Die Bodewig-II-Kommission als Ablenkungsmanöver

Von der Bundesfernstraßengesellschaft zur „zentralen Kapitalsammelstelle“

Von Carl Waßmuth, 23.02.2016

Kurt Bodewig, Foto: Johannes Jansson, Wikimedia, CC 2.5 Denmark
Kurt Bodewig, Foto: Johannes Jansson, Wikimedia, CC 2.5 Denmark

Am 23.2. hat die Bodewig-II-Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. Im Zentrum der Diskussion steht zunächst der Vorschlag der Bundesregierung, eine Bundesfernstraßengesellschaft (BFG) zu gründen. Die BFG könnte jedoch schnell Geschichte sein, denn sie wird von den Ländern abgelehnt und ist auch für den Bund nur eine Option unter mehreren, um sein Ziel, privates Kapital in den Fernstraßenbau einzubeziehen, zu erreichen. Ein Kommentar von GiB zu dem Bericht wurde auf den Nachdenkseiten veröffentlicht. Nachfolgend die Hintergründe:

Maximalforderungen im Vorschlag des Verkehrsministeriums

Im Papier des Verkehrsministeriums vom Dezember 2015 „Reform der Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstraßen“ werden mehrere Anforderungen gestellt. Im Vordergrund steht eine Kritik von Planung, Organisation und Finanzierung der Bundesfernstraßen im Rahmen der bestehenden Auftragsverwaltung. Ein weiteres Ziel ist die „Mobilisierung privater Investitionen“.

Insgesamt soll eine zentrale Bundesfernstraßengesellschaft (BFG) eingerichtet werden. Diese BFG soll

  • eine GmbH sein,
  • ebenso wie das Eigentum an den Bundesfernstraßen im Eigentum des Bundes stehen, (wobei unklar bleibt, ob die BFG das das Eigentum an den Bundesfernstraßen erhalten soll)
  • zuständig werden für den Lebenszyklus Straße, d. h. gebündelt für die Aufgaben Planen (einschließlich Grunderwerb), Bauen, Betreiben, Erhalten und Finanzieren
  • dazu die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Ländern übernehmen
  • bei der Netzbewirtschaftung betriebswirtschaftlichen Grundsätzen folgen
  • über eine eigene Kapazität zur Kreditaufnahme verfügen
  • ermöglichen, dass in ihre Projekte privates Kapital fließen kann
  • ohne Haftungsverbund zum Bund ausgebildet werden
  • hoheitliche Aufgaben an die staatliche Verwaltung abgeben, bzw. diese zum Teil durch Beleihung von der staatlichen Verwaltung (rück)übernehmen
  • mittels gesetzgeberischer Vorkehrungen eingerichtet werden, evtl. durch Änderungen des Grundgesetzes

In der ARD-Sendung „Kontraste“ vom 11.02.2016 wurde berichtet, dass Wirtschaftsmister Gabriel das Papier gegenüber dem Sender nicht kommentieren mochte. Es handele sich „nur um ein Papier aus dem Verkehrsministerium und gar nicht aus seinem Hause.

Forderung vom „Einbezug privaten Kapitals“ rückt in den Hintergrund, wird aber kontinuierlich weiterverfolgt

Nachdem die Fratzscher-Kommission offensiv den Einbezug privaten Kapitals[1] in den Ausbau und Betrieb von öffentlichen Infrastrukturen gefordert hatte, um mehr Investitionen zu ermöglichen, ist seit dem Sommer 2015 diese Frage in den Hintergrund gerückt. Seither wird von der Bundesregierung vor allem auf die notwendige Reform der Auftragsverwaltungen abgehoben. Die Versicherungen selbst haben sich über einen detaillierten Vorschlag zur Struktur einer Bundesfernstraßengesellschaft in die Reformdebatte eingebracht. Auch hier finden sich weit mehr Argumente zu Prozessoptimierungen als zu der Forderung, privates Kapital einzubeziehen.

Einbezug von privatem Kapital im den Papieren der SPD

Die Position der SPD zum Einbezug von privatem Kapital in Bau, Sanierung, Erhalt und Betrieb von öffentlichen Infrastrukturen ist widersprüchlich. Der Parteivorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel betonte im Zuge der Einsetzung der Fratzscher-Kommission, es gehe „nicht um die Neuauflage von PPP-Projekten“. Als die Fratzscher-Kommission neun Monate später sehr konkret den Einbezug von privatem Kapital empfahl und dabei PPP als eine sinnvolle Option sah, widersprach Gabriel jedoch nicht.

Der „Arbeitskreis Verkehr“ der SPD-Bundestagsfraktion wollte im Juni 2015 diskutieren, „wie die konkrete Einbindung von privatem Kapital im Rahmen eines öffentlichen Fonds (z. B. als Bürgerfonds) hinsichtlich Laufzeiten, Renditeerwartungen und die Anbindung an die Finanzierung der konkreten Projekte ausgestaltet werden könnte.“ Das „ob“ scheint nicht mehr in Frage zu stehen. Auf dem Bundesparteitag der SPD im Dezember 2015 wurden zahlreiche Anträge gegen den Einbezug von privatem Kapital in öffentliche Infrastrukturen gestellt, erhielten jedoch keine Mehrheit. Anträge für den Einbezug von privatem Kapital in öffentliche Infrastrukturen gab es allerdings gar keine. Entsprechend knapp war die Diskussion auf dem Parteitag zu dem Thema.

Diese Diskussion wurde stattdessen vom Arbeitskreis Verkehr der der SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier aufgenommen, unterstützt durch die Abgeordneten der Arbeitskreise Finanzen und Haushalt. Danach sollte mit einer Bundesfernstraßengesellschaft auch das Ziel erreicht werden können, zusätzliches privates Kapital für öffentliche Investitionen in die Bundesfernstraßen zu mobilisieren. Gleichzeitig wurde angegeben, dass der „Ansatz Privat vor Staat“ sowie „eine Privatisierung öffentlichen Eigentums und Übertragung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge an private Geldgeber“ abgelehnt wird. Ein anderes Ziel war, „die Verteilung der Investitionen auf der Zeitachse zu optimieren und künftig so auf ÖPP verzichten zu können.“ Dieses Ziel sollte dadurch erreicht werden, „dass die neue Institution in begrenztem Umfang Kredite aufnehmen kann.“ Das Papier wurde allerdings nicht in die Fraktion zur Abstimmung eingebracht.

Die Landeswirtschaftsminister forderten im Januar diesen Jahres, dass „die Erschließung privatwirtschaftlicher Finanzierungsquellen für eine öffentlich-private Investitionspartnerschaft“ nicht zum Tabu erhoben werden dürfe.

Einbezug von privatem Kapital in den Berichten der Bodewig-II-Kommission

Die Verkehrsminister der Länder hatten als Reaktion auf die Forderungen des Fratzscher-Berichts die Bodewig-II-Kommission eingerichtet. Fragestellungen zur Einbindung von privatem Kapital wurden dort zwar nur am Rande behandelt. Die Einbindung privatem Kapital wird als Option jedoch nicht ausgeschlossen:

Zur Gewinnung privater Investitionen bedarf es einer Rendite. Damit erhöhen sich zwangsläufig die Finanzierungskosten für die Bereitstellung der hierüber bereitgestellten Infrastruktur. Privates Kapital kann letztendlich nur in Einzelprojekten bzw. über Konzessionsmodelle Eingang in die Gesamtfinanzierung finden.“ (Bodewig-Abschlussbericht 2016)

Allerdings wird die Einbindung privatem Kapital durch sprachliche Wendungen („letztendlich nur“ – „nur in Einzelprojekten bzw. über Konzessionsmodelle“ – „nur auf Einzelprojekt- bzw. Konzessionsbasis ein beschränkter Beitrag“) als begrenzt beschrieben. Eine objektive (und somit später überprüfbare) Grenzsetzung findet allerdings nicht statt.

Es könnte entsprechend der vorgeschlagenen Modelle der Bodewig-II-Kommission einer entsprechenden Gesellschaft die Kreditfähigkeit gestattet werden. Vor allem könnte die Möglichkeit eingeräumt werden, Kapitalanlegern ÖPP-Verträge anzubieten. Die Renditeerwartungen der Kapitalanleger werden für Eigenkapital mit 5 bis 15 Prozent beziffert, für Fremdkapital mit 2 bis 7 Prozent. Das sind zum einen erhebliche Spannen, zum anderen würden auch die Untergrenzen schon eine erhebliche Verteuerung der Finanzierungskosten für die öffentliche Hand bedeuten. Es ist in Frage zu stellen, ob vor diesem Hintergrund die folgende Angabe zur möglichen Renditeherkunft beruhigen kann:

Dabei kann die Rendite für die privaten Kapitalgeber über Einsparungen oder über Ausschüttungen (Mauteinnahmen, Ausschüttungen) realisiert werden.“ (ebd.)

Die Positionen zur Einbindung von privatem Kapital wirken eigenartig abgekoppelt von den anderen Aussagen im Bericht. Die Notwendigkeit der Einbindung von privatem Kapital wird nicht schlüssig begründet und auch nicht die Erfordernis einer spezialisierten, zentralen Finanzierungsgesellschaft. Wer ÖPP kritisch sieht, könnte auch dadurch beunruhigt werden, dass im Bodewig-Abschlussbericht das schnellere Bauen in den Vordergrund gestellt wird. Die schnellere Fertigstellung ist eines der Hauptargumente des Verkehrsministeriums für ÖPP. Da ist der Weg kurz zu der Folgerung, dass künftig in den Ländern belohnt wird, wer ÖPP einsetzt.

Es geht um Privatisierung

Kaum jemand fordert offensiv ÖPP, aber ohne ÖPP macht die ganze Konstruktion für die meisten an der Diskussion um eine Fernstraßengesellschaft Beteiligten keinen Sinn. Schließt man ÖPP ganz aus, bleibt von den Reformvorschlägen wenig übrig. Gleichzeitig zeigen sich interessante Widerstände. Ein Beispiel liefert die Parlamentsdebatte in Niedersachsen vom 21.1.2016. Der Niedersächsische Landtag hatte an diesem Tag einen Antrag der rot-grüner Mehrheit vorliegen, der Privatisierungstendenzen zurückweist. In der Debatte kommentierte das der Landtagsabgeordnete Karsten Heineking (CDU) wie folgt:

„In dem Ursprungsantrag gefällt uns insbesondere folgende Bemerkung im letzten Spiegelstrich der Entschließung nicht: <<Überlegungen für jedwede Privatisierung des Fernstraßennetzes oder des Fernstraßenbaus lehnt der Landtag ab.>> Im weiteren Verlauf fordern Sie unter Nr. 5 die Landesregierung auf, <<keiner Infrastrukturgesellschaft zuzustimmen, deren Neustrukturierung zu einer Öffnung für die Privatisierung des Baus und des Betreibens der Infrastruktur des Bundes führen wird, sondern sich dafür einzusetzen, dass der vollständige Besitz in öffentlicher Hand verbleiben wird.>> Diese Forderung ist in der heutigen Zeit kontraproduktiv und verhindert eine schnelle und günstige Erstellung von Infrastrukturprojekten.“ (Niedersächsischer Landtag – 17.Wahlperiode – 86.Plenarsitzung am 21. Januar 2016)

Dass ÖPP ein wichtiges – vermutlich das zentrale – Instrument zum Einbezug privaten Kapitals wird, zeigt auch die interessante Schnittmenge der Interessen von Bauindustrie und Versicherungen. Die beiden Verbände haben nicht nur eine gemeinsame Pressemitteilung zur Frage herausgegeben, sie haben auch ein gemeinsames Positionspapier dazu verfasst. In diesem Papier spielt der Einbezug von privatem Kapital auf Projektebene eine zentrale Rolle. Dass diese Forderung gemeinsam erhoben wird, ist ungewöhnlich. Die Schnittmenge erschließt sich nicht auf Anhieb: Die Bauindustrie will rentabel bauen, die Versicherungskonzerne Geld anlegen. Darin stecken Interessengegensätze: Entweder wollen beide anlegen, dann ist die Frage, wer wie viel vom Kuchen bekommt. Derzeit ist die Bauindustrie klar in der Vorhand: Sie hat viel günstigere Eigenkapitalvorschriften. Oder die Bauindustrie will günstig bauen (und das dem Staat dann teuer verkaufen), dann benötigen sie dafür günstige Kredite. Die Versicherungen wollen aber ihr Geld hoch verzinsen. Eine Auflösung dieser Widersprüche ergibt sich, wenn der ÖPP-Markt insgesamt so stark wächst, dass für beide Interessengruppen ein absoluter Zuwachs erreicht werden kann, selbst wenn sie proportional Marktanteile verlieren.

Vor diesem Hintergrund werden vermutlich auch die Hoffnungen enttäuscht, eine deutsche ASFINAG könnte sich ähnlich wie die österreichische ASFINAG eines ausgeweiteten Einsatzes von ÖPP enthalten. Die Bundesregierung hat den ganzen Prozess mit dem Ziel angestoßen, privates Kapital einzubinden. Die bundeseigenen Gesellschaften, die den Prozess begleiten und institutionell umsetzen sollen sind vor allem die VIFG, die DEGES und die ÖPP Deutschland AG. Aller drei Gesellschaften sind extrem ÖPP-bejahend, ja teilweise wachsen ihnen Bedeutung und Aufgaben zu, wenn sich der Einsatz von ÖPP ausweitet.

Keine Bundesfernstraßengesellschaft – aber „Umsetzungsstrategien“, die Vergleichbares bewirken

Die Länder stellen sich in ihrer Schlussbetrachtung im Prozess in zentralen Fragen gegen die Pläne des Bundes:

„Die Länder stellen die politische Frage, ob die Reformziele des Bundes überhaupt zentral erreichbar sind, wenn man sich ausschließlich auf eine organisatorische Konzentration der Prozesse fokussiert. Dies ist – auch angesichts anzunehmender umfänglicher Transaktionskosten und einer langen zeitlichen Umsetzungsphase – zweifelhaft. Ein Zeitfenster von deutlich mehr als einer Dekade ist im Falle der Gründung einer eigenen Bundesgesellschaft (inklusive Grundgesetzänderung und Integration) anzunehmen. Dagegen sind die im vorliegenden Bericht beschriebenen Umsetzungsstrategien ohne Friktionen in einem Zeitraum von ca. zwei Jahren durchführbar.“ (Bodewig-Abschlussbericht 2016)

Der angedeutete Konflikt bezieht sich allerdings nicht auf die Einbindung privaten Kapitals. Der ursprüngliche Vorschlag der Fratzscher-Kommission, privatem Kapital (zentralisierten und strukturierten) Zugang zum Bau, Unterhalt und Betrieb öffentlichen Infrastrukturen zu verschaffen, wird erfüllt. Die Fratzscher-Kommission hatte gefordert:

„[Es] müsste ein Mechanismus gefunden werden, um die […] Risiken mindestens teilweise auf private Investoren zu übertragen. Dafür kämen […] in Frage: Koinvestitionen auf Projektebene mit Infrastruktur- fonds oder anderen institutionellen Investoren, die ihrerseits Kapitalsammelstellen sind und auf diese Weise Risiko gebündelt weitergeben.“( Fratzscher-Kommission 2015)

Das Modell deckt sich mit den Forderungen von Bauindustrie und Versicherungswirtschaft:

Eine solche Gesellschaft böte […] auf Projektebene viele Möglichkeiten, privates Kapital zu beteiligen. <<Öffentlich-private Partnerschaften haben sich bewährt. Alle bisherigen Projekte waren im Kosten- und Zeitrahmen, Mehrkosten gab es nicht>>, betont Knipper. Investoren könnten mit der Übernahme von Projektrisiken höhere Renditen erzielen als etwa mit Bundesanleihen. Im Gegenzug werde der Staat von Risiken entlastet. <<Bei ÖPP gilt, Rendite gegen die Übernahme von Risiken. Das ist ein fairer Deal>>, so Knipper (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie 2015)

Eine „Kapitalsammelstelle“ oder vergleichbare zentrale Einrichtung kann der Bund ohne explizite Zustimmung der Länder einrichten, es sind auch keine Grundgesetzänderungen mehr erforderlich. Der Vorteil für die Länder dabei ist: Sie können damit werben, dass die Auftragsverwaltungen erhalten bleiben und sogar ausgebaut werden. Die langfristigen Folgen des Einbezugs von privatem Kapital bleiben ausgeblendet.

Die Ergebnisse der Bodewig-II-Kommission könnten allerdings ein Pyrrhussieg für die Länder werden. Ein wichtiges Ergebnis sind die Vorschläge, wie Prozesse so optimiert werden könnten, dass Länder für schnelleres bauen belohnt werden. Schneller zu bauen heißt allerdings oft auch schlechter bauen und somit auf lange Sicht teurer bauen – dieses Geld wird den Ländern fehlen.

Folgen von Einbezug von privatem Kapital ohne Bundesfernstraßengesellschaft

Wenn die Länder sich jetzt als konfliktbereit feiern lassen („Länder suchen den Konflikt mit Dobrindt“, Tagesspiegel vom 18.2.2016), verdecken sie, dass ihnen mit ihrer eigenen Position mittelfristig Nachteile entstehen könnten. Insbesondere droht die Aushöhlung der Auftragsverwaltungen:

  • Die Schaffung von Doppelstrukturen beim Bund könnte die Auftragsverwaltungen in den Ländern personell unter Druck setzten und mittelfristig dort den Abbau der betreffenden Stellen bewirken.
  • Der Bund wird für seine „Kapitalsammelstelle“ zudem die hochqualifizierten Fachkräfte anwerben – vor allem von den Ländern, denen sie dann fehlen. Schon heute zahlt z.B. die DEGES deutlich über den TVÖD-Tarifen. In der Folge bekommen wenige Fachkräfte mehr Geld, die Struktur der Fachkompetenz in den Ländern wird jedoch geschwächt, womit das Wissen der verbleibenden Fachkräfte entwertet und mittelfristig vom Stellenabbau bedroht wird.
  • Gesteuert über die Mittelvergabe und zentral vorgegebene technische Systeme erfolgt sukzessive eine Verlagerung von Kompetenzen von den Ländern in Richtung Bund. Dieser Prozess erodiert die Auftragsverwaltungen. Einmal angelegt, kann er später einfacher grundgesetzlich oder gesetzlich verstärkt werden.
  • Am gravierendsten kommt aber die Auftragsverwaltungen die erhebliche Verteuerung der Finanzierung zu stehen, wodurch dem Sektor insgesamt deutlich weniger produktiv einsetzbares Geld zur Verfügung steht. Der Anteil der Zinszahlungen am Gesamtvolumen steigt, in der Folge muss der Anteil der Mittel für Personal- und Sachkosten sinken. Folge ist die der Abbau von Stellen infolge des Rückgangs an verfügbaren Mitteln für Personalkosten.

Fazit

Der Bund möchte dringend privatem Kapital einen deutlich erweiterten Zugang zu öffentlichen Infrastrukturen verschaffen. Daran wird seit über zwei Jahren intensiv gearbeitet. Die Länder sind sich uneins, sie wollen ihre Auftragsverwaltungen schützen, wissen aber sowohl um landesspezifische Schwächen als auch um Schwächen des Systems der Auftragsverwaltungen. Zudem befinden sie sich mit dem Bund in Finanzverhandlungen, in denen es für einzelne Länder um gewaltige Summen geht. Vor diesem Hintergrund haben sich die Länder vom Bund in die Debatte um eine Bundesfernstraßengesellschaft drängen lassen. Die CDU schweigt zu dem Thema und lässt Finanzminister Schäuble gewähren, der einer der treibenden Kräfte in dem Prozess ist. Die SPD äußert sich widersprüchlich und verpasst es so, den Privatisierungsbestrebungen etwas Substantielles entgegenzusetzen.

Im Ergebnis ist das konstant bleibende Hauptelement aller bisher von Bund und Ländern favorisierten Vorschläge die Schaffung zentraler Strukturen des Bundes, die den Einbezug von privatem Kapital in den Fernstraßenbau erleichtern sollen. Dieser Einbezug wird auch aktuell vom Bund forciert, er findet derzeit über Autobahn-ÖPP-Projekte statt. Diese ÖPP-Projekte sollen bereits im Zuge der „Neuen Generation ÖPP“ erheblich ausgeweitet werden, u.a. durch eine Verdoppelung des bisherigen Volumens. Trotz dieser geplanten Ausweitung innerhalb der bestehenden Strukturen werden diese Strukturen aber offensichtlich von der Bundesregierung sowie von (bestimmten) Kapitalanlegergruppen als nicht ausreichend angesehen. Es soll daher einer zentralen Gesellschaft ermöglicht werden, den Einbezug weitgehend eigenständig – und somit wesentlich schwächer demokratisch kontrolliert – vorzunehmen. Dabei könnte auch die Risikoverteilung zwischen der öffentlichen Hand und den Anlegern neu gestaltet werden, mit dem wahrscheinlichen Ergebnis, dass die Kosten für die öffentliche Hand steigen.

Die in den vergangenen zwölf Monaten geäußerten Reformvorschläge, die auf eine Effizienzsteigerung der Auftragsverwaltungen abzielen, könnten sich vor dem Hintergrund dieses Vorhabens als Ablenkungsmanöver erweisen, das der Erreichung des impliziten oder expliziten Einverständnisses der Länder für so ein Konstrukt (Arbeitstitel der Bodewig-II-Kommission „ zentrale Kapitalsammelstelle“) dient. Mit dem Abschlussbericht der Bodewig-II-Kommission , der solch ein Konstrukt zulässt und über das Förderkriterium „schneller bauen wird belohnt“ die derzeitigen ÖPP-bevorzugenden Strukturen verstärkt, ist der Bund vor diesem Hintergrund seinem Ziel, vereinfachte Anlagemöglichkeiten für Privatkapital im Fernstraßenbau über eine Reform der Auftragsverwaltungen zu verankern, ein Stück näher gerückt.

[1] Der Begriff Einbezug von privatem Kapital (in öffentliche Infrastrukturen / in die öffentliche Daseinsvorsorge) wird häufig für den Vorgang verwendet, wenn private Kapitalanleger jenseits von Staatsanleihen Kredite für öffentliche Infrastrukturen bereitstellen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass (auch) der umgekehrte Zusammenhang zutreffend ist: Durch ÖPPs werden öffentliche Infrastrukturen in die Interessen privaten Kapitals einbezogen.

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