Brief zum SEZ an das Landesdenkmalamt Berlin

Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) ist ein erhaltenswertes Denkmal. Dennoch steht es bisher nicht unter Denkmalschutz. Das Denkmalrecht hat vier Kategorien: Geschichtlich, künstlerisch, wissenschaftlich und städtebaulich kann der Erhalt eines Bauwerks im Interesse der Allgemeinheit liegen. Siehe dazu das Gesetz zum Schutz von Denkmalen in Berlin. Warum also  nicht das SEZ? Wir wissen es nicht, aber wir finden, dass das SEZ dringend in die Denkmalliste des Landes Berlin eingetragen werden muss. Zuständig ist das Landesdenkmalamt Berlin. Wir haben einen Brief dorthin geschrieben. Wir würden uns freuen, wenn der Brief viele Nachahmer findet! Das Denkmal ist keine frei schwebende Behörde, sie ist mit der Gesellschaft verknüpft und ihr verpflichtet. Je mehr Briefe, desto besser!

An das Landesdenkmalamt Berlin
Herrn Dr. Christoph Rauhut
Altes Stadthaus, Klosterstraße 47, 10179 Berlin

Sehr geehrter Herr Dr. Rauhut,

seit dem Jahr 2016 begleiten wir vom Verein Gemeingut zusammen mit Anwohnern die Entwicklung des SEZ in Berlin. Wir haben gegen den Bebauungsplan Einsprüche eingereicht. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Gebäude an das Land Berlin zurückgeht. In Gesprächen mit dem damaligen Finanzsenator konnten wir erreichen, dass die bekannten Vertragsverletzungen (Hallenbad vertragswidrig nicht wieder eröffnet) als Anlass zu einer Klage auf Rückübertragung genommen wurden. Diese Klage wurde 2023 letztinstanzlich zugunsten von Berlin entschieden, wir haben uns sehr gefreut.

Umso erstaunter waren wir, als wir erfuhren, dass der Senat das SEZ abreißen möchte (und somit das Hallenbad auch nicht neu eröffnet). Weitaus gravierender als die Nicht-Eröffnung erscheint uns der Verlust des SEZ als bautechnisches und architektonisches Denkmal. Wir bitten Sie, angesichts der drohenden Zerstörung des Gebäudeensembles, den Denkmalwert erneut zu prüfen.

Aus unserer Sicht sprechen mehrere Punkte dafür, dass es sich um ein schützenswertes Denkmal handelt:

  • Architektonisch ist das Gebäudeensemble trotz des jungen Alters (Baujahr 1981) einer der letzten ikonischen Vertreter der Ostmoderne. Abgerissen wurden nicht nur der Palast der Republik, sondern auch das Restaurant Ahornblatt, das Palasthotel, das Hotel Berolina und das Stadion der Weltjugend, und in Potsdam die Fachhochschule. Sie kennen sicher weitere Beispiele. Zum Restaurant Ahornblatt gibt es aktuell eine Ausstellung, dort heißt es, so ein Abriss wäre heute nicht mehr möglich.
  • Beim SEZ handelt es sich um eine soziale Infrastruktur, bei der Sport im Zentrum stand. Wir haben den Eindruck, dass diese Form der Nutzung ungerechtfertigterweise gegenüber anderen Nutzungen der Hochkultur benachteiligt wird (z. B. der Neuen Nationalgalerie, eröffnet 1968, Sanierung 2015 bis 2021, Kosten 140 Mio. Euro, oder der Deutschen Oper in Berlin, eröffnet 1961, Sanierung 2023 bis 2028, Kosten voraussichtlich 50 Mio. Euro).
  • Das Landesdenkmalamt hat nach eigener Angabe 2013 untersucht, ob es sich im Fall des SEZ nach den Kriterien des Berliner Denkmalschutzgesetzes um ein Denkmal handelt. Es ist dabei zur Einschätzung gelangt, dass sich aufgrund des Überlieferungszustandes des Hauses und seiner Einrichtung eine Eintragung in die Denkmalliste leider nicht rechtfertigen lässt.Wir wissen nicht, welcher Überlieferungszustand damals eine Eintragung ermöglicht hätte. Nach unserer Kenntnis gibt es im Gebäude einige Umbauten und Einbauten, die jedoch weitgehend in Leichtbauweise vorgenommen wurden und reversibel sind. Die Substanz der Tragstruktur des SEZ ist hingegen außer­ordentlich gut erhalten. Fundamente und die markanten Stahlträger weisen keinerlei Schäden auf. Da kam Berlin zugute, dass das Gebäude durchgängig beheizt wurde, die Träger als innen liegende Struktur ausgebildet sind und das Schwimmbad nicht in Betrieb war (keine aggressive Umgebung durch Chlor).
  • Denkmalwert ist nach unserer Einschätzung zudem keine absolut messbare Größe, der Wert hängt von der Gesellschaft ab, und dort ist er Veränderungen unterworfen. Beim SEZ hat sich gezeigt, dass es eine erhebliche und breite Identifikation mit dem Gebäude gibt. Vor wenigen Monaten wurden dem Bausenator 10.000 Unterschriften unter der Forderung nach einer Verhinderung des SEZ-Abrisses übergeben. Auch beim Turmrestaurant Steglitz haben sich die Einschätzungen zum Erhaltenswert verändert, seit 2017 steht es nun unter Denkmalschutz. Mit Bekanntwerden der Mitautorenschaft des Architekten Günter Reiß und seiner Ost-West-Biographie hat sich die Bedeutung des SEZ an der Schnittstelle zwischen Ost und West noch einmal erhöht.
  • Uns liegen zudem auch Unterlagen der Gebäudetechnik vor, die eine außerordentlich erhaltenswerte Anlage zeigen. Aus Gründen der Sparsamkeit (nach der Ölkrise) wurde die Abwärme der Eislaufbahn dem Schwimmbad zum Heizen zugeführt. Eine solche Technik ist eine Art Wärmepumpe, jedoch mit höherem Wirkungsgrad und unserer Kenntnis nach europaweit einmalig.
  • Andere geplante Nutzungen am Standort wie Wohnen oder eine Schule haben ebenfalls ihre Berechtigung. Sie sollten jedoch eine denkmalpflegerische Betrachtung nicht beeinflussen. Auch nach Gewährung von Denkmalschutz kann eine Abwägung ergeben, dass ein Abriss sinnvoller ist. In diese Abwägung sollte aber eben der Denkmalschutz mit einfließen.

Wir bitten Sie daher, das SEZ in die Denkmalliste eintragen zu lassen.

Freundlich grüßt Carl Waßmuth, Vorstand Gemeingut

Zum Weiterlesen:

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/der-geheime-sez-architekt-guenter-reiss-li.2175883

https://www.sueddeutsche.de/kultur/sez-abriss-berlin-1.6556850

https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2024/me-single/article/kein-abgesang-auf-das-sez/

https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2024/me-single/article/das-sez-wird-dringend-benoetigt/

https://www.gemeingut.org/sez-retten-abriss-stoppen/

https://kulturerbenetz.berlin/rote-liste-objekt/?id=28

https://www.jacobin.de/artikel/sez-ostberlin-abriss-soziale-infrastruktur

 

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