Faktenblatt Nr. 9 • Hrsg. Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.
Zusammengestellt von Jürgen Schutte – 2. Aufl., Dezember 2013
Das Faktenblatt zum herunterladen: FB 09 – Die „ÖPP Deutschland AG“ in der Kritik
Im Januar 2012 hat Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V. zur Beendigung des „Experiments“ ÖPP Deutschland AG aufgerufen. Die von dieser Lobby-Agentur propagierte Privatisierung von Gemeingütern durch PPP-Projekte hatte sich vielfach als schädlich, teuer und von Korruption angefressen erwiesen. Wenig später hat das Magazin „impulse“ die Vorgeschichte dieses Unternehmens, seine Wirksamkeit und seine katastrophalen Auswirkungen auf die Gesellschaft unter der Überschrift „Die Selbstbediener“ ausführlich dargestellt. Wir nehmen diesen gründlich recherchierten Beitrag dankbar auf und stellen die von Christian Salewski unter Mitarbeit von Felix Rohrbeck aufbereiteten Fakten im Folgenden übersichtlich zusammen. Sie verdienen wirklich weiteste Verbreitung. – Fast gleichzeitig erschien in der Berliner „taz“ unter dem Titel „Der Wirtschaftstrojaner“ eine gleichermaßen detaillierte und kenntnisreiche Analyse von Kai Schlieter und Eva Berger, deren Ergebnisse wir im Folgenden ebenfalls auswerten. Jeder hier markierte Sachverhalt ist ein Argument gegen das Experiment mit der Kommerzialisierung unserer Gemeingüter. Der Versuch, die gesellschaftliche Infrastruktur und die Daseinsvorsorge dem Prinzip maximalen Profits zu unterwerfen, kann in der hier zur Darstellung gewählten Kurzform besonders markant hervortreten. Die Praxis der Public Private Partnership ist eine besonders gut ausgedachte Form der Privatisierung. Sie ist und bleibt ein Raub am Gemeineigentum, ein Ausverkauf der Zukunft und eine Bankrotterklärung der Politik.
Die Geschichte der „ÖPP Deutschland AG“ |
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Phase 1: Konzeption | 13 Banken bündeln ihre Kräfte: Landesbanken, der Sparkassenverband, Commerzbank, Dresdner Bank Deutsche Bank, Morgan Stanley und, unter anderen, die Beratungsagentur McKinsey und die britische Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer; | |||
Phase 2: Initiative | Das Ereignis am 2. Juli 2007 | Beteiligte | ||
Der Leiter der Abteilung für Infrastrukturinvestitionen der IFD, Wolfgang Richter trägt im Bundesministerium für Finanzen dem „Lenkungsausschuss Initiativgruppe PDG“ das entscheidungsreife Projekt zur Gründung einer schlagkräftigen Einheit zur Belebung des PPP-Geschäfts in Deutschland: Arbeitsname: „Partnerschaften Deutschland Gesellschaft (PDG)“ | Wolfgang Richter von der „Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD)“, einer Lobbyagentur der größten deutschen Banken (die IFD wurde 2011 aufgelöst)Klaus Droste, Kapitalmarktspezialist der Deutschen BankVertreter von McKinsey und Freshfield Bruckhaus Deringer; der designierte Vorstand der PD, Johannes SchuyPeer Steinbrück, Bundesminister für Finanzen und StaatssekretärWolfgang Tiefensee (SPD), BM für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und StaatssekretärHochrangige Vertreter der IFD | |||
Phase 3: Gründung | November 2008 | die staatliche Administration übernimmt das von Privaten entwickelte Konzept | ||
Phase 4: Neues Wachstum nach Einbruch in der Krise | Januar 2012 | Neu im Vorstand: Bernward Kulle, vorher beim Baukonzern Hochtief | ||
Unternehmenskonzeption |
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PDG: soll das „Gütesiegel“ für die Projekte sein (taz) | Aktiengesellschaft: 57% der Bund, 43% private Geschäftspartner | 30 Experten beraten die PPP-Interessierten; Erarbeitung von Leitfäden; zentrale Projektdatenbank | ||
Aussichten |
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Anfang 2012 weist die Datenbank 176 Projekte mit einer Investitionssumme von 7,2 Mrd Euro ausDie Zielquote: 15% der öffentlichen Investitionen über PPP abwickeln (das entspricht ca. 6 Mrd. Euro)Öffentliche Investitionen 2011: 41 Mrd. Euro | Ein gigantischer Markt für Baukonzerne, Beratungsagenturen und Anwaltskanzleien“Der Mittelstand dient der Partnerschaften Deutschland AG vor allem als Feigenblatt“ (Michael Heide, Zentralverband Deutsches Baugewerbe) | |||
Geschäftsideologie / Vision und Wirklichkeit |
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Versprechen |
Realität |
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Bundesfinanzministerium hält die Arbeit der ÖPP Deutschland AG für „unabhängig“.Partnerschaft: Vorteile für beide SeitenBei gleicher Qualität weniger ausgebenEffizienzvorteile von durchschnittlich 14% | Mit von den Profiteuren mit „maßgeschneidertem Auftrag und Struktur“ gegründet (taz)„Immer schön in die eigene Tasche“ (taz)Effizienzvorteile „wurden häufig zu hoch ermittelt oder nicht schlüssig nachgewiesen“ (die Rechnungshöfe) | |||
Die Praxis |
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Das Geschäftsfeld PPP „ist mittlerweile zum Selbstläufer geworden | Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist eine Blackbox: Die Öpp AG bietet eine Exeltabelle mit 300.000 Formeln an!“Diese sog. Nachweise der Wirtschaftlichkeit sind nichts anderes sals Modellrechnungen mit nicht nachvollziehbaren Annahmen“ (PPP-Wissenschaftler Holger Mühlenkamp, Verwaltungshochschule Speyer)Die Risiken kleingerechnet, Folgekosten ausgeblendet, Schönfärberei betriebenImmer wieder greift die Lobby tief in die TrickkistePPP ist eine Mogelpackung: ineffizient, intransparent und unkontrollierbarFreshfields in einem Gutachten: Frage, o die Regierungen diese Kontrolle durch eine Dienstanweisung oder Verwaltungsvorschrift einschränken können“ (taz)Dieselbe Kanzler regt an, „dass der jeweilige Rechnungshof z.B. auf eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung … verzichten kann, weil er keinen Anlass für die Fehlerhaftigkeit der Berechnung der PDG sieht und von deren Fehlerlosigkeit ausgeht“ (taz) | |||
Personal |
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Franz Drey, stv.Chefredakteur des „Behördenspiegels“; im Aufsichtsrat der „ÖPP Deutschland AG“Siehe auch zu Johannes Schuy und Bernward Kulle | ||||
Die Folgen |
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Baue jetzt, bezahle später! | In Zeiten der Schuldenbremse eine ist PPP eine große Versuchung für Politiker | |||
Geheimhaltung |
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Schützt die Projekte davor, allzu genau geprüft zu werdenDient der Abwehr unabhängiger Begutachtung“Ist mit dem Gedanken einer demokratischen Verfassung unvereinbar“ (Mühlenkamp)l | ||||
Stellungnahmen |
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Anton Hofreiter MdB Bündnis 90/Die Grünen: „nicht mehr tragbar“ – fordert eine „neutrale Beratung“ durch eine rein öffentliche BeratungsgesellschaftSahra Wagenknecht, stv. Vorsitzende der Linken: „korruptes Schmarotzertum auf Kosten der Steuerzahler“Ulrich Müller, Sprecher von Lobbycontrol: „die ÖPP Deutschland AG aufzulösen“; PPP-Projekte „eine Einladung für Lobbyismus zulasten der Bürgerinnen und Bürger“.Edda Müller, Sprecherin von Transparency Deutschland: „klare Auftraggeber- und Auftragnehmerbeziehungen öffentlich-privater Partnerschaften aus Sicht der Korruptionsprävention eindeutig vorzuziehen“Carl Waßmuth, Gründungsmitglied von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.: Public Private Partnership hat nicht gravierende Fehler, sondern ist selbst der Fehler. PPP löst keine Beschaffungs- und Finanzierungsprobleme, sondern mehrt die sozialen Probleme und bedroht unsere Demokratie. | ||||
Quellen: