Was steht dazu in den Wahlprogrammen der Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP, Linke, Grüne) zur Bundestagswahl 2021?
Unsere Fragestellungen:
- Reaktion auf die kritisierte Schließung von Krankenhäusern
- Reaktion auf die zunehmende Privatisierung von Krankenhäusern
- Reaktion auf die Kritik an den Fallpauschalen
- Reaktion auf die Kritik an der unzureichenden Finanzierung von Krankenhäusern
- Reaktion auf die Zunahme der medizinischen Versorgungszentren (MVZ)
Vorab: Programme sind das eine – die reale bisher praktizierte Politik der folgenden Parteien ist das andere. Das gilt es im Auge zu behalten!
CDU
Nichtssagende Wortwahl wie Krankenhäuser als „wichtiger Anker der medizinischen Versorgung“, „Rückgrat unseres Gesundheitswesens“, „zusammen mit der leistungsfähigen ambulanten Versorgung“.
„Bedarfsgerechte und flächendeckende Grund- und Regelversorgung in der Krankenhausplanung und insbesondere in der Krankenhausfinanzierung wesentlich stärker berücksichtigen“, „gerade mit Blick auf den ländlichen Raum“.
Einschränkung: „Gleichzeitig … stärkere Bündelung entsprechender klinischer Angebote“.
Mehr Digitalisierung bis hin zum „virtuellen Krankenhaus“, mit dem „medizinisches Spezialwissen überall im Land gleichermaßen verfügbar“ wird.
Einschränkung: für alle Bürgerinnen und Bürger soll es „einen digitalen, wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg“ für die Gesundheit einschließlich Notfallversorgung geben; Krankenhäuser werden hier nicht genannt.
Sehr stark herausgestellt: die wirtschaftspolitische Funktion des Gesundheitswesens einschließlich Pharma: „Wir werden die Gesundheits- und Pflegewirtschaft als herausragenden Wirtschaftsfaktor in Deutschland weiter stärken…“ (Deutschland als ‚Apotheke der Welt‘, „Deutschland als ein international anerkannter Standort für Global Health“ befördern.)
Für den Pflegesektor: „die Trägervielfalt … stärken. Auch hier erhoffen wir uns vom Wettbewerb bessere Angebote.“
Alle relevanten Probleme im Gesundheitsbereich werden ausgespart.
SPD
Das ganze Kapitel ist sehr unstrukturiert.
Nichtssagende Wortwahl wie: „Der Gesundheitssektor braucht wieder mehr politische Aufmerksamkeit und Reformen.“
Zunächst die Betonung des Wirtschaftsfaktors (Deutschland als ‚Apotheke der Welt‘, mehr „Innovationskraft“, „maßgefertigte Produkte statt Präparate von der Stange sind Anfang einer neuen Gesundheitswirtschaft“).
Verhaltene Kritik: „Gesundheitswirtschaft kein reiner Markt“ und: „aktive Rolle des Staates“ gewünscht.
„Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor, durch eine Überwindung der Sektorengrenzen […] stärkere Öffnung von Krankenhäusern für ambulante, teambasierte und interdisziplinäre Formen der Versorgung.“
„Potenziale der Digitalisierung nutzen“
Nichtssagende Wortwahl wie: „Stabile und solidarische Finanzierung, Steuerzuschüsse und Investitionsmittel mit klaren Zielvorgaben für Reform“.
Bürgerversicherung soll eingeführt werden.
Dann wieder „Gesundheit ist keine Ware“, aber nichts zur Privatisierung oder Gewinnorientierung, vielmehr: „deshalb müssen die Bürger*innen im Mittelpunkt stehen“.
Dann doch relativ ungeordnet:
„Wir wollen die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beenden […] Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, sollen verpflichtend und weitestgehend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen. Wir stärken die Kommunen bei der Einrichtung und beim Betreiben der integrierten medizinischen Versorgungszentren. Das System der Fallpauschalen werden wir auf den Prüfstand stellen, die Pauschalen überarbeiten und wo nötig abschaffen. Die Grundkosten der Krankenhäuser und der integrierten medizinischen Versorgungszentren werden wir angemessen finanzieren. Bei der Stärkung des Gemeinwohls spielen öffentliche Krankenhäuser eine zentrale Rolle. Den individuellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen werden Fallpauschalen nicht gerecht. […] Deshalb werden wir die Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin neu strukturieren. […] Insgesamt werden wir für eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung der Kliniken, den Erhalt der Versorgung inklusive den Ausbau der integrierten Versorgungszentren in den ländlichen Regionen sowie eine integrierte, bessere Notfallversorgung sorgen.“
FDP
Auch hier zunächst das Bekenntnis: „Wir wollen allen Menschen eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung sichern.“
Gefordert wird „eine nachhaltige Verbesserung der Investitionsfinanzierung für maximalversorgende und kleinere spezialisierte Krankenhäuser.“
FDP sieht aber eine Überversorgung an Krankenhäusern:
„Die Strukturreform im stationären Sektor muss verantwortungsvoll weiterentwickelt und Fehlanreize für eine Überversorgung sowie ein Überangebot an Krankenhausleistungen müssen bereinigt werden.“
Für die Beibehaltung der jetzigen Struktur: “Eine Ungleichbehandlung von privaten, öffentlichen und konfessionellen Trägern lehnen wir genauso entschieden ab wie eine Planungshoheit der Krankenkassen für die Versorgungsstrukturen.“
MVZ ausbauen:
Unter der Überschrift: „Medizinische Versorgungsstrukturen gemeinsam planen“:
„Die Gesundheitsversorgung (muss) künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Wir wollen die künstliche Sektorenbarriere zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich konsequent abbauen und die Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln. Den Rettungsdienst wollen wir modernisieren und die Notfallversorgungsstrukturen bedarfsgerechter und vernetzter gestalten. Integrierte Gesundheitszentren sollen dabei unterstützen, die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen zu sichern. Die Bedürfnisse des ländlichen Raums mit seiner besonderen Versorgungsstruktur sollen durch entsprechende Programme berücksichtigt werden. Wir lassen uns weiterhin vom Grundsatz „ambulant vor stationär“ leiten. Die gesetzlichen Vergütungsregelungen erschweren es derzeit, Behandlungsmethoden aus dem Krankenhaus in den ambulanten Sektor zu überführen. Für die Dauer der Entscheidungsverfahren muss die stationäre Vergütung erhalten bleiben, damit keine Patientin und kein Patient unversorgt bleibt.“
FDP für Wettbewerb unter den Krankenkassen.
Im Pflegebereich: Für „Digitalisierungsschub“ einschließlich Robotik in der Pflege.
Grüne
Sehr viel Zentralisierung bis hin zu einem „neu zu schaffenden Bundesinstitut für Gesundheit“, das als „zentrales Public-Health-Organ durch die Bündelung bestehender Strukturen des Bundes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen“ soll. Der öffentliche Gesundheitsdienst soll mindestens 1 Prozent der Gesundheitsausgaben erhalten.
„Um die Versorgung in Stadt und Land sicherzustellen, wollen wir, dass ambulante und stationäre Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden und etwa regionale Versorgungsverbünde mit enger Anbindung an die Kommunen gefördert werden. […] Dafür wollen wir insbesondere die Einrichtung von gemeinwohlorientierten regionalen Gesundheitszentren unterstützen, in denen alle Gesundheitsberufe unter gemeinsamer Trägerschaft auf Augenhöhe zusammenarbeiten.“
Dezente Kritik an der Ökonomisierung der Krankenhäuser:
„Doch falsche politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen zu Lasten des Patient*innenwohls und zu Kosteneinsparungen zu Lasten des Personals geführt. Es braucht eine verbindlichere Landeskrankenhausplanung, die die öffentlichen Versorgungsinteressen an Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung definiert. Der Bund soll die Möglichkeit haben, dafür gemeinsame bundesweite Grundsätze für die Krankenhausplanung zu definieren. Welche Angebote es vor Ort gibt, darf nicht davon abhängen, was sich rentiert oder was sich Träger noch leisten können, sondern muss sich danach richten, was nötig ist. Dabei hat die flächendeckende, erreichbare Grundversorgung der Bevölkerung einen eigenen Stellenwert. Die Gemeinwohlorientierung im Gesundheitswesen soll gestärkt und der Trend hin zu Privatisierung umgekehrt werden. Die Konzentration auf ertragreiche Angebote muss ein Ende haben. Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues Finanzierungssystem, das eine starke Säule der Strukturfinanzierung beinhaltet. […] Vorgaben zur Personalbemessung, Behandlungs -und Versorgungsqualität sichern eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung. Die seit Jahren zunehmende Lücke in der staatlichen Investitionsfinanzierung wollen wir durch eine gemeinsame Finanzierung durch Bund und Länder schließen.“
Dann doch wieder Zentralisierung:
„An zentralen Klinikstandorten soll in Notfallzentren eine nahtlose Verzahnung der bislang getrennten ambulanten und stationären Versorgungsmöglichkeiten der Notfallversorgung erfolgen. Gerade nachts und am Wochenende sollen diese personell so unterstützt werden, dass Patient*innen in weniger ernsten Situationen auch ambulant gut versorgt werden können. Durch eigene Budgets für die Notfall- und Intensivmedizin sowie einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfallversorgung wollen wir sicherstellen, dass Menschen in Not, in der Stadt und auf dem Land, stets die erwartbare Hilfe auch verlässlich vorfinden.“
Grüne für „solidarisch finanzierte Bürger*innenversicherung“.
Grüne für Digitalisierung bis hin zur Robotik.
Linke
Unter der Überschrift „Pflegenotstand stoppen! Systemwechsel in Gesundheit und Pflege“ wird kritisiert, „dass das Gesundheitssystem falsch organisiert ist“.
So habe die Bundesregierung „keine Strategie vorgelegt, wie der Pflegenotstand in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gestoppt werden kann. Die Politik der Bundesregierungen, dass private Konzerne und Investoren mit unseren Versicherungsbeiträgen, Zuzahlungen, Eigenanteilen und Ausbeutung der Beschäftigten im Gesundheitswesen das große Geld machen können, gefährdet unsere Gesundheit! Damit muss Schluss sein!“
100 000 Pflegekräfte mehr in den Krankenhäusern und 100 000 Pflegekräfte mehr in den Pflegeheimen werden gefordert, eine gesetzliche Personalbemessung für alle Berufe im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen! In den Krankenhäusern sollen Personalabbau und Outsourcing gestoppt und rückgängig gemacht werden, ebenso Ausgliederungen und Privatisierungen.
„Die momentane Finanzierung der Krankenhäuser über das System der sogenannten Fallpauschalen (DRGs) schafft falsche Anreize: Diagnosen, die sich lohnen, werden öfter gestellt. Krankenhäuser werden unter Wettbewerbsdruck gesetzt. Der individuelle gesundheitliche Bedarf steht nicht mehr im Mittelpunkt. Wir fordern die Abschaffung der Fallpauschalen! Die Betriebskosten müssen von den Krankenkassen vollständig refinanziert werden.
Wir wollen Krankenhäuser in kommunale und gemeinwohlorientierte Hand überführen. Gewinne aus dem Betrieb von Krankenhäusern dürfen nicht in die Taschen von Eigentümern und Aktionären fließen. Deshalb brauchen wir ein Gewinnverbot. Wenn keine Gewinnerzielung mit Krankenhäusern mehr möglich ist, verlieren private Konzerne den Anreiz, Krankenhäuser zu betreiben. Wir fordern einen Fonds des Bundes zur Rekommunalisierung, um eine weitere Privatisierung zu verhindern und Entprivatisierungsbestrebungen zu unterstützen. Die Planungsrechte der Bundesländer müssen gegenüber den Krankenhausträgern gestärkt werden. Wir erleichtern und fördern, dass kommunale Krankenhausverbünde geschaffen werden.“
Der ambulante Sektor soll neu gestaltet werden:
„Regionale Versorgungszentren sollen mittelfristig zum Rückgrat des ambulanten Sektors werden. Sie gewährleisten eine hochwertige, interdisziplinäre Behandlung und bieten flexible und familiengerechte Arbeitsbedingungen. Wir wollen Kommunen unterstützen, eigene Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zu betreiben und so die Versorgung zu sichern, gerade im ländlichen Raum. Neben Ärzt*innen, medizinischem Personal und Gesundheitsberufen sollten auch andere Berufsgruppen, wie z.B. Sozialarbeiter*innen und Anwält*innen, einbezogen werden. Modellprojekte wie Gesundheitskollektive sollen unterstützt werden. Auch Psychotherapeut*innen, Physio- und Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, Podolog*innen, Hebammen und Apotheken müssen überall erreichbar sein.“
Finanzierung des Gesundheitswesens: „Wir brauchen eine Solidarische Gesundheitsvollversicherung. Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben. […] Zuzahlungen und Eigenanteile fallen in Zukunft weg“, die Beitragsbemessungsgrenzen werden abgeschafft.
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Die Wahlprogramme sind hier zu finden: https://www.bundestagswahl-2021.de/wahlprogramme/
Ganz herzlichen Dank für all Ihre Mühe!
Mit liebem Gruß
Ursula Mathern
Weck von großen Krankenhaus Komplexen hin zu Kleinen Spezialklineken diese Art spart Kosten und kann in speziellen Bereichen den Betroffenen effektiver helfen
Für Patienten und Angehörige, hat die Partei Die Linke, das Beste Programm und kommt dem Bürgerbegehren am Nächsten.
Bei REHA-Kliniken, kann man Private Anbieter berücksichtigen, die Akutversorgung von Patienten gehört in die Öffentlichen Kliniken.
Die CDU und FDP, will aber weiter die Privatisierung und Schließung von Kliniken vorantreiben. Die SPD, legt sich nicht fest. Mit Karl Lauterbach, wird vieles wieder ausgebremst werden, da er ja immer „ganz Anderer Meinung ist.“
Die Grünen, sind da auch nur halbherzig dabei, was das Gemeingut betrifft.
Als Kreisrat der Ökologisch-Demokratischen-Partei (ödp) habe Ich zusammen mit
der Ortsgruppe der Katholischen-Arbeitnehmer-Bewegung in Seeg eine Veran-
staltung zu unserem deutschen Gesundheitswesen mit dem Titel: Was kommt
nach der Wahl? Kliniksterben und Pflegenotstand“ durchgeführt. Im neuen
„Impuls-Heft“ der KAB ist nämlich genau dieses Thema auf der Agenda!