Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags zur PKW-Maut

Anhörung im Finanzausschuss am 16.3. Bild: Erhard Bartels
Anhörung im Finanzausschuss am 16.3. Bild: Erhard Bartels

Am Montag letzte Woche fand im Finanzausschuss des Bundestags eine öffentliche Anhörung zum Verkehrsteueränderungsgesetz, sprich zur PKW-Maut, statt, zu der Laura Valentukeviciute von GiB als Sachverständige geladen war. Sie kritisierte das Gesetz als einen weiteren Schritt in Richtung Autobahnprivatisierung (mehr s.u.). Die Ausschusssitzung wurde aufgenommen und kann unter http://dbtg.tv/cvid/4757675 nachträglich geschaut werden.

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Fragen an GiB und Antworten zum Nachlesen (kein Wortprotokoll):

Axel Troost (MdB, Die Linke): Können Sie uns kurz umreißen, inwieweit eine PKW-Maut Grundlage für eine mögliche Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur, hier der Autobahnen ist? Und sehen Sie in anderen laufenden oder jüngst abgeschlossenen Regulierungsinitiativen oder Gesetzgebungsvorhaben Voraussetzungen erfüllt, die für eine mögliche Privatisierung der Bundesautobahnen erforderlich sind?

Laura Valentukeviciute (GiB): Danke. Die Gebührenfinanzierung muss nicht zwangsläufig zur Privatisierung führen. Wir kennen sie z.B. im Bereich der Abwasserentsorgung. Sie erleichtert aber nachfolgende Privatisierungen. Entscheidend ist nämlich die Frage: wer übernimmt den Gebühreneinzug.

Der vorliegende Gesetzesentwurf hängt eng mit dem Gesetzesentwurf zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen“ zusammen. Dort steht: „Die Errichtung und der Betrieb des Systems zur Entrichtung der Infrastrukturabgabe soll einem privaten Betreiber übertragen werden.“

Erfahrung mit der Übertragung der Errichtung und des Betriebs des Maut-Systems gibt es mit Toll Collect. Damit wurde der Übergang von der Steuerfinanzierung zur Nutzerfinanzierung bei Lkws geschaffen. Der Betreiber dieses Mautsystems ist eine private Gesellschaft und das Projekt ist eine Öffentlich-private Partnerschaft, die schon vielfach wegen der enormen Belastung für den Bundeshaushalt kritisiert worden ist.

Im Gesetzesentwurf zur Infrastrukturabgabe ist die Rede von „Planungssicherheit für die Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen“. Das stellt eine langfristige Zweckbindung von vormals nicht zweckgebundenen Steuergeldern dar. Mit den Mitteln aus der Infrastrukturabgabe ist offensichtlich vorgesehen, langfristige Verträge mit privaten Betreibern einzugehen. Der Entwurf betont auch die „Unabhängigkeit vom Bundeshaushalt“. Das heißt nichts anderes, als dass das Parlament über die Investitionen nicht mehr entscheiden wird, sondern private Betreiber und Kapitalgeber.

Neben dem Gesetzesentwurf zur Infrastrukturabgabe gibt es folgende Initiativen der Bundesregierung:

  1. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine Expertenkommission zur Stärkung der Investitionen in Deutschland einberufen, die klar auf eine Privatisierung der Infrastruktur zielt. Sie fordert die Nutzerfinanzierung, eine Zweckbindung der Nutzungsentgelte sowie eine „Bundes-Autobahnen Infrastrukturgesellschaft (BautIG)“ vor. Diese Gesellschaft soll neben der Mauterhebung auch die Aufträge vergeben, überwachen und durchführen sowie weiteres Kapital bei institutionellen Anlegern akquirieren. Der vorliegende Gesetzentwurf bereitet somit zusammen mit dem zur Infrastrukturabgabe haargenau den auf Privatisierung abzielenden Vorschlag der Gabriels Kommission vor, der bisher der Öffentlichkeit noch gar nicht vorgestellt wurde. Ich zitiere aus dem Entwurf des Zwischenberichts der Kommision: „Mit der LKW-Maut und der Infrastrukturabgabe für PKW auf Autobahnen sind bereits wichtige Schritte vollzogen.“ Man geht in der Kommission also schon von Fakten aus, während Sie hier noch die Gesetzentwürfe beraten.
  1. Bundesfinanzmister Wolfgang Schäuble lässt eine Änderung von Artikel 90 des Grundgesetzes über Eigentum und Verwaltung von Autobahnen und Bundesstraßen prüfen, mit dem Ziel, den Ländern die Auftragsverwaltung zu entziehen.
  1. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bereitet konkret weitere ÖPP-Projekte im Autobahnbau vor – obwohl der Bundesrechnungshof bereits die erhebliche Unwirtschaftlichkeit solcher ÖPP-Projekte nachgewiesen hat.
  1. Das Bundeskabinett hat für die als Kapitalgeber anvisierten privaten Versicherungen eine Auflockerung der Anlagevorschriften beschlossen, damit diese stärker in Infrastrukturprojekte investieren können.

All das sind u. E. Zeichen, dass es zur Zeit um verstärkte Bemühungen für eine Privatisierung der Infrastruktur der Daseinsvorsorge geht.

Richard Pitterle (MdB, Die Linke): Welche Risiken sehen Sie bei der Einführung einer Nutzerfinanzierung der Fernstraßen und anderer Infrastrukturprojekte?

L.V. (GiB): Das zentrale Problem ist die Verteuerung der Infrastrukturfinanzierung. Die anvisierten institutionelle Anleger erwarten einee garantierte Rendite, die sie für die angebliche Risikoübernahme bekommen sollen. Zumeist geht es um Annuitätendarlehen, also jedes Jahr einen festen Betrag. Wie Markus Faulhaber, Chef der Allianz Lebensversicherung in den Medien sagte: „Wenn wir Eigenkapital einsetzen, erwarten wir schon etwa sieben Prozent, bei riskanteren Investments auch mehr“.

Ein paar Prozent mehr bei den Zinsen können bei so langen Laufzeiten eine wesentliche Verteuerung zur Folge haben. Während für 30-jährige Bundesanleihen zuletzt 2,5 % Zinsen zu zahlen war, wird durch die Beteiligung privater Versicherung 7%-Rendite anfallen. Bei einem Kredit von z.B. 10 Mrd. Euro für 30 Jahre Laufzeit würde das folgende Zinskosten ergeben: für die öffentliche Finanzierung nur 4,3 Mrd. Euro, für die private Finanzierung dagegen 14,2 Mrd. Euro, also mehr als das Dreifache an Zinsen.

Die hohen Finanzierungskosten bei ÖPP-Autobahnprojekten hat bereits der Bundesrechnungshof kritisiert. Er hat im Juni 2014 festgestellt, dass die Zinsdifferenz durch die private Finanzierung für 1,9 Mrd. Euro Mehrkosten bei 5 ÖPP-Autobahnen verantwortlich sind. Das Urteil des BRH ist: „Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass die bisherigen ÖPP-Projekte unwirtschaftlich sind.“

Richard Pitterle (MdB, Die Linke): Welche Alternativen sehen Sie? Wie sollte die Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur gestaltet werden?

L.V. (GiB): Die öffentliche Infrastruktur soll unserer Auffassung nach auch öffentlich finanziert werden. Das verhindert aber jetzt die Schuldenbremse, deswegen ist unser Vorschlag, sie neu zu justieren und die Investitionen in die Infrastruktur aus der Schuldenbremse herauszunehmen. Diesen Vorschlag teilt auch z.B. die Gewerkschaft ver.di.

Im Vordergrund soll die Überlegung stehen, ob die Investitionen volkswirtschaftlich sinnvoll sind, dafür sollte Verschuldung möglich sein. Dafür gab es früher die sogenannte goldene Regel. Und eine solche Regel brauchen wir auch heute wieder.

Übrigens sind bei der heutigen Schuldenbremse Ausnahmen auch vorgesehen, z.B. sind Investitionen nach Naturkatastrophen erlaubt sowie Investitionen, um konjunkturelle Schwankungen abzufedern.

Die weitere Möglichkeit ist die Steuereinnahmen zu erhöhen: z.B. durch die Einführung der Finanztransaktionssteuer, höhere Besteuerung von Kapitalerträgen, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder eine höhere Belastung der großen Erbschaften bei der Reform der Erbschaftssteuer.

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Schriftliche Stellungnahme von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB)

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