Eine Presseschau über das Durchhaltevermögen
Von Jürgen Schutte
Da wir unzweifelhaft Bedarf an mehr und besserer Bildung haben, brauchen wir, so scheint es, auch ein besonders repräsentatives und solide verwaltetes Bildungsministerium (BMB). Dagegen ist wenig zu sagen. Ein wenig Aufsehen erregen sollte allerdings die Planung der Bundesregierung in diesem Fall. So schreibt die taz am 25. November:
„Der Bau soll als erstes Ministerialgebäude in einer sogenannten Öffentlich Privaten Partnerschaft (ÖPP) errichtet werden. Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung werden von einem privaten Konsortium übernommen. Das soll nicht nur die Qualität verbessern und die Kosten senken, sondern auch höhere Terminsicherheit erzielen, wie ein Sprecher des Bildungsministeriums mitteilt. Deshalb wolle der Bund diese innovative Beschaffungsform verstärkt nutzen„.
Wie es scheint, will die Bundesregierung mit der kühnen Entscheidung der „Katerstimmung“ entgegenwirken, welche die Frankfurter Rundschau am 15. November mit Blick auf die schädlichen Folgen und Begleiterscheinungen der „innovativen Beschaffungsform“ ausgemacht hatte: „Bürger und Politiker erkennen zunehmend, dass es dort, wo sich Angebot und Nachfrage als treibende Kräfte der Stadtentwicklung etabliert haben, um die lokale Demokratie schlecht bestellt ist.“
Es geht, wie der Titel des Artikels klarmacht, um „die verkaufte Stadt“. Verkauft fühlen sich von der Entscheidung über das BMB zu allererst die Architekten.
„Städtebauliche und architektonische Aspekte spielen so nur noch eine untergeordnete Rolle“,
kritisiert Peter Kever, Referent für Wettbewerb und Vergabe bei der Berliner Architektenkammer. (Wir empfehlen in diesem Fall neben anderen Maßnahmen die Unterstützung unseres Aufrufs „ArchitektInnen und IngenieurInnen gegen PPP„). Verkauft sind auch die Belange der Stadtentwicklung: „Es gab noch nie eine angemessene Debatte, wie die Hauptstadt gemeinsam mit den Bürgern entwickelt werden kann,“ äußerte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Antje Kapek. Da fragt man sich doch, wo die Bundesregierung die Gewissheit hernimmt, das BMB sei als PPP besser, billiger und in kürzerer Zeit zu haben. Sie liegt damit jedenfalls auf der Linie des CDU-Wirtschaftsrats, der im Oktober wieder einmal eine „konsequente Privatisierungspolitik“ gefordert hatte (vgl. Die Welt, 13.10.2011).
Es verstärkt sich der Eindruck, dass es nicht mehr um das bessere Beschaffungsmodell geht, sondern um den Nachweis von Durchhaltevermögen – Trotzalledem!?
Die Regierung muss dazu einiges in den Wind schlagen. Neben den jüngst bekannt gewordenen britischen Erfahrungen mit PPP zum Beispiel den Erfahrungsbericht, den die Präsidenten der deutschen Rechnungshöfe am 14. September d.J. auf den Tisch des Hauses gelegt haben. Eine der zentralen Feststellungen dieser aufschlussreichen Bilanz von zehn Jahren PPP lautet:
PPP-Finanzierungen sind für gewöhnlich teurer als herkömmliche.
Für die öffentlich bestellten, aber leider ziemlich machtlosen Kassenprüfer ergeben sich aus dieser empirisch belegten These bestimmte, bis ins Einzelne begründete, inhaltliche und methodische Forderungen, an welche sich öffentliche Auftraggeber halten müssen, wenn – nein: bevor sie sich zur Realisierung einer Infrastrukturmaßnahme in der Form eines PPP-Projekts entschließen.
Fragt man sich also einerseits, wieso die Investition namens BMB schon als PPP annonciert wird, bevor die notwendige Klarheit über die Baumassnahme vorhanden ist – es gibt ja noch nicht einmal einen gültigen Bebauungsplan! – so lesen sich die Regeln, die sich aus den Erfahrungen der Rechnungshöfe ableiten lassen (was wir hier nicht vorführen können), wie eine Reihe von Argumenten gegen das PPP-Projekt Bildungsministerium.
Vielleicht richten die Kritiker des Projekts im Parlament unter Bezug auf die von den Rechnungshöfen formulierten Hinweise einmal eine Kleine Anfrage an die Regierung; zum Beispiel:
- Wann ist die Entscheidung für PPP gefallen?
- Welches sind die für dieses Projekt angenommenen Rahmenbedingungen?
- Welches sind die externen Berater bei diesem Projekt; aufgrund welcher Ausschreibung haben sie diesen Auftrag bekommen?
- Welche Risikokosten sind bei diesem Projekt für die beiden Varianten jeweils angesetzt; aus welchen Eigenheiten des Vorhabens erklären sich die angenommenen Risiken?
Es würde sich vermutlich herausstellen, dass die Regierung bei ihren Entscheidungen auf die Erkenntnisse der von ihr eingesetzten Kassenprüfer pfeift.
Links:
http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article13657849/Aufguss-vom-Staat.html
http://www.taz.de/Bund-und-Land-streiten-um-Ministeriumsbau/!82546/
http://www.fr-online.de/kultur/lokaler-protest-die-verkaufte-stadt,1472786,11142182.html
Je näher man sich das Projekt ansieht, desto mehr Fragen tauchen auf:
1. Die Projektgesellschaft (Amber GmbH) hat nur 25.000 Eigenkapital https://www.handelsregister.de/rp_web/document.do?doctyp=UT&index=10, was hat das für mögliche Konsequenzen?
2. Es gab eine Anschubfinanzierung von angeblich 5 Mio. Euro. Wurde dadurch der 10%ige Eigenanteil des Investors reduziert?
3. Ist beim angegebenen Investitionsanteil der Kapitaldienst mit drin? Oder sind das die reinen Baukosten?
4. Welcher Ausbauzustand wurde festgelegt? In Koblenz gab es bereits ein PPP als „veredelten Rohbau“, will heissen, der Ausbau, ca. 55% der Kosten fiel komplett an die öffentliche Hand.
5. Benötigt werden 350 Büroarbeitsplätze, gebaut werden gleich 1000. Wer trägt das Vermietungsrisiko für die anderen 650 Büroarbeitsplätze?
6. 54.000 qm Bruttogeschossflächen für 1000 Mitarbeiter, also 54 qm pro Beschäftigten ist doch viel zu hoch, üblich sind eher 22 – 25 qm?