25.10.2012. PM von Attac Deutschland. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac sieht sich durch die kürzlich bekannt gewordenen Ergebnisse einer Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) in seiner Forderung nach Abschaffung der privaten Krankenversicherungen bestätigt. „Die Umfrage zeigt deutlich, dass eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle Menschen mit Privatkassen nicht zu machen ist“, sagte Dr. med. Arndt Dohmen von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Soziale Sicherungssysteme. „Stattdessen brauchen wir endlich eine solidarische Bürgerversicherung – ohne Beitragsbemessungsgrenze, für alle Einkommensarten und mit prozentual gleich hohen Beiträgen für alle!“
Der Wido-Studie zu Folge ist fast die Hälfte der privatversicherten Rentner nicht in der Lage, steigende Versicherungskosten zu tragen und wechselt daher in einen Tarif mit weniger Leistung. Insgesamt wechselte fast jeder dritte Privatversicherte in 2012 oder 2013 in einen Tarif mit geringerem Leistungsanspruch oder höherem Selbstbehalt (http://kurzlink.de/Wido_Monitor). Auch die bereits im Sommer erschienene Studie „GKV/PKV-Systemgrenze – Bestandsaufnahme“ des Instituts für Mikrodatenanalyse weist in vielen Leistungsbereichen nach, dass Privatversicherte oft schlechter abgesichert sind als Mitglieder der gesetzlichen Kassen (http://kurzlink.de/Studie_IfMDA).
„Um Billigtarife als Lockvogelangebote zu ermöglichen, schließen Privatkassen im Kleingedruckten der Verträge oft existentiell wichtige Leistungen aus, ohne die Kunden darüber angemessen zu informieren“, berichtete Arndt Dohmen, der als leitender Arzt an einer großen Klinik arbeitet. „Viele Patienten stellen erst im Ernstfall erschrocken fest, dass ihre Privatkasse die medizinisch notwendige Behandlung nicht bezahlt.“ Hinzu komme das den meisten Privatversicherten bei Vertragsabschluss nicht bekannte Risiko, in höheren Lebensjahren mit zunehmenden chronischen Erkrankungen mit Beitragserhöhungen konfrontiert zu werden, die einen durchschnittlichen Rentenbezieher in bittere Armut treiben könnten. Arndt Dohmen: „Die große Mehrheit der Privatversicherten, die nicht über ein großes zusätzliches Vermögen verfügen, sind diesem Beitragswucher schutzlos ausgeliefert.“
Attac fordert bereits seit Jahren ein Ende der privaten Krankenversicherung und die Aufnahme aller Menschen in Deutschland in eine solidarische Bürgerversicherung. Notwendig sei ein einkommensunabhängiger Leistungskatalog für alle Versicherten. Nur so lasse sich eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle gewährleisten, die langfristige Finanzierung des Gesundheitswesens sicherstellen und das Solidarprinzip unseres Sozialversicherungssystems auch für künftige Generationen erhalten.
Die Einführung einer Bürgerversicherung wird wohl eines der zentralen Themen zur nächsten Bundestagswahl 2013 werden. Selbst bei Einführung einer Bürgerversicherung wird wohl die private Krankenversicherung im Bestand erhalten bleiben. Damit ist das Problem vieler älterer Versicherter in der privaten Krankenversicherung nicht gelöst. Der Gesetzgeber ist hier gefordert die Rechte der Privatversicherten in Bezug auf eine Beitragsentlastung im Alter zu festigen. Der erste Schritt in diese Richtung war die Einführung des Paragraphen 204 im Versicherungsvertragsgesetz. Danach haben alle Privatversicherten das Recht, jederzeit in einen anderen gleichartigen Tarif innerhalb der bestehenden privaten Krankenversicherung zu wechseln. Wollen jedoch die Privatversicherten dieses Recht auf einen PKv Tarifwechsel in Anspruch nehmen, stoßen sie bei den privaten Krankenversicherungen auf taube Ohren. Die PKV Versicherer haben kein Interesse daran, geringere Beiträge bei gleichem Leistungsniveau zu erwirtschaften. Gleichzeitig wurden in den letzten zehn Jahren viele Selbstständige und Freiberufler mit Billigtarifen in die PKV gelockt. Die Beitragserhöhungen in diesen Tarifen betrugen zum Teil über 60 % innerhalb eines Jahres.Bis zur Einführung der Bürgerversicherung könnte eine generelle Wechselmöglichkeit von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt werden. Hier ist einzig und allein die Sozialgesetzgebung verantwortlich.