Debatte über ein neues Museum für Berlin. Von Jürgen Schutte (GiB)
Ein „Architekturleuchtturm“
Es fing so hoffnungsvoll an: Ein neues repräsentatives Museum, schon seit längerer Zeit im Gespräch, rückte in den Bereich des Möglichen, als der Bundestag im Haushaltsplan 2014 zweihundert Millionen Euro für das Projekt bereitstellte [1]. Man war sich einig: Die Ausstellungsflächen der Neuen Nationalgalerie reichen nicht mehr aus für die vorhandenen Werke der Moderne [2]. Ein Bedarf ist also gegeben. Und da die BerlinerInnen – von den anzulockenden Touristen einmal abgesehen – als eifrige Museumsbesucher gelten, ist auch mit dem Interesse eines breiten Publikums zu rechnen. Ein wichtiger Anstoß kam von vier Berliner Kunstsammlern, die ihre Schätze für das neue Museum zur Verfügung stellen wollen.
Am 3. September letzten Jahres hat die Kulturstaatsministerin Monika Grütters nach längerem Hin und Her einen offenen Ideenwettbewerb gestartet. Diesem Wettbewerb folgt jetzt der eigentliche Architekturwettbewerb, der bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein soll. Dank der noblen Schenkung von Ulla und Heiner Pietzsch, Erich Marx und Egido Marzona würde Berlin seinen Ruf als Kulturmetropole von einem weiteren „Architekturleuchtturm“ [3] ausstrahlen.
Wem eigentlich übergeben die großzügigen Spender ihre Kunstwerke? Der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als dem Träger des neuen Museums, dem Staat in Gestalt der Staatlichen Museen, der Stadt Berlin, den zukünftigen Museumsbesuchern? Es kommen verschiedene Empfänger in Frage. Eine solche Schenkung entspringt immer auch dem Wunsch der Stifter, im kollektiven Gedächtnis der Erben fortzuleben. Dieser Wunsch ist eine Quelle der kulturellen Überlieferung; er richtet sich auf die Gemeinschaft und fragt nicht nach Verwertung oder Eigentumstiteln.
Durch die Schenkung stiftet der Schenkende ein Gemeingut
Das neue, aus Steuergeldern finanzierte Museum der Moderne und die in ihm verwahrten Kulturgüter werden mit ihrer Übergabe zu Gemeingütern. Als solche sind sie auf den Einsatz der BürgerInnen angewiesen, so lange die herrschende Auffassung dem Staat und der Gesellschaft die Fähigkeit und das Recht zu wirtschaftlich relevanter Tätigkeit absprechen will und unter dem Banner „Privatisierung“ die Übergabe der öffentlichen Institutionen an private Unternehmen probt . Die Stiftung der Kunstwerke ist für sich genommen nämlich noch keine Garantie, dass sie für die Allgemeinheit zugänglich sind und bleiben. Das ließe sich an den Eintrittspreisen der Berliner Museen leicht zeigen: sie sind zu hoch und bieten wenig Ermäßigungen für Benachteiligte. Eine Gesellschaft, die sich als Demokratie versteht, wird solche ausgrenzenden Bedingungen abbauen, das heißt: die Bewahrung der Kulturgüter und ihre Zugänglichkeit zur Daseinsvorsorge rechnen [4].
Kein Mäzenatentum, sondern ein Geschäftsmodell [5]
Die Debatte über das Thema „Neues Museum der Moderne“ hat von Anfang an einen fatalen Beigeschmack. Noch bevor sie den „Ideenwettbewerb“ einläutete hat die Kulturstaatsministerin den Standort des Neubaus festgelegt. Sie scheint darüber hinaus entschlossen, für die Auftragsvergabe ein ÖPP-Verfahren zu wählen. Öffentlich Private Partnerschaft bedeutet: Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb, letzteres für 25 bis 30 Jahre, werden an ein privates Unternehmen oder ein Konsortium abgegeben, von dem die öffentliche Hand das Gebäude nach Fertigstellung mietet.
Frau Grütters bezeichnet das in einem Interview als „eine neue Baupraxis“, die man erproben wolle: „Wir erwarten, den Bau schneller und kostengünstiger realisieren zu können.“ [1] Ein anderes Blatt bezeichnet ÖPP als „Neuland für alle.“ [6]
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Impertinenz das Finanzierungs- und Beschaffungsmodell ÖPP von seinen Nutznießern und von der Politik immer wieder hochgelobt wird. Die Lobbyisten schmücken ihre Vorschläge und Entscheidungen mit einer Reihe formelhafter Argumente, die markant und selbstsicher klingen, die jedoch durch zahllose fehlgegangene oder verunglückte Projekte, durch wissenschaftliche Studien und durch wiederholte, sehr kritische Berichte von Rechnungshöfen gründlich in Frage gestellt sind. Die „neue Baupraxis“ hat in Deutschland eine zwanzigjährige Misserfolgsgeschichte hinter sich. Die Politik der Geheimhaltung sorgt dafür, dass diese Entwicklung nicht in ihrer ganzen Breite kritisch aufgerollt werden kann. Eine offizielle Evaluation dieser Praxis, mit der jedes Jahr Steuergelder in Milliardenhöhe umverteilt werden, ist nicht in Sicht. ÖPP wäre als Beschaffungsmodell längst vom Tisch, wenn ihre immensen Kosten und Risiken und ihre Folgen einer breiten Öffentlichkeit wirklich bekannt wären.
ÖPP ist Privatisierung
Mit diesem Blick auf die katastrophale Bilanz von ÖPP sind wir noch nicht zum Kern der Sache vorgedrungen. Was die Debatte über das „Neue Museum der Moderne“ so fragwürdig macht, ist die Tatsache, dass die „neue Bauweise“ auf eine Privatisierung des so froh begrüßten Neuen Museums hinausläuft. Diese Erkenntnis scheint in den Medien erst ganz allmählich anzukommen.
Privatisierung unterwirft öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen einer betriebswirtschaftlichen Logik. Sie liefert sie für fünfundzwanzig oder dreißig Jahre der „unternehmerischen Gestaltungsfreiheit“ aus und schützt diesen Übergriff unter anderem durch die Berufung auf das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis.
Das ist so zu verstehen: Während die öffentliche Hand sich bei Errichtung, Erhaltung und Betrieb der Infrastruktur und bei der Sicherung der Daseinsvorsorge grundsätzlich nach dem Bedarf richten soll (sie tut es leider nicht immer) und dabei demokratisch kontrolliert werden kann (sie ist es leider viel zu selten), folgen die Entscheidungen in der privaten Wirtschaft dem Prinzip der Gewinnmaximierung. Das führt bei fast allen ÖPP-Projekten zum Verlust von Arbeitsplätzen, zur Verdichtung der Arbeit und Senkung der Einkommen, zu deftigen Gebührenerhöhungen und Qualitätsverlusten. Ein Blick auf die Entwicklung von Bahn und Post seit der Privatisierung gibt einen lebendigen Eindruck von diesem Mechanismus. Die Kulturpolitik fragt oder sollte fragen: Für wen bauen wir das neue Museum, wessen Bedürfnisse sollen durch die Gründung erfüllt werden und wie machen wir die gestifteten und andere Kulturgüter am besten zugänglich für alle? Der in das ÖPP-Projekt eingeladene Unternehmer fragt: „Wie erwirtschafte ich mit der Nutzung des Gebäudes eine möglichst hohe Rendite? Optimale Einrichtung und Nutzung ist mit optimaler Verwertung nicht problemlos vereinbar; das wird gerade bei der Debatte über ein Museum deutlich, bei dem schon der Bau und seine städtebauliche Einbettung doch wohl an dem Anspruch der Werke gemessen werden wird, die einmal in ihm präsentiert werden.
In der Debatte zeigt spielt dieser Gesichtspunkt eine bedeutende Rolle [7]. Die Berücksichtigung des städtebaulichen Aspekts, oder gar eine Neukonzeption des Kulturforums, wird ebenso oft gefordert wie die stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Kultur bestände in der Ermöglichung einer solchen öffentlichen Diskussion, in der auch Alternativen für die Verwendung der vorhandenen Finanzmittel eine Rolle spielen könnten. Stattdessen bietet die Staatsministerin das Bild einer Bürokratin: „Wir haben vom Bundestag 200 Millionen Euro für ein Museum bekommen und nicht für einen städtebaulichen Wettbewerb für das Kulturforum“. Als ob es auch hier keine Alternative gibt.
Frau Grütters, verzichten Sie auf ÖPP und nehmen Sie die Einschränkung des Ideenwettbewerbs auf den Standort Potsdamer Straße zurück. Das wäre wirklich „ein starkes Bekenntnis zur Kultur“!
Nachweise:
[1] Ein starkes Bekenntnis für die Kultur. Interview mit Monika Grütters. Berliner Zeitung 17.11.2014. Hier zitiert nach
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2014/11/2014-11-17-gruetters-berliner-zeitung.html
[2] Hermann Parzinger: Die Kunst des Machbaren. Museumspläne für Berlin. Frankfurter Allgemeine Zeitung 4.10.2013
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/gastbeitrag-museumsplaene-fuer-berlin-die-kunst-des-machbaren-12599912.html
[3]> Architekturleuchtturm mit 14.000 qm für die Kunst. rbb 20.4.2015
https://www.rbb-online.de/kultur/beitrag/2015/04/ideenwettbewerb-fuer-museum-der-moderne.html
[4] Es ist daran zu erinnern, dass zum Beispiel die Staatlichen Museen in Berlin während der Weimarer Republik am Mittwoch freien Eintritt boten.
[5] Simone Reber im Tagesspiegel vom 23.10.2014
http://www.tagesspiegel.de/kultur/plaene-fuer-berliner-museum-der-moderne-der-bau-spar-vertrag/10875650.html
[6] Birgit Rieger im Tagesspiegel vom 1.1.2016
http://www.tagesspiegel.de/kultur/plaene-fuer-museum-der-moderne-in-berlin-gross-leuchtend-und-auf-solidem-fundament/11658770.html
[7] Vgl. zum Beispiel: Grütters startet Wettbewerb. Taz 3.9.2015
http://www.taz.de/!5226759