Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften sind aus Betriebswirtschaftlichkeit herauszulösen
Von Joachim Oellerich
Staatssekretär Sebastian Scheel (Die Linke), Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, beantwortete eine parlamentarische Anfrage nach „Wohnungsneubau der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Berlin“ folgendermaßen: „Die schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf die Anfrage zukommen zu lassen. Bei der Beantwortung der Anfrage nutzt der Senat Angaben, die der BBU – Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) im Auftrag der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften quartalsweise zusammenstellt. “
Die Senatsverwaltung hat, so ist zu erfahren, nicht nur keine eigene Kenntnis vom Neubau der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, für die sie eigentlich zuständig sein sollte, sie besitzt offenbar noch nicht einmal eine „eigene Zuständigkeit“. Die öffentlichen Gesellschaften informieren folglich nicht den Senat über ihre Neubautätigkeiten, sondern den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU). Dieser Verband war früher der Prüfverband der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Heute gehören ihm auch Deutsche Wohnen, Vonovia und andere private Investoren an. Aus dem ehemaligen Prüfverband wurde ein Interessenverband der Wohnungswirtschaft und über diesen Lobbyverband erhält der Senat die Informationen, auf die er eigentlich unmittelbar Zugriff haben müsste.
Warum das so ist, wird aus der Antwort auf eine andere Frage derselben parlamentarischen Anfrage deutlich: „Nach Aktien- und GmbH-Gesetz sind die Unternehmen dazu verpflichtet“, so die Senatsverwaltung, „mit ihren Vermögenswerten sorgfältig nach den Regeln eines ordentlichen Kaufmanns zu operieren. (…) Die Geschäftsleitungen werden in diesem Sinne von den Aufsichtsräten kontrolliert. Vorhaben, die einen Vermögensverlust für die Gesellschaften bedeuten würden, werden von den Gesellschaften nicht verfolgt.“ Mit anderen Worten: Die öffentlichen Gesellschaften haben nicht nur private Rechtsformen, sie agieren auch am Markt wie private Unternehmen und in den Gesellschaften herrscht strenge Betriebswirtschaftlichkeit. Eine politische Steuerung findet nicht statt und soziale Zugeständnisse können allenfalls in „Kooperationsvereinbarungen“ abgerungen werden. Darüber wachen Aufsichtsräte, deren Vorsitzende dem marktradikalen, neoliberalen Flügel der SPD angehören (MieterEcho Nr. 391/ November 2017). Doch mit dieser liberalen Ausrichtung kann es – angesichts der sich verschärfenden Wohnungsknappheit – unmöglich sein Bewenden haben. Die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften sind die Instrumente, die als Träger für einen dringend benötigten kommunalen Wohnungsbau infrage kommen, und um diese Aufgabe zu erfüllen, bedürfen sie einer fundamentalen Veränderung. Wie eine solche Umgestaltung vollzogen werden kann, stellte die Initiative für neuen kommunalen Wohnungsbau (INKW) bereits 2011 vor.
Versorgung statt Gewinn
Der erste Schritt muss die Herauslösung aus dem GmbH- und Aktienrecht sein, denn nur so können sie sich als kommunale Einrichtungen dem neoliberalen Diktat der Betriebswirtschaftlichkeit entziehen. Ihre Aufgabe ist die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum und nicht die Erzielung von Gewinn und das können sie nur durch eine Umwandlung in Eigenbetriebe oder Anstalten öffentlichen Rechts. Ein zweiter Schritt ist die Vereinheitlichung der Zuständigkeit für die Gesellschaften in einer Senatsverwaltung. Zurzeit liegt die politische Verantwortung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die gewichtigere wirtschaftliche Verantwortlichkeit bei der Senatsverwaltung für Finanzen. Ein unhaltbarer Zustand. Der dritte Schritt ist die Finanzierung der Gesellschaften durch den kommunalen Haushalt. Öffentliche Mittel dürfen nicht mehr als Förderung an private Investoren vergeben werden. Öffentliche Mittel sind nur für öffentliches Eigentum zu verwenden.
Weitere Informationen:
http://www.inkw-berlin.de
Der Beitrag ist zuerst erschienen in: MieterEcho 398 / Oktober 2018