Wie mit der Ausländermaut die Autobahn privatisiert wird

Bild: Alexander Blum, wikipedia.de
Bild: Alexander Blum, wikipedia.de

Von Carl Waßmuth / GiB

In der Debatte um die Ausländermaut ging es viel um EU-Konformität und wackelige Einnahmenschätzungen. Es ist u.a. GiB zu verdanken, dass auch darüber gesprochen wurde, dass mit dem Projekt auch oder vor allem die Autobahnprivatisierung vorbereitet wird. Laura Valentukeviciute von GiB dazu in der Bundestagsanhörung am 16.3.2015:

Mit dem Entwurf zur Infrastrukturabgabe haben wir genau das, was von der Kommission von Sigmar Gabriel als Privatisierungsvorhaben vorschlagen und vorbereitet wird. Das zentrale Problem ist die Verteuerung der Infrastruktur bei diesen Projekten. Der Grund dafür ist, dass die privaten Anleger auch eine garantierte Rendite für die angebliche Risikoübernahme erwarten.“1

In der Bundestagsdebatte am 27.03.2015 bestätigte die Regierung nun auch selbst, dass man mit der Maut privatisieren will.2 So lobte Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, das Vorhaben nicht nur unbescheiden als Teil der „größten Modernisierungsoffensive der bundesdeutschen Geschichte“. Er sprach auch von der Maut im Zusammenhang mit „stärkerer Einbindung von privatem Kapital – ÖPP“ und versprach „Mittel aus öffentlich-privaten Partnerschaften“. Eingebunden werden soll hier die öffentliche Infrastruktur – eine bedeutsame Wortverdrehung.3 In den langfristigen Verträgen mit zugesicherter hoher Rendite an Versicherungskonzerne wird die Infrastruktur nämlich zum Pfand. Auch bekommt man keine zusätzlichen Mittel aus den öffentlich-privaten Partnerschaften, sondern muss für diese Konstruktionen bezahlen – und das nicht zu knapp.

Zurück zur Bundestagsdebatte. Die Opposition gibt ihr bestes: Sie macht auf das skandalöse parlamentarische Gebaren aufmerksam, bei dem Vorschläge Gesetzesänderungen 42 Minuten vor Sitzungsbeginn verteilt werden, sie listet eine Legion von Widersprüchen und Absurditäten im Rahmen der vorgeschlagenen Ausländermaut auf, auch die damit einhergehende Privatisierung wird angeprangert. Aber die große Koalition stellt nun einmal 80 Prozent der Abgeordneten, und so bekommt man vor allem ausreichend Gelegenheit, die Regierungsposition zu vernehmen. Arnold Vaatz (CDU/CSU), hält es für richtig,

darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft vermehrt privates Kapital in die Infrastrukturfinanzierung einbinden können.“ Arnold Vaatz weiter: „PPP-Projekte und Pooling-Projekte drängen sich hier auf.“

Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU), ist der Auffassung, zur Infrastrukturfinanzierung benötige man die Ausländermaut:

Dafür brauchen wir aber auch diese Infrastrukturabgabe, und wir brauchen institutionelle Investoren oder andere, die sich an solchen Projekten beteiligen.

Auch teilt er mit, man diskutiere

ob wir eine Bundesautobahninfrastrukturgesellschaft gründen, eine staatliche Gesellschaft, die wiederum zusätzlich privates Kapital für Projekte einsammeln kann.“

Was sagt nun die SPD dazu? Die findet die Maut nicht so toll. Und sie sieht auch, dass objektiv vieles dagegen spricht. Das drückt Bettina Hagedorn (SPD), folgendermaßen aus:

Von den 15 geladenen Sachverständigen waren nur 4 von dem Gesetzentwurf zur Pkw-Maut ganz eindeutig begeistert, der hier auf dem Tisch liegt, weil es dazu viele Fragen gibt.“

Das bringt die SPD aber nicht dazu, dagegen zu stimmen. Wozu Sachverständige, wozu Anhörungen, wenn man doch einen Minister hat? Bettina Hagedorn weiter:

Wir vertrauen dem Verkehrsminister, dass er mit seiner Prognose recht behält, dass diese Pkw-Maut europarechtskonform ist, Einnahmen in erheblichem Umfang generieren wird und dass kein deutscher Autofahrer mehr bezahlen wird als bisher.“

Die schwache Begründung lautet etwa: ‚Wir haben den Mindestlohn bekommen, dann bekommt ihr die Ausländermaut.‘ Rolf Mützenich (SPD) drückt das auf eine Bürgeranfrage hin wie folgt aus:

Die Erwartung, dass wir als SPD-Abgeordnete unserem Gewissen folgen, erfüllen wir gern, denn dies ist in der SPD-Fraktion einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Maßstab. Die PKW-Maut, eine Straßenbenutzungsgebühr, gehört in unserem Wertekanon allerdings nicht zu den Gewissensentscheidungen.“4

Die Privatisierung der Daseinsvorsorge, die Verschleuderung von Steuergeldern ist demnach keine Gewissensentscheidung? Interessant. Aus der SPD-Fraktion haben übrigens elf Abgeordnete gegen die Maut gestimmt, vermutlich aus Gewissensgründen:

Dr. Daniela De Ridder, SPD, Mittelems

Elvira Drobinski-Weiß, SPD, Offenburg

Christian Flisek, SPD, Passau

Michael Gerdes, SPD, Bottrop – Recklinghausen III

Michael Groß, SPD, Recklinghausen II

Ulrich Hampel, SPD, Coesfeld – Steinfurt II

Thomas Hitschler, SPD, Südpfalz

Matthias Ilgen, SPD, Nordfriesland – Dithmarschen Nord

Dr. Bärbel Kofler, SPD, Traunstein

Markus Paschke, SPD, Unterems

Johann Saathoff, SPD, Aurich – Emden

1 Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags zur PKW-Maut, https://www.gemeingut.org/anhoerung-im-finanzausschuss-des-bundestags-zur-pkw-maut/

2 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/039/1803990.pdf, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen vom 11.02.2015

3 Auf diesen Umstand macht Prof. Jürgen Schutte aufmerksam.

4 http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_rolf_muetzenich-778-78357–f433408.html#q433408

1 comments

  1. Wird die neue „Bundesautobahninfrastrukturgesellschaft“ BAIG zur Deutsche Bahn AG 2.0 ?

    Dobrindt und Gabriels ÖPP-Kommission wollen offenbar in einem Aufwasch eine „Bundesautobahninfrastrukturgesellschaft“ (BAIG ?) gründen. Das wäre ja der gleiche geniale Privatsierungsstreich wie bei der Gründung der „Deutsche Bahn AG“ vor über 29 Jahren. !

    Der Bund gründet eine Gesellschaft, die vollkommen ohne jede politische Kontrolle mit den gegenwärtigen und mit den (noch versteckten) staatlichen Geldern schalten und walten kann – Managergehälter und Vorstandsboni inklusive.

    Die dann teils aus der zweiten Reihe der Politik, teils aus der dritten Reihe des Business zu rekkrutierenden Geschäftsführer dieser BAIG werden mit den Versicherungs- und einschlägigen Baukonsortien Verträge abschließen, die der Öffentlichkeit ebenso verborgen bleiben werden wie den (desinteressierten, weil unzuständigen) Parlamenten in Bund, Ländern, Landkreisen und Kommunen.

    Dafür aber werden die Kämmerer der öffentlichen Kassen früh genug erfahren, dass die Bundesregierung Merkel, Gabriel, Dobrindt im Jahre 2015 -trotz angeblicher formaler Schuldenbremse- den Privaten über Jahrzehnte überteuerte Ratenzahlungen aus Steuermitteln zusagen ließ, die später plötzlich aus dem lange verheimlichten Nichts der geheimen ÖPP-Verträge auftauchen werden.

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