Ein subjektiver Blick zurück in das Sommerloch, von Jürgen Schutte / GiB
An der Ablehnung von Privatisierungen durch ungefähr 85 Prozent der Bevölkerung kann kein Zweifel mehr bestehen. Eine kritische Einschätzung der Public Private Partnership und ihrer Folgen wird in der veröffentlichten Meinung immer öfter wahrgenommen. Dem gegenüber ertönen die Stimmen der PPP-Lobby, die trotz der zahlreichen Pleiten und Pannen ihre Propaganda fortsetzen als wäre nichts geschehen. Wenn es nicht so schädlich wäre, könnte man diese Beteuerungen unbeachtet lassen. „Alles wird gut“ – so tönt es einem entgegen. Pfeifen im dunklen Wald nannten wir das vor Jahren.
Inzwischen scheint aber auch die Entschlossenheit der Politik zugenommen zu haben, mit allen Mitteln weiter zu machen wie bisher. Sie tun das um den Preis, einmal mehr als Verächter des zweifelsfrei feststehenden Bevölkerungswillens dazustehen. Schade, dass man sich kein neues Volk wählen kann …
Der Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel will „Mit Hilfe von Experten Investitionen ankurbeln“, meldet das Handelsblatt am 27. August (http://www.handelsblatt.com/politik/international/mit-hilfe-von-experten-gabriel-will-investitionen-ankurbeln/10619378.html) Er sucht hierzu den „Schulterschluss mit der Finanzindustrie“ und beruft unter anderem Vorstände der Deutschen Bank, der Versicherungen Ergo und Allianz in einen Expertenbeirat, der laut Handelsblatt am 28. August zum ersten Mal tagte.
Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, wird dem Beirat vorstehen. Er sagte dem Handelsblatt: „Letztlich geht es um die Frage, wie wir die riesigen privaten Ersparnisse in Deutschland für Investitionen mobilisieren können.“
Das hat eine vertrackte Logik. Die Ersparnisse werden in einem Infrastrukturfonds angelegt, um sich zu vermehren. Da viele der Projekte viel teurer werden als vorausberechnet oder sogar in Insolvenz enden, müssen die Sparer damit rechnen, dass sie gegebenenfalls mit der Steuer die Summe zur Rettung ihrer Anlagen aufbringen müssen, die sie z. B. in Form einer privaten Rentenversicherung gespart haben. Andererseits gilt, was uns der Versicherungsbote vom 29. August mitteilt: „So könnte von dem Geld, das der Steuerzahler für PPP-Projekte mehr zahlen muss, sogar der Steuerzahler indirekt profitieren: sofern er eine Lebensversicherung abgeschlossen hat.“ (http://www.versicherungsbote.de/id/4802953/Sigmar-Gabriel-Expertenbeirat-Infrastruktur-Ergo-Allianz/)
Derselbe Versicherungsbote erklärt auch den Zusammenhang von vergangenen Fehlern, gegenwärtiger Misere der Kommunen und zukünftigem Abkassieren beim Steuerzahler: „Dass Investitionen in die Infrastruktur dringend notwendig sind, daran besteht kein Zweifel. Fast 50 Prozent aller deutschen Brücken sind marode, warnt Bauingenieur Günter Jost vom TÜV Rheinland. Auch viele Straßen zerbröckeln und zeigen gefährliche Schlaglöcher. […] Laut einem Bericht der staatlichen Förderbank KfW haben die deutschen Städte 2013 dringend notwendige Investitionen in Höhe von 118 Milliarden Euro unterlassen. […] Doch warum plant nun Sigmar Gabriel einen Beirat, der überwiegend mit Finanz-Vorständen besetzt ist?“
Kurz und bündig urteilt DIE ZEIT, was der Versicherungsbote zitiert: „Der Wirtschaftsminister plant ein Milliardengeschenk für Versicherungen und Banken“. (http://blog.zeit.de/herdentrieb/2014/08/28/der-wirtschaftsminister-plant-milliardengeschenk-fuer-versicherungen-und-banken_7698)
„ÖPP-Projekte laut Gutachten regelmäßig teurer“ und „Die Finanzbranche gibt ihre Milliarden nicht ohne staatliche Gegenleistung.“ teilt der Versicherungsbote seinen LeserInnen wahrheitsgemäß und abschließend mit.
Angesichts dieser bekannten, aber derzeit noch unaufhaltsamen Durchstecherei freuen wir uns über die Wachsamkeit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (faz.net) vom 1. September: „Es geht um unser Geld.“ (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/geht-der-staat-mit-unserem-geld-gut-um-herr-eggers/es-geht-um-unser-geld-teure-private-projekt-finanzierer-13126650.html) Um Negativ-Beispiele über die Manöver privater Interessen mit unserem Geld sind wir nicht verlegen; es stimmt aber ein bisschen optimistisch, sie in der FAZ gedruckt zu sehen. Da heißt es: Das Bundesverkehrsministerium „hat sechs Autobahnprojekte mit einem Wert von 5,1 Milliarden Euro realisiert. Der Bundesrechnungshof hat ermittelt, dass von diesen ÖPP-Projekten allein fünf um insgesamt 1,9 Milliarden Euro teurer sind als sie es durch eine konventionelle Realisierung gewesen wären.“ „Dies wird dem Steuerzahler aber nicht gesagt. Er wird also getäuscht“. Soweit die FAZ.
Ganz ähnliches hatte schon die Berliner Zeitung vom 18. Juli ausgemacht. PPP ist für dieses Blatt eine „teure Partnerschaft“. (http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/oeffentlich-private-bauprojekte-teure-partnerschaft,10808230,27884052.html)
PPP, scheinbar ein Ausweg aus der Schuldenkrise der Kommunen, die ja eigentlich eine Unterfinanzierungs-Krise ist, sei eine Täuschung – und zwar eine bewusste Täuschung der BürgerInnen.
Noch ein Schulterschluss wird in diesem Zusammenhang aktenkundig: Bundesverkehrsminister Dobrindt teilte mit, dass er bei seinen Autobahnplänen auf die warnenden Gutachten des Bundesrechnungshofs – nichts gebe. „Dafür erhält er den Beifall der Bauindustrie: ÖPP-Verfahren und -Verträge machen öffentliche Bauprojekte termintreu, kostensicher und transparent, so Nikolaus Graf von Matuschka, Vorsitzender des ÖPP-Arbeitskreises im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie.“ Soweit auch die Berliner Zeitung.
Interessant ist auch die Stellungnahme des Automobilclub Europa (ACE), dessen Vorsitzender, Stefan Heimlich, das Schlusswort haben soll: „Bei ÖPP-Projekten im Straßenbau prallen Dinge zusammen, die nicht zusammen passen. Straßenerhalt als Staatsaufgabe und Renditeerwartungen der Unternehmen ergeben keine Basis für eine Partnerschaft. Bisherige Projekte haben gezeigt, dass in solchen Partnerschaften für Probleme der Staat und für Gewinne die Unternehmen zuständig sind. Ein Zukunftsmodell sieht anders aus.“ (http://www.ace-online.de/der-club/news/staatspflicht-statt-rendite-ace-oepp-modelle-sind-kein-zukunftsmodell.html?no_cache=1)
Schön wäre es, wenn die Regierungen des Bundes und der Länder dem Beispiel von Sachsen-Anhalt folgten und ihr Gebiet zur PPP-freien Zone erklärten. Sie sind schließlich alle verpflichtet, Schaden von ihrer Bevölkerung abzuwenden.