Im Bereich von Schulen und Kitas soll ÖPPgefördert werden – das sieht ein Paket von Grundgesetzänderungen inklusive Begleitgesetz vor (siehe dazu auch hier). Nun setzt sich die GEW damit auseinander. Ausgehend von einem Antrag der GEW Frankfurt, den auch die GEW Hessen unterstützt, sollen sich verschiedene Gremien der GEW mit der Frage befassen. Gemeingut dokumentiert den Aufruf aus Frankfurt:
Der geplante Privatisierungsschub über massive Grundgesetzänderungen und Begleitgesetzen im März 2017 muss verhindert werden!
Denn die Umwandlung von Bundesfernstraßen und Bildungseinrichtungen in Finanzprodukte à la ÖPP (öffentlich-private Partnerschaften) würde Staat und Gesellschaft teuer zu stehen kommen, die Möglichkeiten demokratischer Einflussnahme deutlich verschlechtern und Verkehr und Bildungsinvestitionen negativ verändern. Die im Schweinsgalopp geplanten Grundgesetzänderungen zu sogenannten Infrastrukturgesellschaften und ÖPP-Modellen für Fernstraßen und Schulbauten müssen unbedingt verhindert werden! Die Zeit wird knapp! Ein Privatisierungsvorhaben à la PPP (Private Public Partnership) auf großer und bundesweiter zentraler Stufenleiter soll ebenso intransparent wie CETA bis März 2017 durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werden.
Nicht nur Autobahnen sind betroffen, sondern auch kommunale Investitionen, insbesondere Bildungseinrichtungen. Die Verfügungsgewalt über öffentliches Eigentum soll zentralisiert auf private Firmen übergehen, die dafür die weit überhöhten Renditen einstreichen. Beteiligte Gewerkschaften kritisieren die Pläne, die seit 2014 im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums ausgearbeitet worden sind („Fratzscher-Kommission“) und jetzt zu massiven (Grund)Gesetzänderungen führen sollen. Schon im März 2017 sollen in einem gewaltigen – aber nach dem Willen der Akteure von Regierungen, Hochfinanz, Bau- und Beratungskonzernen möglichst geräuschlosen – Paukenschlag 14 Grundgesetzänderungen, 9 Gesetzesänderungen und 4 neue Gesetze in Bundestag und Bundesrat durchgedrückt werden – knapp vor Ende der Legislaturperiode des Bundestags. Drei Ziele wollen die vereinigten Lobbyisten von DIW, Banken, Versicherungen, Berater- und Baukonzernen mit diesem Schlag durchsetzen:
- Die bisher größtenteils unbeliebten PPP-Projekte, die bei jedem Vorhaben aufs Neue gegen Widerstände durchgesetzt werden mussten, sollen zentral und in einer gigantischen Größenordnung ermöglicht werden.
- Die billigen Staatskredite (unter 1% Verzinsung) sollen durch die wesentlich überteuerte PPP-Rendite ersetzt werden und den Banken und Versicherungen, aber auch den vielen privaten Beraterfirmen, Kanzleien sowie den Baukonzernen und deren Sub-Sub-Unternehmern extra Renditen verschaffen. Allianz hat ihre Renditeerwartung mit 2,5% (bei Fremdkapitalfinanzierung) und mit 5 – 8% (!) beim Betreibermodell beziffert. (Handelsblatt v. 19.9.2016) Und das praktisch ohne Risiko, weil letztlich vom Steuerzahler abgesichert.
- Wesentliche operative Entscheidungen gehen von gewählten Regierungen in Bund, Land und Kommune an private Träger über. Die ohnehin schon minimale Transparenz wird für gewählte Volksvertreter auf nahe Null reduziert. Trump lässt grüßen.
Dabei geht es nicht mehr nur um Bundesfernstraßen, sondern auch um einen zentralen Infrastrukturfonds für kommunale Investitionen, also Bildungseinrichtungen u.v.m. Für die Lobbyarbeit wurde das ‚Beratungs‘unternehmen „ÖPP Deutschland AG“ ab Januar 2017 in „PD – Der Inhouse-Berater der öffentlichen Hand“ umbenannt, weil ÖPP einen negativen Klang habe. Das Management ist im Wesentlichen das Gleiche, auch die Adresse in der Berliner Alexanderstraße ist geblieben. Noch im Dezember hatte die Vorgängerorganisation ungeniert „aus der Welt der Öffentlich-Privaten Partnerschaften“ berichtet, jetzt sollen unter dem neuen Namen alle möglichen Finanzierungsvarianten vorgeblich in gleicher Weise angeboten werden. Billiger geht die Täuschungsabsicht wirklich nicht.
Das Vorgehen des Bundeskabinetts lief weitgehend im Verborgenen ab: Im Sommer 2014 berief Bundeswirtschaftsminister Gabriel die sogen. „Fratzscher-Kommission“ mit Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft unter Leitung des Chefs des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Prof. Fratzscher), die schon im April 2015 einen „10-Punkte-Plan“ sowie ihren Abschlussbericht vorstellte. Ein Jahr lang wurde mit den Ministerpräsidenten ohne parlamentarische Beratung verhandelt, wobei ihnen finanzielle Köder angeboten wurden. Erst am 14.12.2016 hat die Bundesregierung einen umfangreichen Gesetzentwurf (Grundgesetz plus andere Gesetze, s.o.) vorgestellt und will dies in drei Monaten durchpeitschen.
Beteiligte Gewerkschaften haben Minderheitenvotum abgegeben
In dem Abschlussbericht, der die oben genannten Ziele (teils verklausuliert) formuliert, haben die beteiligten Gewerkschaften (IGM, Ver.di, IGBCE, IGBAU und der DGB) ein deutliches Minderheitenvotum formuliert, in der sie die Grundrichtung des Papiers ablehnen und Alternativvorschläge machen. (siehe Anlage – im Wortlaut und als Zusammenfassung)
Diese Alternativvorschläge sollten m.E. als Gegenstandpunkt in den zu führenden Auseinandersetzungen um die geplante Privatisierungsstrategie – insbesondere aus dem Kreis der Gewerkschaften – gemacht werden.
Und das muss verhindert werden
- Ministerpräsidenten lassen sich demokratische Einflussnahme für ein „Butterbrot“ abkaufen. [1]
- Kommunen verlieren zentrale Rechte an Private [2]
- Überteuerte Renditen müssen von den Bürgern bezahlt werden, das Geld fehlt anschließend für die nötigen Investitionen und das Personal. Staatliche Arbeitsplätze und Tarife gehen baden. [3]
Das Bündnis der Vernunft muss die Oberhand gewinnen! Lassen wir die Lobby der Privatisierer nicht zum eigentlichen Gewinner des künstlich geschaffenen Investitions-Defizits der öffentlichen Hand werden! Die ohnehin schon knappen öffentlichen Mittel werden dadurch noch weniger!
Vorschlag zum weiteren Vorgehen in der GEW
A) Die GEW ist von der geplanten „Reform“ enorm betroffen, weil das, was als „die dritte Lehrkraft“ bezeichnet wird, nämlich „der (schulische)Raum“, nicht von den strukturellen finanziellen Defiziten befreit wird, sondern im Gegenteil die Probleme durch die Privatisierung noch verschärft werden. Die Aufklärung darüber muss in der GEW breit anlaufen (insbesondere in den Publikationen), was nicht ganz einfach ist, weil die Materie nicht immer leicht zu durchschauen ist und von den Lobbyorganisationen zusätzlich verschleiert wird.
B) Auf kritische Erfahrungen – insbesondere von GEW und ver.di beispielsweise aus Frankfurt am Main, dem Landkreis Offenbach in Hessen, Hamburg und Berlin – kann zurückgegriffen werden. Ergänzung nach der heutigen Warnstreikrede (8.2.2017) von Willi Donath (Gesamtpersonalratsvorsitzender und ver.di) in Wiesbaden: Auch Erfahrungen von KollegInnen beispielsweise von „Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement“ können genutzt werden.
C) Die geplante Grundgesetzänderung nebst vielen Begleitgesetzen würde eine erhebliche Weichenstellung für die Zukunft in Richtung Privatisierung öffentlicher Güter bedeuten. Deshalb wird sie auch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit und selbst der Parlamente und mit einer denkbar knappen Zeitvorgabe betrieben. Deshalb sind Aktivitäten schon jetzt gefordert. Wir müssen den in der „Fratzscher-Kommission“ vertretenen Gewerkschaften und dem DGB für sein kritisches Minderheitenvotum dankbar sein und daran anknüpfend eigene gewerkschaftliche Finanzierungsmodelle propagieren.
Beschluss- und Handlungsvorschlag:
D) Die GEW Landesverbände und der Hauptvorstand sprechen sich ähnlich wie der GEW Landesverband Berlin gegen das Konzept der Infrastrukturgesellschaft(en) als Vorposten von PPP aus und informieren ihre Mitglieder entsprechend.
E) Die GEW macht sich die Vorschläge des gewerkschaftlichen Minderheitenvotums der „Fratzscher-Kommission“ zu Eigen und organisiert mit Bündnispartnern den Widerstand gegen die vorgesehenen Grundgesetzänderungen. Die geplante Re/Deform muss verhindert werden. Auf der Grundlage des Minderheitenvotums können dann neue Überlegungen angestellt werden.
F) Der (GEW)Gewerkschaftstag in Freiburg im Mai 2017 beschließt entsprechend.
[1] Im Gespräch sind 9,75 Mrd. Euro an Finanztransfers pro Jahr vom Bund an die Länder.
[2] Das in Staat und Kommunen so dringend nötige Know-how für Planung, Durchführung und Controlling von Investitionen wird weiter abgebaut und dem Personal in der zentralen Infrastrukturgesellschaft und ihren regionalen Satellitengesellschaften überlassen, statt in der Kontrolle der gewählten Organe zu sein.
[3] Bereits jetzt werden für die 3,5% der deutschen Autobahnstrecken in PPP 8,8 % der Mittel verbraucht, ähnlich sind die Erfahrungen aus PPP-Schulprojekten. In den Prüfberichten der Rechnungshöfe wird PPP deutlich teurer als vergleichbare öffentlich durchgeführte Projekte gelistet.