von Dorothea Härlin, 18.4.2011
Ich spreche hier als Mitbegründerinnen des Berliner Wassertischs, der es sich seit 2006 zum Ziel gesetzt hat, die Teilprivatisierung der BWB rückgängig zu machen. Wir sind eine bunte Mischung von Berliner BürgerInnen, mit unterschiedlichsten Hintergründen, kein Expertengremium also.
Aber wir mussten feststellen, dass die sogenannten Experten und Expertinnen aus Politik und Wirtschaft ebenso wie Fachleute in und außerhalb der BWB bisher nichts gegen diese skandalöse Privatisierung des Wassers in Berlin unternommen haben.
Deshalb sahen und sehen wir uns gezwungen von außen Druck zu machen, ausgerüstet mit unserem gesunden Menschenverstand und basisdemokratischem Bewusstsein. Dass der politische Wille entscheidender ist als manches juristische , politische oder technische Fachwissen wurde eindeutig durch den Erfolg unseres Volksentscheides bestätigt, der nun erst einmal umzusetzen ist. Das heißt für uns ganz klar, dass die Verhandlungen mit RWE über einen möglichen Rückkauf auf Basis dieses Vertrages erst einmal zu stoppen sind. Doch der Senat verhandelt bereits wieder hinter verschlossenen Türen weiter, als gäbe es dieses neue Gesetz nicht. Auch deshalb hat der Berliner Wassertisch eine neue Arbeitsgruppe mit dem Namen Klärwerk eingerichtet, die Transparenz und Öffentlichkeit bei der Umsetzung des Gesetzes einfordert und die weiteren Schritte des Senats unter die Lupe nimmt.
Die Eckpunkte einer bürgernahen Berliner Wasser- und Abwasserwirtschaft , 100 % in öffentlicher Hand und nicht dem Profitdenken unterworfen , könnten wir unter dem Kürzel
DeKoPaTraKoN zusammenfassen, also
Demokratische Kontrolle, Partizipation, Transparenz, kostengünstig und nachhaltig.
Auch wenn wir heute mit keinem ausgefeilten schlüssigen Modell aufwarten, möchten wir mit diesen Eckpunkten einen Diskussionsprozess anstoßen, der weit über die Phantasie und Interessender bisherigen verfilzten Kreise hinausgeht, aber doch mehr bietet als reine Worthülsen.
1.+2. Demokratische Kontrolle und Partizipation gehören eng zusammen. Die Geschichte der BWB zeigt, dass der existierende rechtliche Rahmen der aktuell vorherrschenden parlamentarischen Parteiendemokratie dem Tür und Tor öffnet, was wir mal gelinde ausgedrückt unter „Filz“ verstehen Benötigt wird daher ein rechtlicher Rahmen, der den KundInnen, den Beschäftigten, den potentiell Geschädigten (z.B. durch Umwidmung von Feuchtgebieten) und den Steuerzahlenden unmittelbare und zeitnahe Kontroll- und Mitbestimmungsrechte einräumt. Gerade die Kultur der Parteiendemokratie ist es, die zu Recht allgemein als völlig desolat bezeichnet wird und die deswegen Bestandteil und Ursache der Krise der öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Es geht uns also um Formen der Mitgestaltung, die neu zu entwickeln und auszuprobieren sind. Eine zentrale Rolle müsste den Beschäftigten der BWB eingeräumt werden, weit über die jetzt bestehende Mitbestimmung hinaus. Dass bisher beim Berliner Wassertisch niemand von ihnen mitarbeitete werten wir als Zeichen innerbetrieblicher Angst vor eventuellen Repressionen, dem Gegenteil von Partizipation also.
3.Transparenz: Transparenz ist unabdingbare Voraussetzung für Demokratie. Durch unser Gesetz sind wir in einem Bereich, dem Wasser, einen großen Schritt voran gekommen. Auch das neue Informationsfreiheitsgesetz haben wir sozusagen provoziert, allerdings genügt es uns wegen seiner Unverbindlichkeit noch lange nicht. Aber es fehlt noch viel: Sitzungen müssen prinzipiell öffentlich sein, komplexe Inhalte müssen breit vermittelt werden, Anliegen und Vorhaben müssen wo immer möglich von der zentralen (Landes-)Ebene auf die bezirkliche Ebene heruntergebrochen und dort ebenfalls diskutiert werden. BürgerInnen müssen Mittel und Zeit bekommen, sich zur Wahrnehmung von Kontrolle und Partizipation zu informieren und fortzubilden.
4.Kostengünstig: Diese Forderung beschränkt sich nicht nur auf niedrige Wasserpreise, das Ziel ist ja klar. Der Trick einer indirekten Preiserhöhung durch die Einführung des Grundpreises, der bereits ein Jahr später um 100% erhöht wurde, muss rückgängig gemacht werden. Auch Investitionen müssen dem Bedarf der BerlinerInnen entsprechen, also statt teurer (Groß-)Technik von Veolia, benötigen wir wartungsfreundliche, bewährte und patentfreie Technik, die dauerhaft stabil ist und keine hohen laufenden Kosten oder zeitnahe Nachinvestitionskosten hervorruft. In die Frage der Kosten müssen aber auch gesamtgesellschaftliche Kosten einbezogen werden: Für eine Privatfirma sind wenige Beschäftigte kostengünstig. Für Berlin ist es kostengünstig und sinnvoll, viele Menschen in und um die Wasserbetrieb zu beschäftigen, um ihnen Arbeit zu geben und allen BerlinerInnen eine gute Wasserversorgung zu garantieren. Hier ist auch ein Umdenken in der Senatspolitik gefordert, hat doch auch dort das private betriebswirtschaftliche Denken überhandgenommen anstelle einer am Gemeinwohl orientierten Politik,
5.Nachhaltig: Die Lebensdauer vieler Anlagen im Wasser -und Abwasserbereich geht weit über 30 Jahre hinaus, teilweise bis zu 80 Jahren und mehr. Es besteht die akute Gefahr (analog zu London unter RWE / Thames water), dass der deutlich kürzere Zeithorizont privater Firmen dazu führt, dass die Infrastruktur zu Gunsten der Rendite ausgelaugt wird, dass also z.B. Berlin 2029 ein marodes Leitungsnetz übergeben bekommt, das wir dann erst einmal teuer sanieren müssten. Benötigt wird die Rückkehr zumindest zu der nachhaltigen Investitionspolitik von vor 100 Jahren, die uns Anlagen beschert hat, die noch heute Bestand haben.
Zu nachhaltig bewirtschafteter öffentlicher Infrastruktur gehört auch, statt energieextensiver Großtechnik energiesparende Verfahren einzusetzen. Bei Verschmutzung z.B. ist der Vorbeugung gegenüber einer späteren Reinigung der Vorrang zu geben. Besondere Abwässer sollten bereits örtlich abgefangen werden. Die Spree muss endlich durch ausreichende Rückfangbecken für Regenwasser ganzjährig sauber werden können.
Zu einer nachhaltigen Daseinsvorsorge im Bereich des Berliner Wassers gehört die Wahrnehmung der Verantwortung in einer der wasserärmsten Regionen Europas. Berlin hat (noch) viel Wasser, ringsherum ist es aber trocken. In Berlin saufen die Keller ab, außerhalb von Berlin trocknen dagegen die Torfmoore aus. Erforderlich ist ein integriertes Konzept, das sowohl die Belange der Berliner Infrastruktur als auch die Erfordernisse des Umlands im Sinne der Nachhaltigkeit berücksichtigt.
Diese knapp skizzierten Vorstellungen zeigen klar, dass wir hier nicht mit einem fertigen Modell einer Rekommunalisierung aufwarten können. Wir wollen das auch nicht, weil es unserem demokratischen Selbstverständnis widersprechen würde, denn jetzt ist erst einmal eine breite Debatte zu initiieren. Es geht jetzt darum, Politiker und Konzerne daran zu hindern weitere Fakten auf dem falschen Pfad einer profitorientierten Wasserwirtschaft zu schaffen und statt dessen endlich die durch das Gesetz erreichte Offenlegung zu nutzen und neue Möglichkeiten der Mitgestaltung zu entwerfen und
in die Hand zu nehmen, und die dafür notwenigen Strukturen zu schaffen.
Mit den Möglichkeiten des neuen Gesetzes betreten wir in einer Großstadt wie Berlin weitgehend Neuland, hoffen jedoch von Paris oder auch Grenoble viel lernen zu können. Vielleicht können wir heute einen Schritt tun in Richtung Public Puplic Parnterschaft. Statt PPP (Public Privat Partnership) setzen wir also auf eine enge Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch zwischen Kommunen und lassen die Großkonzerne vor der Tür. Wir halten diesen Ansatz für hoch interessant , weil er nicht auf Profitmaximierung basiert, sondern auf einem nicht durch Geld bestimmten Austausch zwischen den Kommunen auf einem gemeinsamen Weg in Richtung auf eine kostengünstige, ökologische, soziale, nachhaltige und bürgernahe Wasserversorgung.. Ein überregionales kommunales Kompetenzzentrum sollte entstehen an Stelle des in Berlin unter der Federführung von Veolia bestehenden Zentrums.
Damit sich in Berlin in diesem Sinne etwas verändert, ist eine weitere Politisierung des Themas Wasser dringend notwendig. Dafür stehen die heutigen Proteste vor dem Hotel Intercontinental gegen das „Global Water Summit 2011“, wo der bekannte Kreis der am Wasser Verdienenden sich durch die Schirmherrschaft von Kofi Annan das Mäntelchen des Gemeinwohls umzuhängen versucht. Einige Mitglieder des Berliner Wassertischs diskutieren heute hier mit, andere AktivistInnen versuchen durch Protestaktionen die Öffentlichkeit aufzurütteln.
Zwei gute Bespiele für unsere Arbeit auf verschiedenen Ebenen. Der Berliner Wassertisch kann also noch lange keine Ruhe geben!