05.08.2011 www.meinpolitikblog.de Immer mehr Schulen verlangen Geld für Benutzung sanierter Toiletten. | Von Ludger van der Heyden | junge Welt | — Um Ausstattung und Betrieb vieler Schulen in Deutschland steht es bekanntlich schlecht. Weil die Toiletten in der Gertrud-Luckner-Realschule im südbadischen Rheinfelden vollkommen verwahrlost waren, sorgten Schüler kurzerhand selbst für Abhilfe.
Im Rahmen eines Wirtschaftsprojekts brachten sie sechs Lokusse auf Vordermann. Die Sache hat allerdings einen Haken: Die Renovierung kostete Geld, und der städtische Schulträger ließ keinen Euro springen. Deshalb ist der Stuhlgang jetzt kostenpflichtig. Und wer die zehn Cent nicht zahlen will oder kann, muß sein Geschäft auf den unsanierten Toiletten verrichten.
Spiegel online hatte im Juni über den Fall berichtet. Mittlerweile wurde bekannt, daß kostenpflichtige Klos in anderen Schulen schon länger Realität sind. Auch an der Martin-Niemöller-Gesamtschule in Bielefeld sind zehn Cent fürs Austreten fällig.
Dort gibt es ebenfalls ein ordinäres Gratisklo nebenan – ohne Seife, ohne Toilettenpapier. Mit den Einnahmen beschafft der Schulförderverein sogar Binden und Tampons für die weibliche Klientel. Bezahlt werden daraus außerdem die beiden Aufsichtsdamen, die dem Bericht zufolge damit ihren Hartz-IV-Satz aufbessern.
Die Beispiele sollen Schule machen. Im Internet ist sogar eine Webseite nur dieser Problematik gewidmet. Schulklo.de versteht sich als Ratgeber für alle, die gegen die lausigen Zustände auf deutschen Schultoiletten in Aktion treten wollen – freilich nicht auf politischer Ebene, sondern durch praktisches Handanlegen.
Die Betreiber wollen »Eltern, Lehrer und Schüler animieren, selber die Schulklos zu sanieren«. Auf der Webseite sind mehrere »Best-Practise-Beispiele« aufgeführt, die zeigen sollen, was alles möglich ist. Als Lohn all der Mühen winken »nicht nur ein schönes, sauberes Schulklo«, sondern auch mehr »Ansehen«, »neue Freundschaften« und das Erwerben handwerklicher Fertigkeiten.
Derlei »Eigeninitiative« ist in Zeiten struktureller Massenarmut natürlich erwünscht. Bekanntestes Beispiel sind die Essenstafeln. Mit jedem von Schülerhand sanierten Schulklo können sich Schulträger ein Stück mehr aus der Verantwortung stehlen. Und mit jedem weiteren wird die Haltung genährt, der Staat könne und müsse sich ja nicht um alles kümmern.
Schließlich, so heißt es auf schulklo.de, seien »die Schüler verantwortlich (…) für die Zustände auf den Schultoiletten«. Beklagt werden »Gestank, keine Farbe an den Wänden, verrostete Heizkörper, fehlende Toilettenbrillen, keine Seife, kein Toilettenpapier, nichts womit man sich die Hände abtrocknen kann«.
Solche, sicherlich realitätsnahen Schilderungen finden sich viele auf der Seite. Und natürlich Lösungen, wie die an der Euregio Gesamtschule in Rheine bei Münster. Dort sollen die Eltern 15 Euro pro Schuljahr berappen, damit ihre Kinder einigermaßen hygienische Sanitäranlagen benutzen dürfen.