ÖPP-Transparenzinitiative der Deutschen Bauindustrie: Kunstrasen in Oberpleis statt Elbphilharmonie

Bild: Jorma Bork / pixelio.de

Dies ist eine Zusammenstellung der E-mails von GiB und Herrn Kulle (ÖPP-Deutschland AG) zur ÖPP-Transparenzinitiative.

Berlin, den 30.10.2012. Die Antwort von GiB auf die E-mail von Herrn Bernward Kulle von der ÖPP Deutschland AG zur Transparenz bei den PPP-Verträgen

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Schreiben gehen wir auf die Darstellungen von Herrn Kulle zur Transparenz bei ÖPP-Projekten ein; diesmal in seiner E-mail vom 8. Oktober.

Herr Kulle hat in seiner letzten E-mail versucht, die ÖPP-Transparenzinitiative zu rechtfertigen und darzulegen, dass es Transparenz, entgegen unserer Darstellung in der Mail vom 2. Oktober, bei den ÖPP-Projekten herrscht. Als „Beweis“ dafür hat Herr Kulle sieben veröffentlichte PPP-Verträge herangezogen. Außerdem hat Herr Kulle darauf hingewiesen, dass unter “Daten&Fakten“ alle wichtigsten Angaben nachzusehen seien. Geschwärzt oder unter „Daten&Fakten“ nicht zu finden sind nach seinen Aussagen nur die Detailangaben, wie z.B. die Reinigungskosten.

Auf diese Aussagen möchten wir der Reihe nach eingehen:

1. Die mit Schwärzungen oder Weisselungen (!) versehenen Veröffentlichungen von Teilen von bis Dato neun kleineren PPP-Verträgen bilden die ÖPP-Transparenzinitiative der der Deutschen Bauindustrie. Unter den Veröffentlichungen befinden sich die Projekte, wie z.B. ein Kunstrasen in Oberpleis oder ein Feuerwehrgerätehaus Oberdollendorf. Zusammen kommen die Projekte auf 205 Mio. Euro Finanzvolumen. Die wirklich relevanten Geldschlucker, wie z.B. das IT-Projekt der Bundeswehr „Herkules“ (7,8 Mrd. Euro), das Maut-Projekt Toll Collect (5,7 Mrd. Euro plus 5,1 Mrd. Euro bis jetzt an den Bund nicht bezahlter Schadenersatz), die 90 Schulen im Kreis Offenbach (1,3 Mrd. Euro), die Hamburger Elbphilharmonie (498,5 Mio. Euro) und viele viele andere PPP-Verträge sind nach wie vor streng geheim. Allein diese vier Projekte umfassen zusammen ein Finanzvolumen von 21,4 Mrd. Euro. Alle bisher veröffentlichten Verträge betragen somit 0,85% des Finanzvolumen von nur vier einzelnen PPP-Projekten. Dazu kommen hunderte weiterer Projekte, darunter auch die Autobahn-PPPs mit teilweise je einer Milliarde Euro Finanzvolumen.

2. In den „offen gelegten“ Verträgen sind alle Zahlen unsichtbar gemacht, die einen Rückschluss auf das vereinbarte Entgelt zulassen würden. Weder Miete, Zinshöhe, Bonus- oder Malusvereinbarungen, noch der Umfang von Rückstellungen sind lesbar.

3. Unter „Daten&Fakten“ sind offensichtlich keine Zahlen aus den Verträgen veröffentlicht, sondern irgendwelche Zahlen, die überhaupt nicht nachprüfbar sind. Es stellt sich deswegen die Frage: Wenn dies die endgültigen Zahlen sind, warum stehen sie denn nicht in den Verträgen an den entsprechenden Stellen? Stattdessen findet man sie auf einem gesonderten Blatt, das rechtlich völlig unverbindlich ist.

4. Unter „Daten&Fakten“ fehlen nicht nur die Reinigungskosten – Herr Kulle versucht, die PPP-Geheimniskrämerei zu bagatellisieren. In dem genannten Faktenblatt stehen ganze zwei Zahlen: 12,67 Mio. Euro brutto Investitionskosten und 4,84 Mio. Euro Betriebskostenvolumen. Alle Angaben, die in den Verträgen unsichtbar gemacht sind, fehlen komplett auch unter „Daten&Fakten“.

Genau deswegen macht es sehr viel Sinn, weiter die echte Offenlegung der PPP-Verträge und auch der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von den Abgeordneten zu fordern. Die PPP-Industrie wird das freiwillig nicht machen.

Mit freundlichen Grüßen,

Laura Valentukeviciute und Dr. Werner Rügemer

***

08.10.2012. Antwort von Bernward Kulle auf unser Schreiben vom 2.10.2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben „Die Unwahrheiten des Herrn Bernward Kulle von der Partnerschaften Deutschland AG“, das Sie mir am 2. Oktober 2012 in Kopie geschickt haben. Zu angeblich irreführenden Angaben über die ÖPP-Transparenzinitiative der ÖPP Deutschland AG und der Veröffentlichung des ÖPP-Vertrages Feuerwehrhauptwache in Celle möchte ich Ihnen folgende richtigstellende Hinweise geben (Ich beziehe mich dabei auf die Formate der Veröffentlichung auf unserer Homepage www.partnerschaften-deutschland.de/transparenzplattform.):

Es sind inzwischen sieben vollständige ÖPP-Projektverträge mit Finanzierungs-, Planungs-, Bau- und Betriebsbestandsteilen auf unserer Transparenzplattform veröffentlicht. Neben der Feuerwehrhauptwache Celle sind auch die Verträge von Feuerwehrgerätehäusern in Bockerroth und Oberdollendorf, des Behördenzentrums in Heppenheim, des Kreishauses in Unna, des Kunstrasenplatzes sowie der Vertrag zur Dach- und Fassadensanierung des Schulzentrums in Oberpleis einsehbar. Weitere werden folgen, weil Transparenz zu ÖPP gehört. Im Jahr 2011 gab es 15 ÖPP-Vertragsabschlüsse im Hochbau und in 2012 bislang 17. Somit beträgt die Veröffentlichungsquote mehr als 20 Prozent. Damit ist ÖPP Vorreiter bei der Veröffentlichung derartiger Verträge. Denn es gibt keine vergleichbare Quote bei Projektverträgen zur Planung, zum Bau und Wartung oder Betrieb sowie zur Refinanzierung vergleichbar großer Projekte von Feuerwachen, Verwaltungsgebäuden und Schulen, die in der herkömmlichen Haushaltsfinanzierung beschafft worden sind. Deren Veröffentlichung ist bislang kein Standard in Deutschland.

ÖPP mit seinen vertraglich festgeschriebenen und bekannten Gesamtkostengrößen ist hingegen geradezu Vorbild für Transparenz im Beschaffungswesen für öffentliche Infrastruktur und gegen unvorhergesehene Kostensteigerungen. Denn bei klassischen Haushaltsfinanzierung sind die Betriebsfolgekosten zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Regel unbekannt und können bei der Entscheidung über haushaltsfinanzierte Projekte somit auch noch gar nicht berücksichtigt werden.

In den von den Kommunen veröffentlichen Verträgen können Sie die genaue Erteilung von Pflichten und Risiken detailliert nachlesen. Sie sind auf unserer Website aber auch übersichtlich unter „Antworten auf häufig gestellte Fragen“ und „Risikomatrix“ zusammengefasst dargestellt. Damit werden den Bürgern im Gegensatz zu haushaltsfinanzierten Projekten präzise Angaben zum Nachlesen aufbereitet. Von „Geheimverträgen“ zu sprechen, entbehrt also jeder Grundlage.

Die Stadt Celle wird ausweislich des nichtgeschwärzten Textes auf Seite 1 von ihrem gewählten Oberbürgermeister und danach von den einzelnen im Stadtrat gewählten Beigeordneten vertreten. Nicht der gerade derzeit bearbeitende Sachbearbeiter vertritt die Stadt nach außen. Deshalb gibt es den Personenschutz. Die Stadt Celle verfügt meines Erachtens über ein hervorragendes Ratsinformationssystem per Internet (e – governance). Dort können Sie leicht alles finden, was den Bürger interessiert.

Die von Ihnen vermissten Angaben zur Feuerwache Celle sind einfach zu finden: Sie hätten nur den PDF-Download-Button „Daten & Fakten“ anklicken müssen. Hier finden Sie alle gewünschten Informationen.

Dort können Sie beispielsweise auch lesen, dass die finanzierende Bank für das Projekt in Celle die „Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank“ ist – also ein bodenständiges Institut. Behauptungen Ihrerseits, dass „Verkäufe der PPP Verträge an internationale Spekulanten in der Sekunde des Vertragsabschlusses“ stattfinden, entbehren also jeder Grundlage.

Unter „Daten & Fakten“ steht sogar auch die zuständige Niederlassung des Bauunternehmens und des Betreibers. Die verantwortliche Geschäftsführung ist leicht im Handelsregister oder auf der Internetseite des Unternehmens zu finden.

Auch die genauen Kosten sind dort aufgelistet: 12,67 Mio. Euro Brutto Investitionskosten und 4,84 Mio. Euro Betriebskostenvolumen für 7041 Quadratmeter Nutzfläche. Aufgeführt sind hier auch die Bau- und Betriebszeiten.

Geschwärzt sind Detailangaben, beispielsweise zu Reinigungskosten pro Quadratmeter Flurfläche, weil diese auch in zukünftigen Ausschreibungsverfahren wettbewerbsrelevant sind. Die Preise sind aber Ergebnis eines dem gesetzlichen Wettbewerbsschutzbedingungen unterliegenden Ausschreibungswettbewerbsverfahren der öffentlichen Hand – genauso wie in herkömmlichen Ausschreibungen. Das GWB kann verständlicherweise durch die Transparenzinitiative nicht außer Kraft gesetzt. Dafür gibt es eine professionelle Fachverwaltung und gewählte politische Vertreter, die detailliert prüfen und vergleichen können und sollen. Über diese Entscheidungen des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechtgebers hatten wir in Lüneburg ausführlich gesprochen.

Deshalb macht auch Ihre Forderung nach einer Offenlegung von Verträgen und Zahlen vor einer Entscheidung durch die gewählten Vertreter keinen Sinn. Diese Überlegung sollte von den gewählten Politiken beantwortet werden, wie dies Heiko Dörbaum, der Vorsitzende des Bauausschusses der Stadt  Lüneburg, auf der Veranstaltung am 25.09.2012 meines Erachtens sehr gut und sachlich getan hat.

Freundliche Grüße

Bernward Kulle

Mitglied des Vorstands

ÖPP Deutschland AG

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2.10.2012, Berlin. Der Brief von Gemeingut in BürgerInnenhand an die Fraktionen im Stadtrat von Lüneburg, an die Lüneburger Landeszeitung und an LGheute.de, zur Kenntnis an ÖPP Deutschland AG, Bernward Kulle.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Veranstaltung am 25.9.2012 „ÖPP – Fluch oder Segen?“ hat der Vorstandsmitglied der ÖPP Deutschland AG, Herr Bernward Kulle, in seiner Darstellung der ÖPP-Transparenzinitiative und des PPP-Feuerwehrvertrags in Celle einige irreführende Aussagen gemacht.

Aufgrund des Zeitmangels, konnten wir in der Veranstaltung diese Fehler nicht ausräumen und sehen uns deswegen in der Pflicht, den Sachverhalt mit diesem Schreiben richtig darzustellen.

Herr Kulle hat behauptet: Mit der ÖPP-Transparenzinitiative ist ein großer Schritt Richtung mehr Transparenz gemacht worden und, dass der ÖPP-Vertrag zu der Feuerwehr in Celle, abgesehen von den Namenschwärzungen, offen gelegt wurde und im Internet einsehbar ist.

Dies ist unwahr: Die Veröffentlichung des Celler Vertrags im Internet – auf der Website der Stadt für alle einsehbar – hat nichts mit Transparenz zu tun, denn:

  • alle Zahlen zu den Finanzen sind geschwärzt
  • es fehlen Vertragsteile, Zusatzvereinbarungen z. B. zur Forfaitierung mit Einredeverzicht und die Verträge mit den Banken
  • auch gar die Namen der Banken, an die die Kommune den ÖPP-Kredit abbezahlen muss, sind geschwärzt.

Auch die Namen der verantwortlichen Ansprechspartner für die gesamte Vertragslaufzeit sind geschwärzt. Bernward Kulle nennt das Personenschutz. Wir sagen, es dient ausschließlich dazu, dass die Flucht vor Verantwortung ermöglicht wird.

Mit dieser Art der Offenlegung wird es deutlich, dass sich nichts geändert hat und die „Wahrung von Know-how-basierten Wettbewerbsvorteilen und Geschäftsgeheimnissen“ nach wie vor der Offenlegung doch vorrangig ist.

Wir sehen es als Pflicht aller politisch Verantwortlichen, die vollständige Offenlegung der ÖPP-Verträge durchzusetzen, und zwar aller bisherigen und aller zukünftigen Verträge. Im Fall der künftigen Verträge soll die Offenlegung vor der Entscheidung im gewählten politischen Gremium (Stadtrat, Landtag, Bundestag) erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen,

Laura Valentukeviciute und Werner Rügemer

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