Erfolge in unserem langen Kampf gegen die Schuldenbremse

Folgen der Schuldenbremse wildpixel/istock.com

Dieses Jahr jährt sich die Einführung der Schuldenbremse zum zehnten Mal. Seit Jahren thematisieren wir regelmäßig, dass die sogenannte Schuldenbremse Investitionen in die Daseinsvorsorge behindert und – schlimmer – als Sachzwangargument für die Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen benutzt wird. 2011 hatten wird einen ersten Flyer dazu erstellt, 2012 ein Faktenblatt. 2015 konnten wir ver.di eine halbe Zusage abringen, sich an Aktionen zu beteiligen, die fordern, Investitionen in die Daseinsvorsorge von den Regelungen der Schuldenbremse auszunehmen.[1] In unserer Kampagne gegen die Autobahnprivatisierung gingen wir noch weiter und forderten, die Schuldenbremse abzuschaffen. Bei alldem war uns bewusst, welch dickes Brett wir da bohren. Potentielle Bündnispartner schreckten regelmäßig vor den als erforderlich angesehenen Änderungen am Grundgesetz zurück. Daher bemühten wir uns auch um kleinteilige Aufklärung und grundsätzliche Sensibilisierung für das Thema. So hielten wir 2016 bis 2018 bundesweit Vorträge, führten Einzelgespräche und brachten die von uns erarbeiteten Zusammenhänge in parlamentarische Anhörungen ein.

Dieses Vorgehen war zuletzt außerordentlich erfolgreich. Bundestagsabgeordnete sowohl der Grünen als auch der SPD stellten die Schuldenbremse dieses Jahr grundsätzlich in Frage und forderten Änderungen beziehungsweise Ergänzungen. Auf europäischer Ebene wurde von deutschen Gewerkschaften in einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) die Forderung von GiB übernommen,  öffentliche Investitionen in die Daseinsvorsorge (hier: in den Wohnbau) von der europäischen Schuldenregel auszunehmen. Und zuletzt forderte das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) die Abschaffung der Schuldenbremse – zugunsten einer stärkeren öffentlichen Investitionstätigkeit.

GiB war nicht die einzige und auch nicht die erste gesellschaftliche Gruppe, die die Schuldenbremse kritisierte – erinnert sei an die Erklärung von 100 Wissenschaftlern gleich zur Einführung 2009 sowie an den Volksentscheid in Hessen 2012. Aber wir haben an dem Thema festgehalten, selbst als wir einige Jahre lang ziemlich allein damit standen. Die Hartnäckigkeit zahlt sich nun aus. Finanziert haben wir die langwierige Arbeit ganz überwiegend durch Spenden und Förderbeiträge von Einzelpersonen. Dazu kam eine Projektförderung der Walter-Hesselbach-Stiftung in Höhe von 4.500 Euro von sowie die Förderung unserer Studie „Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe“ mit 5.000 Euro durch die Heinrich-Böll-Stiftung.

Noch ist die Schuldenbremse nicht gekippt. Wir möchten dennoch mit dieser Zwischenbilanz unseren UnterstützerInnen und GesprächspartnerInnen danken und gleichzeitig darstellen, was wir alles in der Frage der Schuldenbremse unternommen und erreicht haben.

Die Mühen der Ebene: GiB-Aktivitäten zur Schuldenbremse

Einzelgespräche

GiB führte Einzelgespräche mit maßgeblichen AkteuerInnen im Bereich Daseinsvorsorge zum Thema Schuldenbremse, unter anderem mit:

  • Christa Hecht, Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW),
  • Karl-Martin Hentschel, Bundesvorstand von Mehr Demokratie sowie aktiv im Netzwerk Steuergerechtigkeit und in der Attac-AG Finanzmärkte,
  • Dr. Holger Mühlenkamp, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliche Betriebswirtschaftslehre an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer,
  • Renate Sternatz, Leiterin des Fachbereichs Gemeinden bei der Gewerkschaft ver.di,
  • Axel Troost, MdB und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag.

Die Gespräche wurden aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Zentrale Ergebnisse aus den Gesprächen ließen wir in unsere Studie „Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe – Öffentliche Infrastrukturen zwischen Daseinsvorsorge und Finanzmärkten“ einfließen – sie enthält ein eigenes Kapitel zur Schuldenbremse.

Am 4. Mai 2018 fand in Berlin ein von GiB angeregtes Gespräch von Carl Waßmuth (GiB) statt mit

  • Achim Truger, Professor für Volkswirtschaftslehre, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, SPD, inzwischen auch Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung („Wirtschaftsweiser“),
  • Axel Troost, ehem. finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke,
  • Harald Wolf, Bundesgeschäftsführer Die Linke,
  • Birger Scholz, SPD Berlin.

Prof. Truger bedankte sich am nächsten Tag in einer E-Mail mit den Worten:

„Vielen Dank für die gute Diskussion, ich habe viel gelernt.“

Als Ergebnis des Gespräches wurde eine Folgeveranstaltung mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema Schuldenbremse vereinbart (siehe unten).

Parlamentarische Anhörungen

GiB entsandte zu parlamentarischen Anhörungen im Bundestag und in Landtagen Sachverständige und reichte schriftliche Stellungnahmen ein. Die fatale Rolle der Schuldenbremse sprachen wir dabei immer an. Dies geschah unter anderem in einer Bundestagsanhörung zu ÖPP im Verkehrsschuss des Bundestags Oktober 2012, in einer Landtagsanhörung Schleswig-Holstein zu ÖPP im September 2015 und in einer Landtagsanhörung NRW zu ÖPP im September 2015.

In einer Bundestagsanhörung zur Pkw-Maut im Finanzausschuss des Bundestags März 2016 führte Laura Valentukeviciute von GiB aus: Die im Zuge der Pkw-Maut-Einführung geplanten Grundgesetzänderung erlaube, dass die dafür vorgesehene neue „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ Schulden verstecken dürfen soll. Durch die Schuldenbremse dürfen keine Schulden mehr gemacht werden. Nun werde geplant, eine Neuregelung ins Grundgesetz aufzunehmen, nach der die Umgehung der Schuldenbremse ermöglicht werden soll – ausschließlich für den Ausbau der Autobahnen. Valentukeviciute nennt das ein „kontraproduktives und absurdes Vorgehen“. Man müsse darüber nachdenken, wie das Grundgesetz verändert werden kann, um wirklich notwendige Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge zu ermöglichen. Eine solche Ausnahme habe es mit der „Goldenen Regel“ schon einmal gegeben. Die Wiedereinführung werde zum Beispiel vom Sachverständigenrat der Bundesregierung befürwortet.

In der Bundestagsanhörung zur Autobahnprivatisierung im Verkehrsschuss des Bundestags im April 2016 machte Carl Waßmuth von GiB darauf aufmerksam, dass mit Hilfe von ÖPP Schulden vor der Schuldenbremse versteckt werden können. Für die europäischen Schuldenregeln („Mastricht-Kriterien“, Fiskalpakt) müssen ÖPPs gemeldet werden. Mit der neuen Infrastrukturgesellschaft Verkehr bestünde nun offenbar bei der Regierung die Hoffnung, sowohl die Schulden der Infrastrukturgesellschaft als auch ihre ÖPP-Projekte künftig auch vor den europäischen Schuldenregeln versteckt zu können. Waßmuth zitierte Frank Bsirske, der Anfang 2016 davor gewarnt hatte, dass die vorgeschlagene Infrastrukturgesellschaft der Umgehung der Schuldenbremse und dem Aufbau von Schattenhaushalten diene.

In der Bundestagsanhörung zur Autobahnprivatisierung im Haushaltsausschuss des Bundestags im März 2017 wies Laura Valentukeviciute darauf hin, dass Autobahnbau mit ÖPP weder kostengünstiger noch schneller sei und mit der Infrastrukturgesellschaft Verkehr „öffentliche Schulden versteckt werden“.

In der Bundestagsanhörung zur Verwaltung öffentlichen Vermögens und dessen Bilanzierung im Haushaltsausschuss des Bundestags im April 2017 bezeichnete Carl Waßmuth die Schuldenbremse als einen der wichtigsten Privatisierungstreiber. Sie behindere nachholende Investitionen. Die Exekutive habe Investitionen zuvor sogar bewusst vernachlässigt. Als Ausweg dienen der Regierung zahlreiche Privatisierungsformen wie ÖPP-Projekte. Konsequenzen wären unter anderem der Verlust der demokratischen Kontrolle und der gesteigerter Einfluss von Kapitalanlegern auf Infrastrukturen.

Vorträge und Diskussionen

Zum Thema Schuldenbremse trugen GiB-MitstreiterInnen unter anderem auf den folgenden Veranstaltungen vor:

  • Workshop „Öffentlichkeit erreichen“ von Carl Waßmuth auf der Tarifkonferenz der Gewerkschaft ver.di am 27. Oktober 2016 in Fulda,
  • Vortrag und Diskussion mit Laura Valentukeviciute am 8. November 2016 in der Stadthalle Detmold,
  • Vortrag von Carl Waßmuth „Öffentlich-Private Partnerschaften“, anschließend Diskussion mit Bundestagskandidaten und Carl Waßmuth, für die Arbeitskammer des Saarlands, 12. September 2017, Homburg.

Unter dem Titel „Berliner Schulbauoffensive – Einstieg in die Privatisierung oder sinnvolle Umgehung der Schuldenbremse?“ veranstaltete die Rosa-Luxemburg-Stiftung am 27. August 2018 einen Diskussionsabend mit Carl Waßmuth von GiB. Außerdem waren auf dem Podium:

  • Ulrich Scholz, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,
  • Daniela Trochowski, Staatssekretärin im Finanzministerium Brandenburg,
  • Achim Truger, Professor für Volkswirtschaftslehre, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Dr. Axel Troost vom Gesprächskreis Wirtschaftspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung moderierte die Diskussion. Die gesamte Veranstaltung wurde auf Video aufgezeichnet und kann hier angesehen werden.

Veröffentlichungen

GiB thematisierte durch die Schuldenbremse verursachte Probleme auch in Blogbeiträgen, Kommentaren und Infobriefen. Dies waren insbesondere:

Straßenaktion und Unterschriftenaufruf

Nicht zuletzt brachten wir die Kritik an der Schuldenbremse auch auf die Straße: In unserer Straßenaktion „ÖPP gesetzlich stoppen“ vor dem Bundesverkehrsministerium am 19. September 2017 thematisierten wirdie Folgen der Schuldenbremse wie folgt (Auszug aus der Pressemitteilung):

„Unsere Straßenaktion richtete sich gegen die ausnahmslos gemeinwohlschädlichen Folgen öffentlich-privater Partnerschaften. Angesichts des zu diesem Zeitpunkt gerade bekannt gewordenen Skandals beim ÖPP-Projekt Autobahn A 1 Hamburg-Bremen fühlte sich GiB in seiner jahrelangen ÖPP-Kritik bestätigt. Die Entwicklungen zur A1 zeigten auch, wie folgenschwer die Grundgesetzänderungen zur Autobahn-Privatisierung  vom Juni 2017 sind. GiB forderte daher, ÖPP gesetzlich zu verbieten und die noch laufenden ÖPPs abzuwickeln. Die Parteien sollten sich schon im Wahlkampf gegen ÖPP stellen.“

GiB geht davon aus, dass der damalige Finanzminister Schäuble schon seit Jahren vom A1-Debakel wusste und diese Informationen vor der Abstimmung der Bundestagsabgeordneten und des Bundesrats zurückgehalten hat. Das Täuschungsmanöver war nach Auffassung von GiB kein Versehen. Carl Waßmuth in der Presseerklärung: „Schäuble braucht ÖPP, um die Politik der ‚Schwarzen Null‘ weiterzuführen. Denn mit ÖPP kann die sogenannte Schuldenbremse umgangen werden. Mit anderen Worten: ÖPP ist Umverteilung von unten nach oben. Für dieses Prinzip will Schäuble nicht offen werben. Deswegen wird mit Tricks gearbeitet, in diesem Fall mit Verstecken und Verschweigen.“

Auch in dem Unterschriftenaufruf „Gemeingüter unter demokratische Kontrolle!“, den GiB in diesem Zusammenhang startete, wird die Schuldenbremse kritisiert (siehe Petition auf der GiB-Website).

„… Da es mit Hilfe von ÖPPs jedoch vielfach möglich ist, Kredite für Investitionen aus öffentlichen Haushalten auszulagern, kommt es trotz der bekannten Nachteile weiterhin zum Abschluss von ÖPP-Verträgen. Die ab 2020 für die Länder geltende Schuldenbremse wird diese Tendenz vermutlich noch erheblich verstärken. Bleibt diese Logik ungebrochen, werden in den nächsten Jahren hunderte, wenn nicht tausende Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Straßen, Nahverkehrssysteme und andere Vorhaben mittels ÖPP-Verträgen für zumeist 30 Jahre an Private abgegeben. Die Mehrkosten dieser ÖPP-Welle werden voraussichtlich in die Milliarden Euro gehen, der öffentliche Sektor würde nachhaltig geschwächt.

Sie als unsere neue Regierung wollen unbedingt Investitionen anschieben. Aber darf das gleichzeitig ein gigantisches ÖPP-Fördervorhaben werden? Wir finden: Nein! So eine Entwicklung muss unbedingt verhindert werden …“

Die Erfolge: Öffentliche Kritik an der Schuldenbremse

Bundesländer am Beispiel Berlin

Ein Entwurf für ein Landesgesetz in Berlin sieht vor, auch die Haushalte landeseigener Unternehmen in die Schuldenbremse einzubeziehen. GiB kritisiere das Mitte Juni 2019 in einer Pressemitteilung und wurde daraufhin vom Fernsehsender RBB interviewt. Der schuldenbremsenfreundliche Finanzsenator Matthias Kollatz, SPD, musste im RBB direkt auf GiB antworten und kam dabei in Erklärungsnot:

GiB: „Die Kredite müssen ohnehin aufgenommen werden, denn keiner sagt, er will nicht investieren. Der Finanzsenator will ja auch investieren. Das heißt, die Kredite werden anders aufgenommen und dieses Anders-Aufnehmen bedeutet Schattenhaushalte und öffentlich-private Partnerschaften.“

RBB, an den Finanzsenator von Berlin:

„Wir haben die Kritik gehört, Sie würden jetzt einfach Schattenhaushalte aufmachen um die Schuldenbremse zu umgehen. Was sagen Sie dazu?“

Matthias Kollatz, Finanzsenator:

„Ja, wenn das richtig wäre, dass man die Kredite ohnehin aufnehmen muss und wir sie über die Haushalte aufnehmen, dann muss man sagen, die Schuldenbremse erlaubt das uns nicht. Also ist die Frage, nimmt man die Kredite dort auf, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist und passt, oder nimmt man bestimmte Investitionen nicht vor. Und da ist die Entscheidung in Berlin, wie ich finde, richtig dafür, dass wir im Jahrzehnt der Investitionen die Möglichkeiten zu investieren und Kredite für Investitionen aufzunehmen die richtige.“

RBB:

„Ist das schon mal ein Weg, um dafür zu sorgen, dass die Schuldenbremse nicht irgendwann all Ihre Investitionspläne ausbremst?“

Matthias Kollatz, Finanzsenator:

„Natürlich ist das ein Weg und das ist ein konformer Weg. Das heißt, es ist ein Weg, der gewollt ist, weil es natürlich darum geht, dass wir auch die Fähigkeit behalten, über die Unternehmen die Kredite zurückzuzahlen.“

Wenige Wochen nach diesem denkwürdigen Interview wandten sich prominente Politiker und GewerkschafterInnen in einem öffentlichen Aufruf gegen den von Kollatz vorgeschlagenen Gesetzentwurf: Dierk Hierschel (ver.di-Bereichsleiter Wirtschaftspolitik), Jan Priewe (Hans-Böckler-Stiftung), Sabine Reiner (ver.di-Ressortkoordinatorin), Thomas Sauer (Hochschule Jena), Axel Troost (Rosa-Luxemburg-Stiftung) und Harald Wolf (Die Linke). Berlin würde mit dem Gesetz die Schuldenbremse noch verschärfen. In dem Aufruf kritisieren sie auch, es würde der Anreiz erhöht, „verstärkt in öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) auszuweichen“ – das ist wortwörtlich unsere Kritik, die damit auf (Landes-) Regierungsebene ankommt.

Bundestag am Beispiel Bündnis90/Die Grünen

Auf Bundesebene stellten zwei Bundestagsabgeordnete der Partei Bündnis90/Die Grünen, Anja Hajduk und Danyal Bayaz, die Schuldenbremse grundsätzlich in Frage (siehe dazu einen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 30. Mai 2019): Die Schuldenbremse verpflichte zum ausgeglichenen Haushalten, „aber sie verpflichtet uns eben nicht, zielgerichtet zum Investieren“. Die Abgeordneten fordern, die Schuldenbremse mit einer Investitionsregel zu ergänzen, die sicherstelle, dass das öffentliche Vermögen wieder wachse. Der Spielraum für Kredite könne damit – ausdrücklich nur Investitionen – erhöht werden. Anja Hajduk ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Danyal Bayaz Mitglied im Finanzausschuss und im Haushaltsausschuss des Bundestags.

Bundestag am Beispiel SPD

Innerhalb der SPD fordert eine Gruppe von fünf Bundestagsabgeordneten eine Abkehr von der „Schwarzen Null“ und der Schuldenbremse sowie eine Goldene Regel für öffentliche Investitionen (hier zum Positionspapier). Öffentliche Investitionen sollen demnach auch durch Kredite finanziert werden. Sie fordern außerdem eine Erhöhung der Nettoinvestitionsquote:

„Bisher setzen „Schwarze Null“ und Schuldenbremse auf der einen Seite und ein durch den Koalitionsvertrag selbst auferlegtes Verbot steigender Steuereinnahmen ein abschnürendes Korsett. Der Staat konnte seine Verbindlichkeiten (Schulden) zuletzt deutlich abtragen, auf der anderen Seite erleben die Menschen aber einen mittlerweile übergroßen Investitionsstau.“

„Mehr denn je gilt die Goldene Regel für öffentliche Investitionen aus der Volkswirtschaftslehre: Öffentliche Investitionen sollen auch durch Kredite finanziert werden.“

Europäische Bürgerinitiative

Auf europäischer Ebene wurde von deutschen Gewerkschaften eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) zum Wohnen gestartet, die eine Ausnahme für Investitionen in den Wohnungsbau fordert – und damit eine wichtige Forderung von Gemeingut übernimmt: „keine Anwendung der Maastricht-Kriterien auf öffentliche Investitionen in leistbaren Wohnbau“. Hier eine Darstellung der Forderung auf der Website von attac:

„Öffentliche Investitionen in bezahlbaren Wohnraum müssen von den Maastricht-Kriterien ausgenommen werden. Damit richtet sich die EBI gegen die insbesondere von Deutschland forcierte Schuldenbremse auf europäischer Ebene und fordert die teilweise Einführung der sogenannten goldenen Regel für öffentliche Investitionen.“

Wirtschaftsforschungsinstitute DIW und IW

2009 hatte die arbeitgeberfinanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) großformatig Bilder einer sparenden „schwäbischen Hausfrau“ plakatiert – Sinnbild Merkelscher Austeritätspolitik und gleichzeitig der Mediencoup zur Einführung der Schuldenbremse schlechthin. Mittlerweile findet der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Michael Hüther:

„Die Schuldenbremse ist nicht mehr zielführend, denn die Bedingungen haben sich geändert.“

Eine der geänderten Bedingungen könnte sein, dass die kapitalseitig erwünschte Schuldenbremsen-Umgehung ÖPP inzwischen auf erhebliche Widerstände stößt – auch dank unserer Aufklärungsarbeit. Und ohne solche Umgehungen fehlen Investitionen, und damit fehlen den Arbeitgebern die Aufträge.

Und die vom DIW erhobene Forderung zur Abschaffung der Schuldenbremse ist nun, im Sommer 2019, das bisher letzte Glied einer längeren Kette kritischer Äußerungen. Zur Erinnerung: Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, hatte eine (später nach ihm benannte) Kommission geleitet, die der Autobahnprivatisierung und ÖPP erheblichen Vorschub leistete. Die von der Fratzscher-Kommission geforderte Autobahn-GmbH sollte unter anderem ermöglichen, die Schuldenbremse zu umgehen. Nun sagt derselbe Fratzscher:

„Die Schuldenbremse ist unsinnig und schadet Deutschland.“

Und die von ihm geführte Einrichtung, das DIW, zieht in der umfangreicheren Studie das Fazit:

„Die Schuldenbremse gehört abgeschafft.“

Fazit

Das finden wir auch; und zwar seit vielen Jahren. Nun ist es für die Politik Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen.

[1]                    Leider wurde diese Zusage von ver.di nie mit erkennbaren Aktivitäten hinterlegt. Dafür äußerte sich aber Frank Bsirske zur Umgehung der Schuldenbremse auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 25.2.2016 wie folgt: „Es ist ein Stück aus dem Tollhaus: Erst wird eine Schuldenbremse beschlossen, dann sucht man Wege, sie zu umgehen.“

Zum Foto siehe: https://www.flickr.com/photos/insm/albums/72157631843282240

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