Von Carl Waßmuth
Am Nachmittag des Halbfinalspiels Frankreich gegen Deutschland fand ein weniger öffentliches, aber vielleicht nicht minder spannendes Ereignis statt: Es verhandelten die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung um sehr viel Geld, das der Bund den Ländern zusätzlich geben soll. Seit einem Vierteljahr wird dabei seitens der Bundesregierung die Zustimmung zur Autobahnprivatisierung zur Bedingung gemacht: Das war so bei den Treffen am 22.4, am 31.5. und am 16.6. Jedes Mal wurde jedoch eine definitive Entscheidung vertagt. Und das war auch jetzt am 7.7. wieder so: Bund und Länder einigten sich auf drei mal sieben Milliarden Euro für die Flüchtlingsintegration, über den Bund-Länder-Finanzausgleich und die Autobahnprivatisierung wurde jedoch nicht entschieden.
Darf man sich über eine solche Nicht-Entscheidung zur Autobahnprivatisierung freuen? Wir finden: Man darf! Das ganze Prozedere war schließlich extrem undemokratisch. Die Bundesregierung wollte allem Anschein nach die Länder einkaufen. Derweil hielt sie alle Informationen zu Details ihres Vorhabens unter Verschluss. Erst nach einer positiven Entscheidung im Hinterzimmer sollten der Bundestag, Landesparlamente und Zivilgesellschaft eingebunden werden. Wir hatten in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten appelliert, seitens der Länder von so einer undemokratischen Vorfestlegung abzusehen. Ob nun unseretwegen oder wegen anderer, dringenderer Themen oder wegen des Brexit – es kam tatsächlich wieder zu keiner Einigung.
Die Geheimhaltungspraxis der Bundesregierung geht allerdings weiter. Der Entwurf zu der geplanten Grundgesetzänderung konnte von attac und GiB nur veröffentlicht werden, weil er durch Whistleblower an uns herangetragen worden war. Im Anschluss an diesen „Leaking“-Vorgang wollten nicht nur wir wissen, was es genau mit diesem GG-Änderungsentwurf eigentlich auf sich hat. Auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig, Die Linke, teilte das Verkehrsministerium dann mit, der Entwurf stamme nicht aus ihrem Hause. Zwei Wochen später ergänzte das BMVI, der von uns veröffentlichte Entwurf wäre veraltet. Die Frage, von wem der Entwurf stammt und ob er an die Ländern weitergegeben worden sei, wurde nicht beantwortet – bis heute. Und natürlich wird erst recht nicht der aktuelle Entwurf zur Diskussion gestellt – den es ja geben muss, wenn es einen veralteten Entwurf gibt. Whistleblower können eben nur sehr punktuell Transparenz und Demokratiedefizite beheben helfen.
Wie geht es jetzt weiter? Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach letzte Woche davon, dass es zum Bund-Länder-Finanzausgleich eine Arbeitsgruppe der Länder mit Vertretern der Bundesregierung geben werde. Am 21.7. könnte es dann ein weiteres Treffen zum Bund-Länder-Finanzausgleich und damit auch zur Autobahnprivatisierung geben. Das wäre dann die vierte Verlängerung. Und vielleicht fällt da ja dann das für die Bundesregierung entscheidende Tor. Es spricht viel dafür, dass es so kommen wird: Bisher haben vielleicht noch teilweise unterschiedliche Positionen zwischen den Ministerien sowie zwischen Bund und Ländern eine Entscheidung verhindert. Möglicherweise hat auch der öffentliche Widerstand gegen das Vorhaben, die Viertelmillion an Unterschriften, die Aktionswoche, die vielen Schreiben von BürgerInnen an Abgeordnete und Landesregierungen ihr Scherflein dazu beigetragen, Sand ins Getriebe zu struen. Wir sollten jedoch nicht darauf vertrauen, dass das Vorhaben Autobahnprivatisierung sich jetzt infolge der inneren Widersprüchen in der Bundesregierung oder wegen eines Konflikts zwischen Bund und Ländern nun selbst abwickelt. Wir sollten nicht vergessen, dass es große Interesengruppen gibt, die diese Autobahnprivatisierung dringend umgesetzt sehen möchten. Dazu gehören sicher die großen Versicherungskonzerne, die großen Baukonzerne und – wenn auch vielleicht etwas weniger dringend – die Autoindustrie. Wie aus einer kleinen Anfrage der Linken im Bundestag bekannt wurde, hat sich die Bundesregierung mit Versicherungskonzernen allein in den ersten beiden Jahren der aktuellen Koalition 50mal getroffen, sie nahm zudem 66 Stellungnahmen und 104 weitere Positionspapiere der Versicherungslobbyisten entgegen. Wenn dieses größte Privatisierungsvorhaben der vergangenen 10 Jahre verhindert werden kann, dann nur durch Aufklärung und politischen Druck.