem auf die am 24.11.2016 vom Bundestag beschlossene Summe von 308 Millionen € pro Jahr für Berlin und seine Bezirke als zusätzliche Finanzquelle.

Laut dem vom Chef der Senatskanzlei Böhning im August 2016 der Presse zur Verfügung gestellten Papier, welches die Gründung dieser Infrastrukturgesellschaften als Ziel ausgibt, repräsentieren die Berliner Schulen einen angeblichen Wert von 15,6 Mrd. €.(Seite 14) Zukünftig soll das nötige  Sanierungsvolumen mit einem Wert von 1,32% (Kennzahl „WIederbeschaffungswert“) ermittelt werden. 15,6 Mrd. € x 1,32% ergeben ca. 200 Millionen € jährlich. Dieser Betrag sollte also den Bezirken zur Verfügung stehen, um die Schulen zu sanieren. Dem Böhning- Papier kann man entnehmen, dass für 2016/17 die von den Bezirken veranschlagten Eigeninvestitionen mit 107,5 Mio. € gerade einmal 59% des normativen Bedarfs abdecken.. Vom Aufholen der Investitionsrückstände ist erst ab 2020 die Rede.

  • Für die Sanierung der Schulen fehlen also ca. 90 Millionen € jährlich. Ist das eine ausreichend Begründung für die Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft, der dazu das Eigentum an 800 Schulen übertragen werden soll? Eine Gesellschaft bei der „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ gelten, deren Kontrolle nur über den nicht öffentlich tagenden Beteiligungsausschuß des Parlaments erfolgt und die Bezirke und gewählten Bezirksverordnetenversammlungen entmachtet ?

Zu fragen ist:

  • Wer ermittelt den Wert der 800 Berliner Schulen, mit dem diese in die privatrechtliche Gesellschaft übertragen werden. Wie erfolgt die Bewertung – nach dem Ertragswertverfahren oder dem Substanzwertverfahren? Sind die Daten transparent? Ist die Kennzahl 1,32% (Richtwert für Wiederbeschaffung) richtig?
  • Sollen die 800 Schulen Berlins der neuen privatrechtlichen Gesellschaft, die zu 100% dem Land Berlin gehört, oder als Tochter irgendeiner landeseigenen Gesellschaft existieren soll, in Besitz- und Eigentum der Gesellschaft übertragen werden? Bildet der Wert der Schulen damit den AKTIV- Seite der Bilanz der neuen Gesellschaft?
  • Sollen diese privatrechtlichen Infrastrukurgesellschaften (es gilt das Betriebs-und Geschäftsgeheimnis) auf dieses Eigentum bei Banken Kredite aufnehmen? Ist ausgeschlossen, dass Banken, bzw. andere Geldgeber daraus „Infrastrukturfonds“ auflegen, um Sie Anlegern anzubieten?
  • Der Presse entnehmen wir, dass die Bezirke die Schulen von dieser privatrechtlichen Gesellschaft zurückleasen sollen, also monatlich Geld zahlen müssen. Was ist die Bemessungsgrundlage für diese Finanzflüsse? Bilden In der Gewinn- und Verlustrechnung der privatrechtlichen Gesellschaft diese Beträge dann die gesamte Einnahmen bzw. Umsätze, oder woher bezieht die Gesellschaft weitere Finanzen?
  • Ist diese neue Gesellschaft umsatzsteuerpflichtig? Wenn ja, bedeutet das, dass in den Raten, die die Bezirke an die privatrechtliche Gesellschaft monatlich zahlen sollen zukünftig 19% Umsatzsteuer enthalten ist ? Heißt das, (bei 200 Mio. € Sanierungskosten), dass in dieser Höhe die Bezirke Geld an die Gesellschaft zahlen und darauf allein 38 Millionen zusätzlich aus dem Haushalt für Umsatzsteuer aufgebracht werden müssten ?
  • Im Papier der Senatskanzlei heißt es, dass im Haushalt gesonderte Titel zur Verfügung gestellt würden. Damit soll sichergestellt werden, dass Sanierungsmittel für Schulen auch dort ankommen. Wir fragen, wo diese Mittel für „Sonderprogramme“ herkommen? Fliessen diese Mittel nur dann, wenn die privatrechtliche Infrastrukturgesellschaft gegründet ist?
  • Welche Weisungsrechte und Sanktionsmöglichkeiten hat der Senat auf die neue Infrastrukturgesellschaft Schulen? Die Aussage „Es geht nicht um eine Neuauflage von PPP-Projekten.“ beruhigt uns keineswegs.
  • Die Bundesregierung betreibt die Gründung einer Bundesfernstraßen- Infrastrukturgesellschaft. Dazu will sie das Grundgesetz ändern.

Das Kleingedruckte zeigt: Das Ziel solcher Gesellschaften ist, die Beteiligung Dritter .(„Die Gesellschaft kann sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen“/   Entwurf für ein Gesetz zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr, §2, Absatz 5). Der neuen privatrechtlichen Infrastrukturgesellschaft Verkehr steht es frei, den Erhalt, Ausbau und Betrieb komplett per ÖPP umzusetzen. Dabei geht es im Bund um insgesamt ca. 300 Mrd. Euro für die nächsten 30 Jahre – dem üblichen Vertragszeitraum von ÖPP-Verträgen. Ein größeres Privatisierungsvorhaben gab es in Deutschland seit 20 Jahren nicht.

Die Bundesregierung will künftig auch die Schulprivatisierung erzwingen.

Mit der Autobahnprivatisierung ist für die Bundesregierung offenbar noch nicht genug Privatisierung in den Referentenentwürfen enthalten. Mit den Grundgesetzartikeln 104b und 104c soll deswegen dem Bund das Recht eingeräumt werden, künftig finanzschwachen Kommunen bei Investitionen in den Schulbau „zu helfen“. Diese Hilfe sieht konkret so aus:

Die Bundesregierung kann bei Gewährung von Finanzhilfen finanzschwachen Kommunen im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur künftig „zur Sicherstellung der zweckentsprechenden Mittelverwendung Weisungen gegenüber der obersten Landesbehörde erteilen“. Wenn die Bundesregierung ÖPP für zweckentsprechend hält, kann sie also Weisung erteilen, ÖPP umzusetzen. Und sie hält ÖPP für zweckmäßig: „Förderfähig sind auch Investitionsvorhaben, bei denen sich die öffentliche Verwaltung zur Erledigung der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben über den Lebenszyklus des Vorhabens eines Privaten im Rahmen einer vertraglichen Zusammenarbeit bedient. Dabei kann sie dem privaten Vertragspartner für den investiven Kostenanteil des Vorhabens eine einmalige Vorabfinanzierung gewähren (Entwurf für die Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes, § 13)

Die Kommunen wurden, ausgehend von der ersten rot-grünen Bundesregierung, kontinuierlich und massiv ihrer Einnahmen beraubt. Von 25 Prozent Anteil am Steueraufkommen sank ihr Anteil auf weniger als die Hälfte. Ihnen soll nun die Privatisierung verordnet werden.

Das wollen wir von Gemeingut in BürgerInnenhand nicht mittragen. Wir brauchen die GEW und wünschen uns einen offenen Informationsaustausch mit Ihnen über Sinn und Unsinn dieses Planes der Koalition in Bund und Ländern und eine Diskussion über „Gutes Bauen“. Dazu bringen wir gern unseren Sachverstand ein.

Mit freundlichen Grüßen,

Hannelore Weimar, Gerlinde Schermer , Ulrike von Wiesenau


GEW-Beschluss : Keine Ausgliederung von Schulsanierung und Schulneubau in eine Sanierungsgesellschaft – demokratische Mitwirkung stärken, nicht abbauen!

Von der GEW-Webseite übernommen, letzte Aktualisierung: 05.12.2016

Die GEW BERLIN lehnt die Ausgliederung von Schulsanierung und Schulneubau in Infrastrukturgesellschaften ab, da sie die Mitwirkung demokratisch legitimierter Vertretungen faktisch abschafft und die Privatisierung der Schulgebäude ermöglicht.

Die GEW BERLIN fordert eine Ausweitung der demokratischen Mitbestimmung bei Sanierungs- und Baumaßnahmen von Schulgebäuden. In einer zusätzlichen Planungsphase müssen Beschäftigte, Kinder und Jugendliche sowie Erziehungsberechtigte beteiligt werden. Im Personalvertretungsgesetz ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz so auszubauen, dass die Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen bei Sanierungsmaßnahmen und Schulneubauten ermöglicht wird.

Die Schulbaurichtlinien und Musterraumprogramme müssen im Interesse von Kinder und Jugendlichen, Beschäftigten sowie Eltern in Hinblick auf zeitgemäße und ganztägige Pädagogik weiterentwickelt werden. Eine Absenkung von Standards, wie z.B. Flächenverdichtung, lehnen wir ab.

Die personelle Unterausstattung in den Bauämtern ist eine wesentliche Ursache des Sanierungsstaus! Die Bauämter müssen endlich personell genügend ausgestattet werden, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Die GEW BERLIN fordert außerdem eine verlässliche Grundfinanzierung und eine personelle Stärkung der bezirklichen Schulträger.

Angesichts einer deutlich wachsenden Stadt und wachsenden Anforderungen an die Infrastruktur muss von Seiten des Senats der Schuldenbremse entgegengetreten werden. Die GEW BERLIN fordert den Senat zu entsprechenden politischen Initiativen auf.


Antwort der GEW auf die beiden Briefe von GIB:

Sonntag, 8. Januar 2017

Sehr geehrte Frau von Wiesenau,

danke für Ihr Mail. Unseren Beschluss vom 2.12.2016 zur Sanierungsgesellschaft finden Sie hier. Eine Kurze Bemerkung zur Schuldenbremse: Natürlich lehnt die GEW BERLIN – sowohl die Gewerkschaft als auch ich persönlich – dieses Instrument zur Haushaltskonsolidierung ab. Leider ist sie aber Realität und kann auch durch Beschlüsse einzelner Organisation oder Parteien nicht negiert werden sondern es braucht eine große gesellschaftliche Kraftanstrengung, diese wieder zu kippen.

Beste Grüße

TOM Erdmann

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Tom Erdmann

Vorsitzender GEW BERLIN | Ahornstraße 5 | 10787 Berlin

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