Öffentliche Anhörung zu PPP am 24.10.2012: Zusammenfassung der schriftlichen Stellungnahmen und das Wortprotokoll

Bild: A. Paul
Bild: A. Paul

21.11.2012. Von Jürgen Schutte, GiB.

Die Öffentliche Anhörung zum Thema Public-Private-Partnership ist veranlasst durch die auf PPP bezogenen Anträge der Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen:

  1. Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Dr. Konstantin von Notz, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparenz in Public Privat Partnerships im Verkehrswesen, BT-Drucksache 17/5258

  2. Antrag der Abgeordneten Garrelt Duin, Michael Groß, Klaus Brandner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Für einen neuen Infrastrukturkonsens: Öffentlich-Private Partnerschaften differenziert bewerten, mit mehr Transparenz weiterentwickeln und den Fokus auf die Wirtschaftlichkeit stärken, BT-Drucksache 17/9726

Als Sachverständige waren geladen:

  • Prof. Dr. Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin

  • Prof. Torsten R. Böger, Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG)

  • Ralf Bönte, Bundesrechnungshof, Prüfungsgebiet V 3 Straßenbau I

  • Dietrich Klein, Landesfachkommission Straßenbauverwaltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

  • Bernward Kulle, ÖPP Deutschland AG

  • Felix Pakleppa, Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V. (ZDB)

  • Dr. Heiko Stiepelmann, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. (HDB)

  • Carl-Friedrich Waßmuth, Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e. V.

Die Stellungnahmen der Sachverständigen werden im Folgenden zusammengefasst, um den aktuellen „Stand der Diskussion“ zu markieren und diejenigen Fragen hervorzuheben, die wir in nächster Zukunft behandeln müssen, wenn wir in der Aufklärung über PPP weiterkommen wollen. Besonders wichtige oder interessante Aussagen sind im Text hervorgehoben.

Der Bundestag hatte schon am 24.5.2012 über die beiden Anträge diskutiert. Die Pressemitteilungen, Berichte und Stellungnahmen zu dieser Debatte sind im PPP-Textarchiv von Gemeingut dokumentiert [vgl. F-154, F-155, F-156, F-157, F-159F-160 und F-161].

Ausgewertet sind im Folgenden die Stellungnahmen von:

  1. ÖPP Deutschland AG

  2. Bundesrechnungshof

  3. VIFG

  4. HDB

  5. ZDB

Die Stellungnahme von Gemeingut, die von Carl Waßmuth erarbeitet und in der Anhörung vertreten wurde, veröffentlichen wir unverkürzt hier.

1. Stellungnahme Partnerschaften Deutschland – ÖPP Deutschland AG

Bernward Kulle, Mitglied des Vorstandes

Die Argumentation zielt auf die Diskriminierung der Grundsatzkritik und auf die Ausräumung einzelner Bedenken, die in den Anträgen von SPD und Grünen erhoben werden.

„Im Sinne einer zukunftsfähigen Infrastrukturbeschaffung und einer effizienten Verwendung von Steuergeldern dürfen ideologische Vorbehalte und Pauschalkritik nicht als Ausschlusskriterium einzelner Beschaffungsvarianten gelten.“

„Sachlichkeit vor Ideologie, Fakten vor Paulschalkritik!“ ist die Perspektive. Im Einzelnen (die Überschriften im Text):

Vorbemerkung

  • Man lasse doch die Kirche im Dorf: gerade einmal zwei bis drei Prozent aller Hoch- und Tiefbau-Vorhaben werden als PPP abgewickelt!

  • Der Maßstab ist der Markt, der umkämpfte „Wert“ = die Freiheit.

  • Freiheit heißt hier: Die „wertneutrale“ Einbeziehung der ÖPP-Variante in den Beschaffungsprozess sichern!

  • ÖPP ist: wertneutral, sparsamer und effizienter.

Wie mir scheint, wird das Wort „wertneutral“ in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet:

  • Einerseits: Keine Vorabbewertungen, erst die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung entscheidet über den „Wert“, d.h. die Anwendung von ÖPP;

  • andererseits: Jede Kritik an ÖPP ist „ideologisch“, denn ÖPP ist „wertneutral“.

Transparenz

  • Transparenz muss für alle gelten, auch für konventionelle Projekte.

  • Die „ÖPP Deutschland AG“ unterstützt grundsätzlich die Geheimhaltung von PPP- Verträgen bis zum Vertragsabschluss.

  • ÖPP bietet schon heute mehr Transparenz als die konventionelle Beschaffung (Verträge mit rund 30% der Projektsumme sind veröffentlicht).

  • Bei Veröffentlichung sind die Interessen der Öffentlichkeit als auch die der beteiligten Konzerne zu berücksichtigen!

  • Der in der Transparenzinitiative eingeführte, zusätzliche Projektreport gibt die fürs breite Publikum verständliche Informationen;

  • es sind jedoch der Personenschutz sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren.

Haushalt und Finanzierbarkeit

  • ÖPP ermöglicht sowohl interne Kostentransparenz als auch externe Haushaltstransparenz.

  • Nachträge bei ÖPP liegen bei durchschnittlich 3% des Auftragsvolumens.

  • Die finanziellen Zusatzbelastungen sind bei ÖPP-Projekten gering.

  • ÖPP Deutschland AG hat ein WU-Standardmodell entwickelt, das bereits von 150 Projektträgern angewandt wird.

  • ÖPP ermöglicht kein Bauen ohne Geld. Die Kommunen sollen sich nur leisten, was auch konventionell gemacht werden kann.

Private Leistung und öffentliche Kontrolle

  • Der Vorwurf des „Demokratieverlusts“ und des „Ausverkaufs öffentlicher Güter“ entbehrt jeder Grundlage.

  • Sanktionsmöglichkeiten des öffentlichen Partners sind gegeben.

  • Bürgschaftserklärungen des Privaten bieten genügend Sicherheit.

  • Ein effizientes Risiko-Management ist ebenfalls garantiert.

Mittelstandsbeteiligung wird behauptet

  • Eine Grundlagenarbeit zu ÖPP und Mittelstand liegt vor.

  • Bei über 70% der Projekte liegen die Kosten unter 5 Mill.; das ist eine mittelstandsfreundliche Größe.

  • 50% aller Hochbauprojekte sind auf erster und zweiter Ebene an Mittelsand vergeben.

  • Im übrigen werde im Baugewerbe doch gut verdient!

Kommentar: Diese Argumentation widerspricht der vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes gezeichneten Lage. JS

Projekterfahrungen

  • sind gut!

  • Es gibt auch Projekte, die die angestrebten Ziele nicht erreichten.

  • ÖPP ist kein Allheilmittel ­ es ist Mittel zum Zweck.

[>Ingrid Remmers (die Linke) am 24.5. im BT: „Wenn alle Forderungen des SPD-Antrags auf Schadensersatzforderungen, unabhängige Überprüfung der Verträge, Verhinderung von Lohndumping und Interessenkonflikten umgesetzt werden würden, würde sich keine einzige Firma mehr an ÖPP beteiligen wollen, und das wäre gut so.“ JS]

2. Stellungnahme des Bundesrechnungshofs

Die Stellungnahme des BRH geht über das Faktenblatt 2 von Gemeingut nur unwesentlich hinaus. Wichtig an ihr ist die Wiederholung einiger grundsätzlicher Feststellungen und Forderungen und wichtig sind die Ergebnisse einiger Prüfungen, die wiederum ein scharfes Urteil über die Qualität von PPP-Praxis beim Bund sind.

Zusammenfassung der Stellungnahme (durch die RHe)

Vorausgegangen sind: Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) zum Thema „Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau“ (5.1.2009) und der „Gemeinsame Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten“ der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (14.9.2011).

Grundsätzlich hält der RH fest:

  • ÖPP ist eine „wertneutrale“ Beschaffungsvariante;

  • auch bei ÖPP ist für jedes Einzelprojekt die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit dieser Beschaffungsvariante gegenüber der Eigenbesorgung der öffentlichen Hand objektiv und transparent nachzuweisen.

Vier ÖPP-Projekte mit verkehrsmengenabhängiger Vergütung

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen

Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zur ersten Staffel von ÖPP-Autobahn-Projekten sieht der Bundesrechnungshof aufgrund der getroffenen Annahmen kritisch:

  • Bei den vier vom Bundesrechnungshof geprüften ÖPP-Projekten mit verkehrsmengenabhängiger Vergütung übertreffen die aus den Verkehrsprognosen abgeleiteten Einnahmeschätzungen der Bieter die Schätzungen des Bundes um insgesamt 2,5 Mrd. Euro.

  • Die vollständige Übertragung des Verkehrsmengenrisikos auf den Privaten ist für den Bund nicht vorteilhaft.

  • Sollten sich die Prognosen der Bieter verwirklichen, so wird sich bei den ÖPP-Projekten mit verkehrsmengenabhängiger Vergütung ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil gegenüber der Eigenbesorgung ergeben.

  • Sollten sich die Prognosen des Bundesverkehrsministeriums bewahrheiten, werden die von den Privaten erwarteten Einnahmen ausbleiben. Sie werden dann versuchen, ihr wirtschaftliches Ziel dennoch zu erreichen, indem sie Kosten reduzieren oder zusätzliche Erlöse (Nachträge) erzielen.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes erscheinen Vergütungsmodelle vorteilhaft, die sich an der Verfügbarkeit der Konzessionsstrecke orientieren.

Der RH präferiert die Verfügbarkeitsmodelle

Er rechnet noch einmal vor, was die Zusammenfassungbereits sagt: Beim Verkehrsmengenkonzept gewinnt stets der Private; es besteht die Möglichkeit dass er, wenn seine Existenz gefährdet ist, mit „unlauteren Mitteln“ die Rechnung auszugleichen versucht (alles könne man nicht für 30 Jahre voraus regeln).

Die bisherigen Erfahrungen bestätigen vom BWV aufgezeigte Risiken.

Aussagen zu Risiken

Die Rechnungshöfe sehen das Risiko, dass ÖPP-Projekte verstärkt als alternative Finanzierungsmodelle eingesetzt werden könnten, wenn eine kreditfinanzierte konventionelle Umsetzung der Maßnahme eine gegen das Grundgesetz verstoßende Neuverschuldung zur Folge hätte.

Die langjährigen Zahlungsverpflichtungen aus ÖPP-Projekten stellen keine Kredite im Sinne der Artikel 109, 115 Grundgesetz dar. Sie werden zu dem Zeitpunkt defizitrelevant, in dem sie als Zahlungen an den ÖPP-Partner geleistet werden.

Verwirklicht sich das Verkehrsmengenrisiko in Form von geringen Verkehrszahlen, ergeben sich möglicherweise weitere Folgewirkungen für den Bund.

Bei ÖPP-Modellen im Bundesfernstraßenbau ist nämlich zu beachten, dass der Bund im Gegensatz zu einer Privatisierung (d.h. bei einem Verkauf) Straßenbaulastträger bleibt. Als Straßenbaulastträger haftet der Bund für von ihm zu vertretene Schäden. Dies gilt auch, wenn er die Aufgabe an einen Privaten übertragen hat. Der Bund kann erst anschließend versuchen, seine Forderungen gegenüber dem Privaten geltend zu machen.

Der Bundesrechnungshof ist daher der Auffassung, dass die vollständige Übertragung des Verkehrsmengenrisikos auf den Privaten für den Bund nicht vorteilhaft ist.

Derzeit wird die Risikobewertung im Straßenbau noch durch eine mangelhafte Datengrundlage erschwert. Sie gründet daher im Wesentlichen auf Diskussionen des Bundesverkehrsministeriums mit seinen Beratern und den Auftragsverwaltungen. Notwendig ist eine stetige Evaluierung der ÖPP-Projekte durch das Bundesverkehrsministerium.1

Kostenrechnung

Diese Kosten muss der Private über die Vergütung decken, die ihm der Bund zahlt (das sind die „Mieten“). Daneben berücksichtigt Kostenvergleich den zusätzlichen Begleitaufwand, der mit dem ÖPP-Projekt zu Lasten der öffentlichen Hand entsteht sowie eventuelle Remanenzkosten (z.B. langjährigen Überhang an Personal im Betriebsdienst).

Daraus wird deutlich, dass der Abschätzung der Effizienzvorteile besondere Bedeutung für die Ermittlung der ÖPP-Kosten in der vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zukommt. Angesichts der geringen Erfahrungen schätzt das BMVBS die Effizienzvorteile; das ist nicht genau genug, eine ständige Evaluierung ist notwendig.

Das BM erweitert seine Untersuchungen bei der zweiten Staffel mit Verfügbarkeitsmodell um einen gesamtwirtschaftlichen Nutzenvergleich (der RH merkt an, dass die für ÖPP günstigen Werte dadurch entstehen, dass der Bau bei einem privaten Vertragspartner nicht in Fach- und Teillose aufgeteilt wird. Das heißt: Bei diesen Geschäften sind die Großen unter sich!

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe haben bereits im Jahr 2006 darauf hingewiesen, dass sich die öffentliche Hand jene Projekte, die sie sich konventionell finanziert nicht leisten kann, ebenso wenig alternativ finanziert leisten darf.

3. Stellungnahme der VIFG2 – Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft

Vertreten durch den Geschäftsführer Prof. Torsten R. Böger.

Die vergleichsweise kurze Stellungnahme zeichnet sich durch ausgefeilte Erfolgsrhetorik aus:

1. ÖPP-Modelle im Bundesfernstraßenbau sind wirtschaftlich und erfolgreich

  • Die bisher gemachten Erfahrungen mit Öffentlich-Privaten-Projekten (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau sind eindeutig positiv zu bewerten. […] Gerade das Beispiel der A1 zeigt, dass ein privater Betreiber auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Infrastruktur schneller als geplant realisieren kann.

  • Mit diesen ÖPP-Modellen wird in erheblichem Maß privates Kapital in den Ausbau der Bundesfernstraßen gelenkt.

  • Der Lebenszyklusansatz […] hat sich als Wirtschaftlichkeitsmotor erwiesen.

  • In jedem der bisherigen Projekte ist der Mittelstand in hohem Maße vertreten. […]

2. Die Erfahrungen mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sind positiv.

  • Es soll tatsächlich der Beweis geführt werden, dass die „kamerale“ Buchführung außerstande ist, die Aussichten und Risiken eines Großprojekts angemessen darzustellen. Aufgrund des fehlenden Lebenszyklusansatzes ist die „kamerale“ Buchführung nicht in der Lage sämtliche Zahlungsströme abzubilden bzw. ihren Zusammenhang herstellen. Und sie kann keine Risiken berücksichtigen.

3. Vergabeverfahren, Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und Transparenz

  • Was wollt ihr, es ist doch maximale Transparenz gegeben;

  • alle Vergabeunterlagen sind öffentlich;

  • die bisher durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen basieren auf allgemeingültigen Leitfäden und Arbeitsanweisungen;

  • in die Erarbeitung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sind viele Experten einbezogen;

  • „Eine Veröffentlichung der kompletten Daten aus der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nach der Vergabeentscheidung würde langfristig gravierende wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen.“

  • Eine Offenlegung der der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zurundeliegenden Kalkulation halten wir für ungeeignet, den berechtigten Wünschen nach Transparenz zu entsprechen.

4. Die private Finanzierung schafft einen Anreiz für Wirtschaftlichkeit

5. F-Modell Projekte können erfolgreich weiterentwickelt werden

6. Weitere Themen für die künftige Diskussion von ÖPP:

  • Das Instrument der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung weiter entwickeln

  • Formen schaffen, die der Beteiligung des Mittelstandes entgegenkommen

  • Komplexität und Transaktionskosten reduzieren, besonders in der langen Vertragsphase

4. Stellungnahme des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB)

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer

Der ZDB vertritt 35.000 mittelständische Bau-Unternehmen, die ungefähr 70% aller Baumaßnahmen in Deutschland erledigen und 80% der Arbeiter und Angestellten im Baugewerbe.

Die ausführliche Stellungnahme des Verbands zur PPP-Praxis läuft bei Licht betrachtet auf eine fast vollständige Ablehnung von ÖPP im Fernstraßenbau heraus. Im Einzelnen wird festgestellt, ÖPP ist sinnvoll und möglich, wenn

  • erkennbare Effizienzvorteile erzielt werden

  • ein ausreichender Wettbewerb garantiert ist

  • die Vorhaben mittelstandsgerecht ausgestaltet werden

  • die Risiken fair verteilt werden.

Zum SPD-Antrag:

Die Bedeutung der Stellungnahme der Rechnungshöfe wird unterstrichen; sie verweise darauf, dass

  • es vielfach keine belastbare WUs gibt;

  • ÖPP verstärkt zur Umgehung der Schuldenbremse eingesetzt wird;

  • Sachgerechte Forderungen seien:

    • ÖPP-Vorhaben nur geprüft werden, wenn die Mittel auch für eine konventionelle Erledigung vorhanden sind;

    • die bisherige Praxis der WU (PSC) sei kritisch zu untersuchen;

    • die Ergebnisse der WUss gehören veröffentlicht;

    • die WUs sind von unabhängigen Gutachtern zu prüfen.

  • Die WUs müssen nach bestimmten Zeiträumen evaluiert werden

  • wegen einer Korrektur der Prognosen im Einzelfall

  • und zum Erwerb allgemeinen Wissens über die Funktion von WUs.

Die Unzuverlässigkeit von WUs ist kein Argument für ihre Abschaffung! Transparenz ist zwingend.

ÖPP im Straßenbau

  • Die mittelständische Bauindustrie ist beim Bundesfernstraßenbau „nahezu komplett ausgegrenzt“;

  • aktuelle 15 ÖPP-Projekte im Tiefbau mit einer Investition von 2,4 Mrd. Euro;

  • die durchschnittlich gegebene Summe von 160 Mill. Euro pro Projekt ist für KMU nicht zu stemmen.

„Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Konzessionsnehmer finanzielle und technische Risiken soweit wie möglich auf die nachgeordnete Ebene der bauausführenden Unternehmen abwälzen. Es hat sich auch gezeigt, dass die erhofften Vorteile der wirtschaftlicheren und effizienteren Durchführung zweifelhaft sind.

Es ist sehr fraglich, ob der als Vorteil benannte frühzeitigere und schnellere Bau von Autobahnen tatsächlich eine unwirtschaftliche Realisierung über Laufzeiten von 30 Jahren rechtfertigt. ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau schaden den gewachsenen Strukturen der mittelständisch geprägten deutschen Bauwirtschaft mit ihren vielen qualifizierten Arbeitsplätzen im Verkehrswegebau.“

ÖPP imHochbau

Allenfalls sieht der ZDB im Bereich des Hochbaus Potential für ÖPP. Hier kann die Bauwirtschaft zum Zuge kommen. Es sind jedoch nicht Tranchen mit ein paar hundert Schulen gemeint.

Wenn das Argument aufkommt, durch die Bündelung sei eine Senkung der Transaktions- und Betriebskosten zu erreichen, „dann müsste dies als Beleg für die Mittelstandsfeindlichkeit von ÖPP gewertet werden“.

Deshalb lehnt das deutsche Baugewerbe eine Paketbildung bei ÖPP-Projekten im Hochbau als mittelstands- und wettbewerbsfeindlich ab.

Für die Betriebsphase gilt, dass Effizienzvorteile oftmals auf geringeren Lohnentgelten oder auf Leistungsseinschränkungen basieren! Zum Beispiel sehr rigide Absenkung der Heizung ohne Rücksicht auf Veranstaltungen nach Schulschluss oder Konfrontation von Sportvereinen mit zusätzlichen finanziellen Forderungen für die Nutzung der Sporthallen. „Dass mit solchen Einschränkungen des Leistungsangebots Schulanlagen günstiger als konventionell betrieben werden können, ist kein Argument für die größere Wirtschaftlichkeit von ÖPP“.

Zum Antrag BT-Drs. 17/5258

  • Geschäfts und Betriebsgeheimnisse sollen gewahrt bleiben.

  • Die Konditionen der Finanzierung für den privaten Partner sind schlechter; dieser wird jedoch seine erhöhten Kosten einpreisen, so dass der öffentliche Partner diese mit übernimmt.

  • Bislang sind etwa 50 KMU an Projekten beteiligt, das ist bei insgesamt 70.000 deutschen KMU wenig.

  • „Hier wird die Realität des Baumarktes auf den Kopf gestellt zugunsten einiger weniger großer in- und ausländischer Unternehmen. Ohnehin gibt es in Deutschland derzeit nur noch 13 Bauunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Also: Vor dem Hintergrund der Finanzkrise sind PPP-Projekte mit Finanzierung fragwürdig geworden.

  • Grundsätzlich stellt PPP ein Mittel zur Umgehung der Schuldenbremse dar.

Die Bauwirtschaft beklagt seit langem einen zunehmenden Kompetenzverlust in den öffentlichen Bauverwaltungen. „Die Effizienzvorteile von ÖPP sind demzufolge in nicht unerheblichen Maße auf suboptimale Leistungen bei konventionellen Vergaben zurückzuführen.“

Sinngemäß gilt dies auch für die Durchführung hinsichtlich Bauqualität und Bauzeit.

Bei ÖPP müssen die privaten Partner Planungs-, Bau- und Betriebsrisiken einkalkulieren; wie weit diese relevant werden, ist eine Einschätzungsfrage; bei voller Berücksichtigung der Risiken kommt man auch zu worst-case-Szenarien, die zu Lasten des öffentlichen Partners eingepreist werden, deren vollumfängliches Eintreten nicht zu erwarten ist. Im andren Extremfall bringt die Nichtberücksichtigung von Risiken dem privaten Partner in wirtschaftliche Existenznot.

Auch der große Aufwand an Angebotsbearbeitung ist ein Hindernis für KMU. Die Angebotskosten sind fünfstellig, bei A-modellen siebenstellig.

Eine angemessene Entschädigung der unterlegenen Betriebe würde den Effizienzvorteil aufzehren; das ist ein Dilemma und ein Hindernis.

Vorgeschaltete Architekturwettbewerbe würden die Angebotskosten reduzieren. Im Ergebnis hat man allerdings weniger Freiheitsgrade zur Hebung von Effizienzvorteilen; auch dies ist ein Dilemma.

Kommentar: Die Stellungnahme widerspricht scharf der von allen andern behaupteten Mitwirkung der KMU an ÖPP-Projekten. Es wird jedenfalls klar, dass PPP ein Spiel der ganz Großen ist, bei dem sie die Kleinen und Mittleren nur gelegentlich und gnadenweise mitspielen lassen – aber zu den Bedingungen des Großen! JS

5. Stellungnahme des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie

Dr. Heiko Stiepelmann, stv. Hauptgeschäftsführer

1. Vorbemerkungen

HDB begrüßt ausdrücklich die positive Einstellung des Bundestages zu ÖPP; gemeint sind die Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD und Grüne.

  • Die Regierung wird gelobt weil sie ÖPP als Instrument zu einer effizienteren Verwendung knapper öffentlicher Mittel wie auch als Treiber zur Verwaltungsmodernisierung ansieht;

  • die SPD für ihre Forderung nach einem offenen Dialog mit Kritikern und Befürwortern

HDB beobachtet eine zunehmend kritische Haltung gegenüber ÖPP in der Öffentlichkeit.

Kritikpunkte: Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung aber auch in politischen Fragen; langfristig ist eine breite Akzeptanz zu organisieren.

2. Mehr Akzeptanz durch mehr Transparenz

  • die Offenlegung umfasst;

  • ÖPP-Transparenzinitiative der deutschen Bauindustrie, fordert verpflichtende Transparenzstandards für alle staatlichen Ebenen;

  • Erarbeitung eines ÖPP-Transparenzleitfadens, der als gemeinsame Verwaltungsvereinbarung für alle Länder verbindlich erklärt wird.

3. ÖPP mittelstandsfreundlich weiterentwickeln

  • ÖPP ist nicht mittelstandsfeindlich, KMU sind breit beteiligt;

  • Markteintrittsbarrieren senken!

Kommentar: Diese Stellungnahme ist „realistisch“ bezogen auf die Verbesserung der öffentlichen Akzeptanz. JS

1Das Fehlen einer solchen stetigen Evaluierung hatte die Bundesregierung gerade in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion vom 26.4.2012 bestätigt.

2Das ist die „Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft“ – eine Auslagerung öffentlicher Aufgaben in eine private Gesellschaft, die sich zu 100% im Besitz des Bundes befindet und als solche eine Agentur des BMVBS ist.

***

Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung „ÖPP im Verkehrsbereich“

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