Liebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,
wir haben es geschafft! Unser erstes wichtigstes Ziel ist erreicht, die Ministerpräsidenten der Länder haben das Thema Autobahnprivatisierung vertagt. Letzte Woche schrieb uns die Niedersächsische Landesregierung: „Die Landesregierung hat konsequent darauf hingewirkt, dass es nicht einseitig und vorschnell durch den Bund zu Entscheidungen kommt.“ Und tatsächlich wurde das Thema offenbar auf dem letzten Treffen mit der Bundeskanzlerin am 7. Juli auf den Herbst verschoben. Ein weiteres Treffen, das für den 21. Juli anvisiert worden war, wurde fallen gelassen – ab in die Sommerpause! Für uns ein echter Erfolg, denn diese zusätzliche Zeit können wir nutzen, und wir sind fest entschlossen, das auch zu tun.
Hinter uns liegt eine Phase von beispielloser Intransparenz. Die Bundesregierung will das Grundgesetz ändern, aber um den zugehörigen Änderungsentwurf diskutieren zu können, brauchten wir Whistleblower! Die Treffen der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten haben weder Tagesordnung noch Protokoll. Was verhandelt wird, wer welche Position vertritt – alles bleibt geheim. Fünf solcher Geheimtreffen gab es innerhalb von zehn Wochen! Aber auch einige Länder sind jetzt von der Geheimniskrämerei genervt, glücklicherweise. So ließ uns der niedersächsische Ministerpräsident Weil am 18.7.2016 schreiben: „Der Bund hat bisher noch kein konkretes Modell für eine Bundesfernstraßengesellschaft vorgelegt. Eine intensive fachliche Auseinandersetzung mit seinen Vorschlägen sowie die entsprechende Verhandlung dieser Punkte war […] bisher noch nicht möglich.“
Wie geht es weiter? Zunächst wollen wir die Zeit nutzen, um durch verschiedene Anfragen doch noch Genaueres herauszukriegen. Wer soll die milliardenhohen Zahlungsverpflichtungen für die Pensionen der aktuell in den Autobahnverwaltung Beschäftigten übernehmen? Was passiert mit den Autobahn-ÖPPs, die schon laufen, werden diese Investoren entschädigt? Und: Wer berät eigentlich die Bundesregierung in dem ganzen Prozess? Das Vorhaben ist so eindeutig im Sinne der großen Versicherungen, dass vielleicht doch noch die eine oder andere Spur einer unzulässigen Einflussnahme zu finden ist.
Mit diesen und den uns schon vorliegenden Informationen wollen wir weiter aufklären. Vor allem möchten wir breitere Kreise informieren, eventuell durch eine größere Sonderveröffentlichung.
Und wenn die Sommerpause um ist, sollten die MinisterpräsidentInnen ganz oben auf ihrem Stapel die Frage liegen haben: „Wie stehen Sie politisch zur Autobahnprivatisierung – egal welchen Modells?“ Die Frage kann per Brief gestellt werden und über die Landesparlamente. In jedem Fall muss das Thema raus aus einer „Paketlösung“ im Bund-Länder-Finanzausgleich, raus aus den Hinterzimmern und hinein in einen offenen politischen Diskurs. Wir denken: das ist zu schaffen – mit Ihrer und euer Hilfe!
Mit sommerlichen Grüßen
Carl Waßmuth
aus dem GiB-Büro
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Presseschau zu Privatisierung im Fernstraßenbau
16.07. Die Zeit „Verscherbelt die Regierung unsere Autobahnen?“ Die „Zeit“ greift hier schon im Titel das Thema beim Schopf. Das Problem ist bei den großen Zeitungen angelkommen! Im Beitrag selbst wird ein neues Gutachten zitiert. Dessen Verfasser, Prof. Möllers fragt, „warum man die Investitionsfähigkeit des Staates erst durch Verfassungsrecht im Namen der Budgetstabilität begrenzen will, um diese Regelung dann mittels einer anderen Grundgesetzreform zu umgehen“. Durch eine Autobahngesellschaft entstünde eine Art separater Haushalt. Und die Zinsen, die man den Privaten bieten müsste, wären höher, als wenn der Staat sich direkt bei ihnen verschuldete. Für die Steuerzahler ein schlechtes Geschäft. Der Beitrag hat übrigens online schon 115 Kommentare, viele fallen deftig aus.
07.07. taz, „Projekt Superbehörde“ Die taz berichtet darüber, dass die Bundesregierung heimlich am Aufbau einer Bundesfernstraßengesellschaft arbeitet. Auch das mögliche Ergebnis wird dargestellt: Eine Privatisierung aller Autobahnen. Zitiert wird dabei aus einem vertraulichen Protokoll, das der taz vorliegt. Jeromin Zettelmeyer, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im Wirtschaftsministerium, hatte darin formuliert: „Ziel sei die Schaffung eines Organisationsrahmens für privat finanzierte Infrastrukturinvestitionen“.
06.05. Die Nachdenkseiten berichten: GiB schreibt einen offenen Brief an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Nachdem wir monatelang fast alle zwei Wochen vor Ministeräsidentenreffen Aktionen gemacht haben, entschieden wir uns vor der Sitzung am 7.7. für die Form des offenen Briefs. Wir schrieben: „Das anstehende Gespräch erfüllt uns allerdings aus anderem Grund mit großer Sorge: nach unserer Kenntnis will die Bundesregierung Sie dort vor Entscheidungen von großer Tragweite stellen. Konkret geht es um das Vorhaben der Autobahnprivatisierung, das die Bundesregierung als „Reform der Auftragsverwaltung“ bezeichnet und zur Bedingung macht für ihre Zustimmung zu einer „Gesamtpaket“-Kompromisslösung im Bund-Länder-Finanzausgleich.“ Dazu stellten wir Fragen: „Was ist für Bund oder Länder die Autobahnprivatisierung wert? Wie viel Milliarden Mehraufwand haben Bund oder Länder, wenn die Aufgabenwahrnehmung zu den Bundesfernstraßen beim Bund zusammengefasst und formell oder sogar materiell privatisiert werden?“ Hier der ganze Brief: Brief an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten
21.06. Süddeutsche Zeitung, Leserbrief von Gabriels Pressesprecherin „Gabriels rote Linie: Kein Zwei-Klassen-Netz“ Offensichtlich beginnt Sigmar Gabriel dünnhäutig zu werden. Als Reaktion auf den SZ-Beitrag „Gute Fahrt wünschen Allianz und Axa“ ließ er seine Pressesprecherin einen Leserbrief schreiben. Tenor: Sein Ministerium wirke nicht auf eine Privatisierung oder eine Form der öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen hin und unterstütze auch keine solche Privatisierung. Im Kleingedruckten weiter unten liest man, was Gabriel damit meint: Das Eigentum an den Straßen (also der Asphalt) bleibt in öffentlicher Hand. Ansonsten ist er dafür, dass nicht nur die Autobahnen, sondern auch die Bundesstraßen zentralisiert werden – und, wie wir ergänzen möchten – damit sukzessive auch privatisiert werden, selbst wenn Gabriel das noch dreimal dementiert.
17.06. Die Welt, „So heckt Merkel Deals mit ihrer Nebenregierung aus“: Sehr treffend wird das demokratisch fragwürdige Vorgehen der Bundesregierung thematisiert. Verhandelt wird statt mit Bundestag und Bundesrat vor allem mit den Ministerpräsidenten – in nicht öffentlichen Kaminrunden in einer Nebenregierung. Wir hatten es Superregierung genannt. Ansonsten teilen wir die Analyse völlig.
09.05. Grün-schwarzer Koalitionsvertrag Baden-Württemberg, Abschnitt „Bundesfernstraßen sanieren und bauen“: „Eine Zentralisierung der Aufgaben in einer Bundesgesellschaft für das Autobahnnetz lehnen wir ab.“