Liebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,
im Frühsommer mussten wir erleben, dass CDU, CSU und SPD die Autobahnprivatisierung gegen alle Widerstände durchsetzten – per Grundgesetzänderung. ÖPP kann jetzt von der Ausnahme zum Standard werden. Kurz danach wurde bekannt, dass schon seit Jahren ÖPP-Investoren auf „ihren“ Autobahnen erhebliche Nachforderungen verlangen. Mit der Bundestagswahl haben CDU, CSU und SPD dann heftig an Wählerstimmen verloren – aus vielen Gründen, vielleicht hat auch diese Enttäuschung eine Rolle gespielt. CDU/CSU werden trotzdem die Kanzlerin stellen, aber die SPD befindet sich auf der Abwärtsrutsche ihrer europäischen Schwesterparteien: In Frankreich und den Niederlanden (und in Griechenland) sind die Sozialdemokraten bereits zu bedeutungslosen Splitterparteien geschrumpft, Italien droht zu folgen. Einzig in Großbritannien haben 40 Prozent Britisch Labour gewählt – wegen eines Programms, das sich klar gegen Privatisierung und ÖPP stellt. Wurden aus den Wahlen in Europa bisher Schlüsse bezüglich der Privatisierungspolitik in Deutschland gezogen? Wir fürchten: Nein.
Diese Woche hat eine weitere Alarmleuchte begonnen zu blinken. Die Lampe blinkt in Berlin, und sie blinkt in den Farben Rot-Rot-Grün. Unter der Lampe prangt in Leuchtschrift: Achtung, Schulprivatisierung! Haargenau dieselbe Konstruktion wie bei den Autobahnen soll in Berlin auf die Schulen angewandt werden. Die Berliner Bezirke, die bisher für die Schulen verantwortlich sind, geben zahlreiche Grundstücke und Schulgebäude für 30 Jahre in eine GmbH und mieten sie von dort zurück. Offizielle Begründung: Nur so kann die Schuldenbremse umgangen werden, und nur so kann weiter bzw. überhaupt in die Schulen investiert werden.
Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers haben nicht nur die Autobahnprivatisierung und die Privatisierung der Schulen in Berlin empfohlen. Sie haben ihr Modell für die Privatisierung unserer Daseinsvorsorge für ganz Deutschland ausgearbeitet. Dieses Gutachten wurde von der Politik – vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel – bestellt. Am Schlimmsten ist aber, dass nun die Regierungen in Deutschland Anstalten machen, genau diesen Masterplan zur Privatisierung Stück für Stück abzuarbeiten. Und zwar ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Alle sagen: „Wir müssen. Geht nicht anders. Stichwort Schuldenbremse.“
Dieser verqueren Logik wollen wir uns nicht unterwerfen. In einer Kurzstudie wiesen wir nach, dass es nicht am Geld liegt, wenn zu langsam saniert wird: Schon seit Jahren steht dem Schulbau mehr Geld zur Verfügung, als man verbauen kann. Die Studie präsentierten wir in einer eigenen Pressekonferenz zur Schulprivatisierung in Berlin. In der gut besuchten Veranstaltung stellten wir dar, dass die sogenannte Berliner Schulbauoffensive im Kern ein gewaltiges Privatisierungsvorhaben ist. Damit konnten wir ein kleines Beben in der regionalen Presse auslösen. Die großen Berliner Tageszeitungen berichteten ausführlich und ganz überwiegend kritisch, mehr dazu unten in der Presseschau. In Mails und Anrufen wurden wir beglückwünscht und ermutigt, weiterzumachen. Aber es gab auch offenes Erstaunen: „Rot-Rot-Grün führt die Berliner Schulen in die Privatisierung – das kann nicht sein.“ Doch es kann. Oder vielmehr: könnte. Denn der Vorgang lässt sich noch aufhalten. Wer möchte, kann sich beteiligen, zum Beispiel an unserer neu gestarteten Unterschriftensammlung.
Katrin Kusche und Carl Waßmuth
für das Gemeingut-Team
PS: Schulprivatisierung ist nicht allein ein Berliner Problem. Wenn Rot-Rot-Grün dieses Vorhaben durchsetzt, werden sich andere Regierungskonstellationen sagen: „Dann dürfen wir das erst recht!“ Deswegen benötigen wir einen sofortigen Stopp, und zwar bevor das Modell in anderen Daseinsvorsorge-Bereichen und Bundesländern salonfähig wird! Alle Nicht-Berlinerinnen und -Berliner: Bitte diesen Aufruf unterschreiben!
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PRESSESCHAU (Auswahl)
Im Nachgang zur fast zweistündigen GiB-Pressekonferenz „Berlin droht die Schulprivatisierung“ in Kooperation mit Attac Berlin und dem Berliner Wassertisch am 3. November 2017 gab es die folgenden Berichte:
4. November. Auf einer Doppelseite der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung breiten Frederik Bombosch, Gabriela Keller, Martin Klesmann und Kai Schlieter ihre ausführlichen Recherchen zur Berliner Schulbauoffensive aus: „Marode Schulen in Berlin. Das dubiose Milliardenversprechen“.
3. November. Ralf Schönball berichtet im Tagesspiegel über die Pläne des Senats und stellt die Positionen der FDP sowie der Privatisierungsgegner von GiB vor: „Berliner Schulbau: Privatisierungsoffensive des Senats im Visier“.
Einen Tag später, am 4. November, legt Ralf Schönball im Tagesspiegel nach: „Privatisierung der Schulen. Berlin geht mit Schattenhaushalt ins Risiko“.
4. November. In der Berliner Morgenpost legt Florentine Anders in ihrem Beitrag „Dringende Sanierungen: FDP legt Konzept für Turbo-Schulbau in Berlin vor“ die unterschiedlichen Positionen von Senat, FDP sowie Gemeingut in BürgerInnenhand dar.
4. November. Der Hauptstadtsender TV-Berlin bringt eine gut zehnminütige „Nahaufnahme“ unter dem Titel: „Sorge vor Privatisierung der Berliner Schulen“
4. November. Im neuen deutschland erörtert Martin Kröger die „Kritik am Konzept für Schulbau“.
4. November. Die junge Welt titelt: „Lektion vom Klassenfeind: Hinter der ‚Schulbauoffensive‘ für Berlin versteckt sich ein Masterplan zur Privatisierung. Linkspartei macht mit. Vereine starten Kampagne dagegen“. Ein Beitrag von Ralf Wurzbacher.
6. November. „Berlins marode Schulen. Schulbauer verzweifelt gesucht“ bietet Stoff für einen neuen Beitrag im Tagesspiegel, verfasst von Ralf Schönball und Susanne Vieth-Entus.
8. November. Ralf Wurzbacher stellt in der jungen Welt die aktuellen Senatspläne vor. Sein Artikel trägt die Überschrift „Schulen für Spekulanten“.
8. November. Auch in der Berliner Morgenpost ist die sogenannte Schulbauoffensive Thema. Florentine Anders berichtet: „Bezirke wollen Schulen schneller sanieren“.
Von GiB erschienen aktuell zur Schulprivatisierung in Berlin folgende Pressemitteilungen:
3. November: „Berliner Schulen: Sanierung – ja, Privatisierung – nein! Senat plant Struktur zur Schulprivatisierung“
5. November: „Privatisierung unserer Schulen verhindern – Sanierung mit mehr Personal ausweiten“
7. November: „Senat lässt die Katze aus dem Sack – Schulprivatisierung hinter verschlossenen Türen beschlossen!“
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Das GiB-Aktionsflugblatt steht auf der Internetseite zum Download bereit.
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https://www.berliner-zeitung.de/berlin/marode-schulen-sanierungs-offensive-zerrt-an-politiker-nerven-28776332
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